Am Samstag zog der Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht Trient, Corrado Mistri, bei der Eröffnung des Gerichtsjahres im Palazzo Geremia Bilanz über die Tätigkeit der Ermittler in der Region. Fälle von Gewalt an Frauen nehmen in Südtirol deutlich zu. Auffällig ist im Bericht der Bozner Staatsanwaltschaft die häufig ausländische Herkunft der Täter. Die Bozner Ermittler haben im Zeitraum vom 1. Juli 2023 bis 30. Juni 2024 insgesamt <b>124 Ermittlungsverfahren wegen sexueller Gewalt</b> eingeleitet. Im Vorjahreszeitraum waren es <b>115</b>. Besonders dramatisch: die Zunahme der Fälle von <b>sexuellen Handlungen an Minderjährigen</b>. In <b>10 Fällen</b> wurde ermittelt. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es <b>3</b> derartige Fälle.<BR /><BR />Ins Auge sticht die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen <b>Misshandlung in der Familie</b>: Es waren zuletzt <b>527</b> (<b>397</b> im Vorjahr, ein Plus von <b>33 Prozent</b>). Zugenommen hat auch die Ermittlungstätigkeit in Stalking-Fällen: <b>273</b> entsprechende Verfahren wurden eingeleitet (22/23 waren es <b>202</b>). Die steigenden Zahlen seien wohl auch auf größeres Problembewusstsein zurückzuführen, meinte Mistri. <BR /><BR />Jeder gewaltsame Todesfall ist einer zu viel: Im abgelaufenen Gerichtsjahr war es jener von Celine Frei Matzohl. Die junge Frau wurde im August 2023 leblos in Schlanders aufgefunden. Es war der einzige <b>Mordfall</b> bzw. <b>Femizid</b> in Südtirol in dieser Periode. Das Verfahren gegen den dringend tatverdächtigen Omer Cim läuft. 2022/23 mussten in <b>2 Fällen</b> Mordermittlungen angestellt werden. Auch diese waren Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt.<BR /><BR />Gewalt an Frauen ist auch für die Staatsanwaltschaften bei den Jugendgerichten Thema: „Im Sprengel Bozen ist ein deutlicher Anstieg der Fälle von <b>vorsätzlicher Körperverletzung an Frauen</b> (<b>52</b> Fälle gegenüber <b>26</b> im Vorjahr) und <b>sexueller Gewalt</b> (<b>20</b> Fälle gegenüber <b>10</b>) zu verzeichnen“, erläuterte Generalstaatsanwalt Mistri.<h3> Arbeitsunfälle: 7 Fälle von fahrlässiger Tötung</h3>Die Explosion im Aluminiumwerk in Bozen Süd im Juni 2024 hat auch die Bozner Staatsanwaltschaft gefordert: 5 Arbeiter wurden schwer verletzt, einer verlor sein Leben. In insgesamt <b>7 Fällen</b> mussten die Bozner Ermittler wegen <b>fahrlässiger Tötung in Folge von Unfällen am Arbeitsplatz</b> ermitteln. Im vorangegangenen Gerichtsjahr waren es <b>3</b> Todesfälle gewesen. <BR /><BR />Insgesamt etwas zurückgegangen ist im abgelaufenen Jahr die Zahl der <b>Drogendelikte:</b> von <b>81</b> auf <b>76</b>. Grund zur Freude ist dies nicht. Der Schwerpunkt des Handels scheint sich nämlich von leichteren auf schwerere Drogen verlagert zu haben: <b>53 Fälle</b> waren es (45 im Vorjahr). Beim Handel mit leichten Drogen ist ein Rückgang zu verzeichnen (<b>23 Fälle</b>; 36 im Vorjahr).<BR /><BR />Obwohl die Ordnungshüter ihre Kontroll- und Präventionstätigkeit verstärkt haben, nahm auch die Zahl der Vermögensdelikte wieder zu: In <b>1206 Fällen von Wohnungseinbruch und Diebstahl durch Entreißen</b> der Beute hat die Bozner Staatsanwaltschaft ermittelt (in 108 Fällen gegen dringend tatverdächtige Personen, in <b>1098 Fällen gegen Unbekannt</b>). Zum Vergleich: Im Gerichtsjahr 2022/23 waren es <b>1130 Fälle</b>. Interessant: Die Zahl der Raubüberfälle stieg von <b>110</b> auf <b>144</b> um <b>31</b> Prozent. Das Gros betrifft räuberischen Diebstahl und spielt sich in Geschäften ab. <BR /><BR />Zugenommen hat auch die <b>unrechtmäßige Besetzung von Immobilien</b>: <b>34 Fälle</b> sind bei der Staatsanwaltschaft Bozen aktenkundig (im Vorjahr waren es <b>28</b>).<BR /><BR />Auf Wirtschaftskriminelle wirkt Südtirol als Betätigungsgebiet verlockend: wegen der Grenzlage, aber auch wegen der florierenden Wirtschaft. „Im Bereich Tourismus gilt es wachsam zu sein“, warnte der Generalstaatsanwalt am Samstag. Auch Drogenhandel, Diebstähle in Geschäften und Widerstand gegen die Staatsgewalt schlagen in der Statistik zu Buche.<BR /><BR />Mehr als verdoppelt haben sich die Ermittlungen zu <b>Steuerdelikten:</b> In <b>135 Fällen</b> wurde die Staatsanwaltschaft aktiv. Im Vorjahreszeitraum war dies in <b>62 Fällen</b> notwendig.<BR /><BR />Ebenso mehr als verdoppelt haben sich die <b>Verbrechen gegen die öffentliche Verwaltung</b>: von <b>41</b> im Vorjahr auf <b>84</b>. Darunter stechen besonders Amtsunterschlagung (15 Fälle gegenüber 9 2022/23) und unrechtmäßiges Beziehen von öffentlichen Zuwendungen (68 gegenüber 31) hervor.<h3> Staatsanwaltschaft „dramatisch unterbesetzt“</h3>„Dramatisch“ sei die hohe Zahl an unbesetzten Stellen in den Reihen der Bozner Ermittler: In der akutesten Phase waren lediglich 4 Staatsanwälte in Bozen tätig; dazu kam einer, der aus Catania zugewiesen wurde. Der Stellenplan sieht 12 vor: 65 Prozent der Stellen sind also unbesetzt. Trotz dieses Notstandes ist es gelungen, die Produktivität nicht nur zu halten, sondern sogar zu steigern – obwohl etwas mehr als die Hälfte der Verwaltungsstellen der Staatsanwaltschaft nicht besetzt sind (34 der vorgesehenen 64).