Wir haben bei Ulrike Oberhammer, Präsidentin des Landesbeirats für Chancengleichheit, nachgefragt, was es mit diesem Phänomen auf sich hat und wie man diesem als Frau begegnen kann.<BR /><BR /><b>STOL: Frau Oberhammer, Gender Pricing ist ein weltweites Phänomen und auch in Südtirol weit verbreitet. In welchen Bereichen ist Gender Pricing zum Nachteil der Frauen besonders ausgeprägt?</b><BR />Ulrike Oberhammer: Auch wenn es meines Wissens (noch) keine Studien gibt, wie sich die Situation in Südtirol genau darstellt, sind wie überall auch hierzulande unterschiedliche Preisforderungen vor allem im Kosmetikbereich, bei Dienstleistungen, wie etwa beim Friseur, und bei Kleidung zu beobachten.<BR /><BR /><b>STOL: Und das obwohl wir es mit identischen Produkten/Dienstleistungen zu tun haben?</b><BR />Oberhammer: Ja genau. Diese Art von Preisgestaltung entbehrt jeglicher Grundlage oder wie rechtfertigt man, dass ein Deo mit gleichen oder ähnlichen Inhaltsstoffen für Frauen mehr kostet als für den Mann oder Rasierklingen, die auf die gleiche Weise hergestellt werden und bis auf die Farbe identisch sind?<BR /><BR /><b>STOL: Absurd, oder?</b><BR />Oberhammer: Ja, allerdings. Und noch absurder wird es, wenn ich an das Beispiel einer Berghose denke, für die ich kürzlich mehr bezahlt habe als mein Mann. Gleiche Marke, gleiche Machart. Frauen sind ja häufig kleiner bzw. zierlicher als ein Mann, es wird weniger Stoff und Material gebraucht, ein kleinerer Reißverschluss usw. Hier ist die Preisgestaltung erst recht nicht nachvollziehbar. Eher müsste das Produkt für den Mann teurer sein, ist es aber nicht. Dasselbe gilt beim Friseur. Schneiden, waschen, föhnen kostet für Frauen ein Vielfaches mehr als für Männer – auch wenn „Frau“ einen Kurzhaarschnitt trägt. Umgekehrt zahlt ein Mann mit langen Haaren für dieselbe Dienstleistung weniger.<h3> Bevor Sie weiterlesen, stimmen Sie ab:</h3> <div class="embed-box"><div data-pinpoll-id="230698" data-mode="poll"></div></div> <BR /><BR /><b>STOL: Woran liegt es, dass wir Frauen oft für identische Produkte und Dienstleistungen mehr bezahlen als Männer?</b><BR />Oberhammer: Studien besagen, dass Frauen weniger preissensibel sind und bereit, mehr Geld für ihr Äußeres auszugeben. Dies nutzen dies Hersteller aus und verkaufen gleiche Produkte für Frauen teurer als für Männer. Und auch Importzölle, die für ansonsten deckungsgleiche Produkte unterschiedlich hoch ausfallen können, führen häufig zur direkten Benachteiligung von Verbraucherinnen. Importeure zahlten am Ende mehr für Waren für Frauen als für entsprechende Artikel, die an Männer verkauft wurden. Die höheren Kosten werden an Großhändler, Einzelhändler und schließlich an weibliche Verbraucher weitergegeben. Die Höhe der geschlechtsspezifischen Preisunterschiede ist in vielen Fällen nicht zu rechtfertigen – selbst dann nicht, wenn die Inhaltsstoffe variieren, denn sie machen oft nur einen Bruchteil der Herstellungskosten aus. Gender Pricing ist in ein System diskriminierender Mechanismen einzuordnen und im Kontext anderer Formen ökonomischer Diskriminierung aufgrund von Geschlecht zu sehen, wie zum Beispiel den Gender Pay Gap, die Verteilung von unbezahlter und unterbewerteter Arbeit, die Gläserne Decke, Armutsgefährdung, oder etwa Eigentumsverhältnisse. Frauen in Südtirol verdienen im Schnitt 17 Prozent weniger verdienen als Männer, das heißt eine Frau verdient im Durchschnitt 84 Euro, während ihr männlicher Kollege 100 Euro einstreicht, Frauen arbeiten sehr oft in Teilzeit und sind sehr häufig Doppelbelastungen ausgesetzt und doch werden sie auch bei der Preisgestaltung häufig benachteiligt. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58605187_quote" /><BR /><BR /><b>STOL: Was können Frauen konkret gegen diese Preis-Diskriminierung tun?