Entdeckt wurden die „Geistergeschwister“ nur durch Zufall: Die Carabinieri mussten den Bewohnern des Hauses nach einer Überschwemmung des Po-Flusses einen Räumungsbefehl zustellen. Dabei stießen sie auf die beiden Brüder, die laut Jugendgericht von ihren Eltern völlig isoliert und vernachlässigt worden waren. Die Eltern – ein niederländisches Paar, das vor dem Umzug nach Italien in Deutschland gelebt hatte – wurden für erziehungsunfähig erklärt. Das Gericht ordnete an, dass die Kinder, die derzeit in einer betreuten Wohngemeinschaft leben, zur Adoption freigegeben werden.<BR /><BR />Hintergrund der Isolation war die extreme Angst des Vaters vor dem Coronavirus. Wie Ermittler mitteilten, war der 54-jährige Niederländer – ein Bildhauer namens Frederik – von der Vorstellung besessen, seine Kinder könnten sich infizieren. Um jede Ansteckungsgefahr auszuschließen, hielt er sie fern von Schule, Kindergarten und Arztbesuchen. Die Mutter, eine 38-jährige Niederländerin, zeigte offenbar kaum Interesse an den Kindern. Laut Grundbuch lebte die Familie seit mindestens drei Jahren völlig zurückgezogen in dem Waldhaus – unbemerkt von Nachbarn oder Behörden.<h3> Katastrophale Bedingungen</h3>Die Bedingungen, unter denen die Brüder aufwuchsen, waren katastrophal: Sie hatten nie Kontakt zu Gleichaltrigen, erhielten keinen Unterricht, konnten kaum sprechen und waren medizinisch nie versorgt. Der Vater behauptet zwar, er habe sie zu Hause unterrichtet, doch der Zustand der Kinder spricht eine andere Sprache.<BR /><BR />Frederik rechtfertigte sein Handeln mit seiner Angst vor Viren und angeblichen Verschwörungen zur Verbreitung neuer Krankheiten. Deshalb verweigerte er nicht nur Impfungen, sondern auch jede Form der Integration in die Gesellschaft. Für ihn sei die völlige Abgeschiedenheit der einzige Weg gewesen, seine Kinder zu schützen – tatsächlich aber lebten die Brüder jahrelang wie unsichtbare „Waldgeister“, die niemand je gesehen oder gehört hatte.<h3> Adoptionsverfahren eingeleitet</h3>Inzwischen befinden sich die Kinder in der Obhut von Psychologen des Sozialdienstes in Chivasso. Das Jugendgericht begründet die Entziehung des Sorgerechts mit der vollständigen Vernachlässigung durch den Vater und der Abwesenheit der Mutter. Ein Adoptionsverfahren wurde eingeleitet.<BR /><BR />In Italien sorgt der Fall nicht nur für Bestürzung, sondern auch für Unverständnis: Wie konnte es geschehen, dass zwei Kinder über Jahre mitten im Wald lebten, ohne dass jemand etwas bemerkte? Die meisten begrüßen die Entscheidung des Gerichts – doch die Frage, wie dieses Leben im Verborgenen so lange unentdeckt blieb, bleibt für viele rätselhaft.