„Leider müssen wir uns weiterhin mit dem Problem der Gewalt an Frauen beschäftigen. Südtirol ist dabei keine Insel der Seligen: Es gibt hier genau so viel Gewalt quer durch alle Bevölkerungsschichten hindurch wie auch im restlichen Italien. Für uns ist es manchmal schon deprimierend, dass sich in Bezug auf dieses Thema wenig ändert, obwohl viel an Sensibilisierung, Prävention und Aufklärung gearbeitet wird“, sagt Elisabeth Tribus, Mitglied im Vorstand des Vereins „Frauen helfen Frauen“.<BR /><BR />Dass Südtirol beim Thema Gewalt an Frauen noch sehr viel besser machen muss, hat auch Christine Clignon, Präsidentin der Sozialgenossenschaft GEA, bereits vor einem Monat im Gespräch mit STOL bestätigt. Im Frauenhaus in Bozen wurden im Jahr 2021 260 Frauen betreut, die Opfer von Gewalt wurden. In 82 Prozent der Fälle wurde die Gewalt vom eigenen Partner oder Ex-Partner ausgeübt <a href="https://www.stol.it/artikel/chronik/suedtirol-eine-von-3-frauen-wird-im-laufe-ihres-lebens-opfer-von-gewalt" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">(das ganze Interview lesen Sie hier).</a><BR /><BR />Wie häufig in Italien Gewalt gegen Frauen verübt wird, hat unlängst auch ein Bericht der Universität „La Sapienza“ in Rom gezeigt. In diesem wurde 3 Jahre nach dessen Einführung eine erste Bilanz zum „Codice Rosso“ gezogen. Allein im Jahr 2022 wurden in Italien bisher 82 Frauen ermordet – 42 Mal war der Ex-Partner der Täter <a href="https://www.stol.it/artikel/chronik/italien-82-frauenmorde-im-jahr-2022-codice-rosso-zieht-bilanz" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">(mehr dazu lesen Sie hier).</a><BR /><BR /><embed id="dtext86-57083804_quote" /><BR /><BR />Dass es Aktionstage wie den 25. November gibt, sei – auch wenn es manchmal aussichtslos erscheine, das Problem in den Griff zu bekommen – dennoch wichtig. „Es ist allerdings von zentraler Bedeutung, dass wir nicht nur an diesem Tag über Gewalt an Frauen sprechen, sondern immer wieder daran erinnern, dass es viele Frauen in der Mitte unserer Gesellschaft gibt, die Opfer von verschiedensten Gewaltsituationen werden und Hilfe benötigen“, betont Tribus.<h3> Frauen sind sich oft nicht bewusst, dass sie Opfer von Gewalt sind</h3><BR />Eine erste Anlaufstelle für Frauen, die unterschiedlichste Lebenskrisen bewältigen müssen, ist der Verein „Frauen helfen Frauen“, dem Elisabeth Tribus seit 24 Jahren angehört: „In erster Linie kommen Frauen zu uns, die familiäre Probleme – etwa eine Trennung oder Schwierigkeiten mit den Kindern und anderen Familienmitgliedern – bewältigen müssen. In letzter Zeit kommen aber auch immer mehr Frauen zu uns, die mit finanziellen Engpässen zu kämpfen haben.“<BR /><BR /><embed id="dtext86-57083800_quote" /><BR /><BR />Auch das Thema Gewalt nimmt in den Beratungsgesprächen einen großen Platz ein, obwohl „Frauen helfen Frauen“ keine Anti-Gewalt-Stelle ist: „Häufig ist den Betroffenen zunächst nicht bewusst, dass sie Opfer von Gewalt sind. Zudem sind die Hemmungen, über dieses Thema zu sprechen und sich Hilfe zu suchen, oft sehr groß. Wir sind eine sehr niederschwellige Anlaufstelle, an die sich Frauen mit jeglicher Art von Problemen und Sorgen wenden können. Bei den Beratungsgesprächen können wir dann häufig aufspüren, dass Gewalt im Spiel ist und sich die Betroffene schwertut, darüber zu reden.“<BR /><BR />In solchen Fällen stellen die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen des Vereins einen Kontakt zu den Psychologinnen vom „Haus der geschützten Wohnungen“ her, wo Frauen und Kinder, die sich in einer Gewaltsituation befinden und sich aus dieser distanzieren möchten, aufgenommen werden können.<h3> Gewalt hat viele Gesichter</h3>Gewalt an Frauen hat viele Gesichter und bleibt deshalb oft lange im Verborgenen. „Gewalt fängt bereits in Situationen an, wo die betroffene Frau stark unter Druck gesetzt wird und in ein Abhängigkeitsverhältnis rutscht. Wenn etwa ihr Bankkonto kontrolliert wird; sie ständig unter der Beobachtung des Mannes steht; sie keine sozialen Kontakte pflegen darf oder vom Mann angebrüllt wird. Oft hören wir den Satz: ,Geschlagen hat er mich noch nicht...‘ Im weiterführenden Gespräch stellen wir dann meist fest, dass es zwar noch zu keiner physischen Gewalt gekommen ist, die Frau sehr wohl aber Opfer von psychischer oder ökonomischer Gewalt wurde.