</b><BR />Oberhammer: Verbraucherinnen haben es teils wirklich selbst in der Hand. Solange wir bereit sind, für dieselben Produkte mehr zu bezahlen, werden wir wenig erreichen. Frauen sind allerdings nicht selbst schuld, sondern es fehlt einfach noch an Information und oftmals auch an Alternativen, wenn ich ein bestimmtes Produkt haben möchte bzw. benötige, Gender Pricing wird noch zu wenig thematisiert. Frauen sollten deshalb vermehrt und bewusst auf Preisunterschiede achten, die Preisgestaltung in Frage stellen, Produkte vergleichen und in jenen Fällen, wo es geht, entweder auf die Produkte für Männer zurückgreifen (z.B. bei Rasierschaum) oder auf die günstigeren von der Konkurrenz, auch wenn diese einen auf den ersten Blick vielleicht nicht so ansprechen. Zudem kann man auch direkt die Unternehmen anschreiben oder sich an die Dienstleister wenden und nachfragen, wie die Preise zustande kommen bzw. womit sie den Preisunterschied rechtfertigen. Je häufiger Beschwerden kommen, desto größer wird der Druck auch auf Südtiroler Unternehmen ihre Preispolitik zu überdenken. Wenn wir kritisch sind, können wir damit zu einem Bewusstseinswandel beim Thema Geschlechterdiskriminierung beitragen.<BR /><BR /><b>STOL: Sie sagen, das Thema ist noch zu kurz gekommen? Was plant der Landesbeirat für Chancengleichheit dahingehend?</b><BR />Oberhammer: Wir haben bereits bei der Verbraucherzentrale angeregt, dieses Phänomen eingehend zu beleuchten, die Daten zu erheben und zu vergleichen. Denn nur, wenn man den Vergleich macht und die Zahlen offenbart, wird Bewusstsein geschaffen. Vielen Konsumentinnen sind die Pink Tax und die damit verbundene Ungerechtigkeit sicherlich nicht bewusst. Das sieht man auch daran, dass auch bei uns diesbezügliche Meldungen oder Beschwerden nur sehr sporadisch auftauchen. Daher bedarf es auch von unserer Seite noch einiges an Aufklärung an Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-58605181_quote" /><BR /><BR /><b>STOL: Thema Tampon-Steuer. Während Verbraucherinnen das Gender Pricing zumindest theoretisch vermeiden können, indem sie das preisgünstige Äquivalent kaufen, ist das bei der Tamponsteuer nicht möglich. Werden wir die angepeilten 4 Prozent erreichen?</b><BR />Oberhammer: Die sogenannte Tampon Tax wurde in Italien von 22 Prozent auf 10 Prozent gesenkt. Da kann man fast schon von einem Wunder reden, dass das erreicht wurde. Die Umsetzung der angepeilten 4 Prozentwird sehr schwierig, auch wenn man die Hoffnung niemals aufgeben darf. Meines Erachtens müssten Menstruationsartikel für Mädchen und Frauen sowieso kostenlos sein – gleich wie Verhütungsprodukte. Denn leider ist es immer noch häufig Realität, dass sich Frauen alleine um die Verhütung kümmern müssen und auch die Kosten dafür zu tragen haben. Es sollte auch in den Schulen, Universitäten, Bibliotheken und öffentlichen Einrichtungen in den Toiletten kostenlose Menstruationsartikel für Mädchen und Frauen kostenlos bereitgestellt werden. Kein Mädchen und keine Frauen werden sich öffentlich beklagen, dass sie nicht die finanziellen Mittel für Menstruationsartikel hat. In Zeiten, wo das Geld ohnehin knapp ist, ist das aber auch ein Thema wo Handlungsbedarf besteht. <BR /><h3> Aufruf</h3>Liebe Leserinnen und Leser, sind auch Ihnen Unterschiede bei der Preisgestaltung aufgefallen und haben Sie konkrete Beispiele für Preisdiskriminierung? Wenn ja, schreiben Sie uns. <a href="mailto:redaktion@stol.it" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">redaktion@stol.it</a><BR /><h3> Daten und Studien aus dem Ausland</h3>Weil hierzulande profunde Daten noch fehlen, zeigen wir, anhand der Zahlen der Verbraucherzentrale Hamburg, die sich das Phänomen im Jahr 2019 genauer angeschaut hat, wie tief Pink Tax in unserer Gesellschaft verankert ist. Demnach liegen die Preise für Rasierprodukte für Frauen etwa 38 Prozent höher als die Männervarianten. Auch die Reinigung von Blusen ist im Schnitt etwa 60 bis 80 Prozent teurer, als es bei einem Männerhemd der Fall ist. Dieser Aufschlag kann sogar über 100 Prozent betragen – wodurch die Produkte oder Leistungen mehr als das Doppelte kosten.<BR /><BR />Laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes geht eine derartige Diskriminierung oft wie folgt einher: Produktname, Gestaltung und Verpackung sollen Frauen besonders ansprechen, während die Männerartikel fast identische Eigenschaften aufweisen. Laut dieser Studie gibt es bei 62 der 1682 untersuchten Produktvarianten einen erhöhten Preis für frauenspezifische Artikel. Das sind in diesem Fall 3,2 Prozent der Produkte. Bei den 381 untersuchten Dienstleistungen allerdings haben bereits 59 Prozent der Leistungen einen unterschiedlichen Preis für Männer und Frauen.