Auf dem Weg dorthin wirkt erneut alles so erschreckend normal, als wüsste niemand, welch unermessliches Leid sich hier vor nicht einmal 100 Jahren abgespielt hat. Wir passieren Auschwitz, eine belebte Stadt. Durch die Straßen schlängeln sich jede Menge Autos vorbei an Restaurants und Cafés. Nach all dem, was ich auf dieser Reise gesehen und gehört habe, wäre für mich ein ganz gewöhnlicher Alltag nur wenige Meter neben Orten, an denen unsägliches Leid geschehen ist, unvorstellbar. Aber: ich bin nur Gast. Ich bin gekommen, um wieder zu gehen. <BR /><BR /> Als wir den Bus verlassen, ziehen Wolken auf, es beginnt zu schneien. Vor mir erstreckt sich eine riesige Fläche, viel größer als das Stammlager Auschwitz 1. Diese unendliche Weite lastet schwer auf mir. Rundherum erblicke ich verwitterte, alte Baracken – die einen aus Holz, andere aus Backstein. <h3> Aug in Aug mit dem Tor des Todes</h3> Hinter zerfallenen Ruinen und den Fundamenten von Gebäuden sticht mir ein Zug-Gleis ins Auge, dem mein Blick ängstlich bis zu dessen düsterem Ende folgt. Dort steht es bedrohlich und still: das Tor des Todes. Dessen Präsenz hat etwas äußerst furchteinflößendes an sich. Die Gleise trennen sich, genauso wie einst das Schicksal der Insassen. Eine Richtung führte in den sicheren Tod in der Gaskammer, die andere in ein Leben unter Zwangsarbeit und extremen Bedingungen. Unvorstellbar, wie grausam der Mensch sein kann.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1131291_image" /></div> <BR />Wir treten ein, der Himmel färbt sich immer grauer und verschluckt die letzte Helligkeit. In mein Gesicht weht ein eisiger Wind, während wir uns durch das Frauen- und Männerlager, das Areal der Roma und Sinti sowie jenes für Homosexuelle kämpfen, um schlussendlich die Ruinen der vielen Gaskammern und Krematorien zu erreichen. Das Ausmaß der Vernichtung ist unvorstellbar, über eine Million Menschen verloren in Auschwitz-Birkenau ihr Leben. <h3> Angelangt am Ende der Reise</h3> All jener gedenken wir 360 Teilnehmer des Projekts „Promemoria Auschwitz“, als wir am Ende unserer Reise das Denkmal im Vernichtungslager von Birkenau erreichen, umringt von den Trümmern der Gaskammern und Krematorien. Weiter hinten offenbart sich der Birkenwald, der fast schon friedlich wirkt, während durch ihn ein Reh stolziert. Doch in der Luft scheint nach wie vor der Geruch von Rauch zu liegen, der an das schreckliche Leid erinnert, das sich hier einst abspielte und niemals vergessen werden darf. <BR /><BR />Denn wie es der spanische Philosoph und Schriftsteller George Santayana auf den Punkt brachte: „Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen.“