In Prad sorgt die Energiegenossenschaft für – grünen – Strom und Wärme – und das als „historische Genossenschaft“ zu Sonderkonditionen, die den Mitgliedern günstigere Preise garantieren. Auch wenn der internationale Markt verrückt spielt.<BR /><BR />Geboren wurde die Idee bereits 1923, damals machten beherzte Bürger aus der Not eine Tugend. Denn der abgelegenere Ort war zunächst nicht interessant, um an die ersten Stromleitungen angeschlossen zu werden – und so beschlossen sie, selbst aktiv zu werden. <BR /><BR />Die „Selbsthilfe“ führte 1925 zum ersten Wasser-E-Werk in Prad und 1926 zur Gründung der Energiegenossenschaft (mit 47 Mitgliedern). Die Genossenschaft übersteht sämtliche Wirren und Gefahren der Zeit und wächst seither kontinuierlich – auf derzeit 1443 Mitglieder.<BR /><BR /> Dazu zählen neben den privaten Haushalten der 3827 Einwohner starken Gemeinde auch Betriebe. Beliefert werden diese mit Strom, Wärme und Internet. Und das zu günstigeren Preisen als anderswo. „Möglich ist dies, weil wir uns bereits seit Jahrzehnten auf die zur Verfügung stehenden lokalen Ressourcen konzentrieren und diese in Form von sauberer Energie lokal verteilen“, erläutert der geschäftsführende Verwaltungsrat Michael Wunderer. <BR /><BR />„Neben der geringen Umweltbelastung wird auch das gesamtstaatliche Stromnetz aufgrund der eigenen Infrastrukturen nur geringfügig beansprucht. Auf diese Weise konnten wir – als historische Genossenschaft – von bestimmten gesamtstaatlichen Abgaben, wie z. B. den Systemkosten befreit werden. Diesen Vorteil können wir in Form von günstigeren Energiepreisen an unsere Mitglieder vor Ort weitergeben.“ <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="909715_image" /></div> <BR /><BR />Der Preisvorteil durch die eingesparten Systemkosten sorgt im Normalfall beispielsweise beim Strom für einen um fast 30 Prozent billigeren Tarif, als ihn die meisten anderen Südtiroler zahlen. „Während der Energiekosten-Explosion war der Unterschied sogar noch wesentlich größer“, sagt Wunderer. <BR /><BR />So lag im Jänner 2023 der Preis auf dem sogenannten geschützten Markt (darin befinden sich viele Südtiroler mit ihren Stromverträgen) laut Referenzvorgabe der Regulierungsbehörde für Energie, Netze und Umwelt (ARERA) für den typischen Kunden (Jahresverbrauch 2700 kWh, Anschluss 3kW) bei etwas mehr als 50 Cent pro kWh, während die Prader Bürger (Mitglieder) bei ihrer Genossenschaft nur rund 20 Cent bezahlten. Das heißt, so führt Wunderer weiter aus, „dass Spielräume der lokalen Versorgung vor Ort gekonnt genutzt werden, zum Vorteil der örtlichen Verbraucher“. <BR /><BR />Allerdings ist man auch in Prad nicht gänzlich vom gesamtstaatlichen System entkoppelt und somit abhängig von vielen römischen Regulierungsvorschriften und von marktwirtschaftlichen Systemzwängen, die laut Wunderer in vielen Bereichen eine dringende Revisionierung von Nöten hätten.<BR /><BR /><embed id="dtext86-60091430_quote" /><BR /><BR /><BR />Inwieweit die Preisvorteile bei der Entwicklung der Gemeinde eine Rolle spielen, lässt sich nur vermuten. Fakt ist jedenfalls, dass die kleine Gemeinde wächst – auch die Handwerkerzone. Denn niedrige und vor allen Dingen auch konstante Preise sind gut für den privaten Haushalt, aber auch für die in der Gemeinde angesiedelten Betriebe.<BR /><BR /> Beliefert wurden 2020 2051 Abnehmer, und zwar die Mitglieder mit 12.279.640 kWh und Nicht-Mitglieder mit 6.779.050 kWh Strom. Das macht zusammen rund 19 Mio. kWh, produziert hat die Genossenschaft 21 Millionen. Der überwiegende Teil, nämlich 19 Millionen kWh aus Wasserkraft, knapp 2 Millionen aus Biogasanlagen und ein wenig aus Fotovoltaik. Die Energiegenossenschaft sorgt aber auch für die Wärmeversorgung, aktuell für 776 Abnehmer mit einem Verbrauch von 19,8 Millionen kWh (Mitglieder: 14 Millionen) und einem Preis (2020) unter 10 Cent pro kWh für Mitglieder und einen etwas höheren Preis für Nicht-Mitglieder.<h3> Jede Menge Pläne für die Zukunft</h3>In Prad ist man bei der Energieproduktion breit aufgestellt. Der Schwerpunkt liegt beim Strom nach wie vor auf der Wasserkraft, aber auch Biogas/-öl und Fotovoltaik tragen zur Produktion bei. Die Wärmeproduktion erfolgt über Biomasse, Biogas/-öl und eine Wärmepumpe. Die Biogasanlage verwertet Gülle von über 50 Höfen und rund 600 Großvieheinheiten, sowie Fallobst und Trester.<BR /><BR />Für das Jahr 2020 haben sich die Mitglieder der Energiegenossenschaft beim Strom insgesamt 511.310 Euro im Vergleich zum geschützten Markt und bei der Wärme 592.174 Euro im Vergleich zu den Kosten einer Versorgung mit Heizöl eingespart. <BR /><BR />Doch die Prader wollen sich keineswegs auf ihren Lorbeeren ausruhen. Für die Zukunft gibt es bereits jede Menge Pläne: Neben der Optimierung der bestehenden Anlagen gehört auch die Errichtung eines Pumpspeicherwerkes am Tschrinbach dazu: „Das würde uns einen Energiespeicher für einen ganzen Tag oder auch mehr bringen“, erklärt Wunderer. Und das ist durchaus notwendig: „Denn mit dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien sind Speichertechnologien unabdingbar, um das Stromnetz stabil zu halten“, erklärt der Experte. <BR /><BR /> Südtirol besitze aufgrund seiner topografischen Gegebenheiten ideale Voraussetzungen und habe die Möglichkeit, viele bestehende Wasserkraftwerke zu Pumpspeicherkraftwerken umzurüsten. Diese neuen Tages- oder Wochenspeicher könnten in Form von Naturseen oder Becken errichtet werden, wie eben jenes von Prad. Idealerweise, so sagt Michael Wunderer, könnten solche Speicher auch mit Beschneiung, Löschwasser oder Beregnungswasser kombiniert werden. <BR /><BR />Weitere Stromspeichermöglichkeiten will man in Prad auch durch die Nutzung von Akkuladungskapazitäten der Elektromobilität schaffen. Und um alles so effizient wie möglich zusammenzuführen, setzt man in Zukunft auf ein Smart Grid (siehe eigene Meldung). Die gesetzlich vorgeschriebenen neuen digitalen Stromzähler machen es möglich.<BR />