<h3> Profunde Studie aus Österreich</h3>Die Studie „Gender Pricing – Ein Baustein in der Betrachtung von<BR />geschlechtsspezifischer Ungleichheit“ von Karin Schönpflug und Viktoria Eberhardt beleuchtet das Phänomen aus österreichischer Sicht. Die beiden Wissenschaftlerinnen haben für den Dienstleistungssektor 450 (der rund 2.500) österreichischen Frisiersalons und 80 der 270 österreichischen Textilreinigungen telefonisch befragt. In beiden Dienstleistungsbranchen wurde Gender Pricing in einem signifikanten Ausmaß nachgewiesen. Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit anderen internationalen Analysen: Für denselben Service in Frisiersalons – Waschen, Schneiden und Trocknen bei kurzen Haaren – bezahlt eine Frau in Österreich durchschnittlich 11 Euro mehr als ein Mann. Nur 55 der befragten Frisiersalons verrechnen den gleichen Preis für Männer und Frauen. Das bedeutet, 87 Prozent der Frisiersalons in Österreich behandeln Frauen und Männer ungleich. Die Frage, ob es als Frau möglich ist, einen Herrenservice zu Männerpreisen in Anspruch zu nehmen, verneinen 60% der befragten Salons. In rund einem Viertel der Frisiersalons ist dies unter bestimmten Voraussetzungen möglich. <BR /><BR />Die für die Studie erfragten Preise in Textilreinigungen beziehen sich auf die Reinigung eines Baumwollhemdes und einer Baumwollbluse, die wie ein Hemd geschnitten ist, ohne Taschen, Rüschen oder andere aufwändige Details. 96 Prozent der Textilreinigungen in Österreich verrechnen für die Reinigung einer Bluse dieser Art einen höheren Preis als für die Reinigung eines Baumwollhemdes. Durchschnittlich kostet eine Blusenreinigung das Doppelte einer Hemdreinigung – und selbst dann, wenn ausschließlich Hemdreinigungen mit händischem Bügeln berücksichtigt werden, kostet eine Blusenreinigung nach wie vor das 1,6-Fache einer Hemdreinigung. 62 Prozent der Textilreinigungen geben an, eine Bluse unter keinen Umständen zu Hemdpreisen zu reinigen. Rund ein Fünftel der Textilreinigungen würde eine Bluse zu Hemdpreisen reinigen, solange diese einen dementsprechenden Schnitt vorweist. <BR /><BR />Auch körperbezogene Produkte wurden von den beiden Wissenschaftlerinnen Karin Schönpflug und Viktoria Eberhardt untersucht. Dafür haben sie einen Warenkorb typischer Körperpflegeprodukte gebildet, der 11 Produktkategorien einbezieht, die in den Online-Shops der 5 wichtigsten Marktanbieter mehr als 5 Produkte pro Geschlecht aufweisen. Diese Produktkategorien sind: Dusche, Mehrwegrasierer, Rasierklingen, Einwegrasierer, Rasierschaum, Gesichtscreme, Deodorant, Shampoo, Körpercreme, Bodylotion und Augenpflege. Für diese Produktkategorien wurden nach Marktanteil gewichtete Durchschnittspreise ermittelt und auch die Nachfrage nach den beliebtesten Produkten ausgewertet. Die Erhebung ergibt, dass in Österreich zwar wesentlich teurere Pflegeprodukte für Frauen angeboten werden, diese aber nicht unbedingt in gleichem Ausmaß nachgefragt werden. Frauen werden im Vergleich zu Männern Produkte angeboten, die im Schnitt um 9 Euro mehr pro Packung kosten – am liebsten nachgefragt werden hingegen Frauenprodukte, die im Schnitt um 8 Euro billiger als Männerprodukte sind. Anders als im Dienstleistungsbereich ist es Frauen im Produktbereich möglich, auch Männern zugedachte, billigere Produkte zu erwerben.<BR /><BR /><b>Hier nur einige Beispiele für Gender Pricing bei Kosmetikprodukten in Südtirol (verschiedene Marken, verschiedene Geschäfte)</b><BR /><BR />Deo Sensitiv roll on 50 ml Frauen 1,39 Euro<BR />Deo Sensitiv roll on 50 ml Männer 1,25 Euro<BR /><BR />Einwegrasierer mit 2 Klingen, 10 Stück Frauen 2,49 Euro<BR />Einwegrasierer mit 2 Klingen, 10 Stück Männer 1,75 Euro<BR /><BR />Einwegrasierer mit 5 Klingen, 10 Stück Frauen 5,49 Euro<BR />Einwegrasierer mit 5 Klingen, 1 Stück Männer 5,19 Euro<BR /><BR />5-Klingen Nachfüllpackung 8 Stück Frauen 9,90 Euro (Packung mit 4 Stück 5,99 )<BR />5-Klingen Nachfüllpackung 8 Stück Männer 9,55 Euro (Packung mit 4 Stück kostet 5,49)<BR /><BR />Rasiergel sensitive Frauen 200 ml 2,39 Euro<BR />Rasiergel sensitiv Men 200 ml 1,99 Euro<BR /><BR />Eine der wenigen Ausnahmen:<BR />Q10 Faltencreme 50 ml Frauen 3,49 Euro<BR />Q10 Intensivcreme 50 ml Männer 4,55 Euro