“ <BR /><BR /><embed id="dtext86-57083808_quote" /><BR /><BR />Situationen, in denen Frauen nicht frei sind und in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zum Partner stehen, können teilweise über Jahre oder Jahrzehnte andauern, ohne dass es dabei zu körperlicher Gewalt kommt. Eine Eskalation ist aber jederzeit möglich. „Es ist daher essenziell, dass sich Frauen bewusst sind, dass sie nicht für alles Rede und Antwort stehen müssen. Ein respektvoller Umgang miteinander ist unumgänglich und muss nötigen Falls auch eingefordert werden“, unterstreicht Tribus.<h3> „Frauen helfen Frauen“: Niederschwellige Hilfe in jeder Situation</h3>Der Schritt, sich aus solchen Situationen zu befreien, fällt meist nicht leicht. „Dabei ist es mir wichtig zu betonen, dass ,Frauen helfen Frauen‘ eine niederschwellige Anlaufstelle ist, wo man sich nicht anmelden braucht und wo man über jegliches Problem reden kann. Jede Frau entscheidet selbst, wobei wir sie unterstützen sollen und welche Schritte sie setzten möchte.“<BR /><BR />Frauen, die sich in Gewaltsituationen befinden, werden von den geschulten ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen von „Frauen helfen Frauen“ in ihrem Prozess, neue Perspektiven und Veränderungsmöglichkeiten zu entwickeln, begleitet. Der Verein bietet Mädchen und Frauen in Krisensituationen Aussprachemöglichkeit, Information und Verständnis. Außerdem fungiert er als Schnittstelle für die Weitervermittlung an spezialisierte Einrichtungen, wo Betroffene professionelle Hilfe bekommen können.<h3> „Solidarität der Männer wäre (für uns sehr) wichtig“</h3>Den Verein „Frauen helfen Frauen“ gibt es seit 1986. Seitdem hat sich unser Land und unsere Gesellschaft sehr stark verändert. „In vielen Belangen auch zum Positiven. Frauen sind heute viel selbstbewusster. Trotzdem gelingt es uns leider nicht, das Thema Gewalt an Frauen hinter uns zu lassen. Woran das genau liegt, ist auch für uns schwierig zu sagen“, sagt Tribus. <BR /><BR /><embed id="dtext86-57083852_quote" /><BR /><BR />Wichtig sei es laut Tribus, dass sich auch die Männerwelt für dieses Thema stark mache: „Die große Mehrheit der Männer ist schließlich nicht gewalttätig. Wir brauchen auch ihre Hilfe, indem sie deutlich gegen Gewalt einstehen. Die Solidarität der Männer wäre sehr wichtig, um bei diesem Problem endlich einen Schritt weiter zu kommen.“<BR /><BR />Ein weiterer möglicher Weg seien Anti-Gewalt-Trainings, die zum Beispiel bei der Männerberatungsstelle der Caritas angeboten werden: „Diese Trainings helfen Männern über ihre Ängste und Probleme zu reden, sie lernen ihre Aggressionen in den Griff zu bekommen. Frauen haben ein Recht auf Selbstständigkeit und Gewalt stellt niemals eine Alternative dar“, so Tribus abschließend.<h3> Wo Sie Hilfe finden</h3> Der Verein <b>„Frauen helfen Frauen“</b> schreibt auf seiner <a href="http://www.frauenhelfenfrauen.it/" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Website</a>: „Nicht selten geraten Menschen in unserem Umfeld, in unserer Nachbarschaft aus unterschiedlichen Gründen in eine Lebenskrise. Nicht selten sind es die Frauen, die diese Krisen aushalten, meist so lange, bis die Last unerträglich wird und die Lage aussichtslos erscheint. Wir sind für diese Frauen da.“<BR /><BR />Frauen, die Hilfe benötigen, können sich von Montag bis Freitag von 9 Uhr bis 12 Uhr telefonisch (0471 973 399) an den Verein wenden, zu einem Gespräch vorbeikommen (Dr.-Streiter-Gasse 1/B, Bozen) oder eine <a href="mailto:info.bozen@frauenhelfenfrauen.it" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">E-Mail </a>schicken.<BR /><BR /><b>GEA – für die Solidarität unter den Frauen gegen Gewalt</b> – wurde 1999 als Verein gegründet. Als überparteiliche, überkonfessionelle und gemeinnützige Organisation setzt sie sich für die Stärkung und Förderung des Frauendenkens, die Sensibilisierung für das Thema Gewalt gegen Frauen und die Unterstützung von Frauen, die von Gewalt betroffen sind, und ihrer Kinder ein. <a href="https://www.casadelledonnebz.it/" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Hier geht es zur Website.</a><BR /><BR />GEA bietet Frauen, die Gewalt erfahren, rund um die Uhr Hilfe an. Die Notrufnummer 800 276433 ist 24 Stunden am Tag aktiv.<BR /><BR />