Im Jahr 2025 erscheint es naheliegend, dass rechtlich kein Unterschied mehr zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Paaren gemacht wird – insbesondere in Fragen der Beziehung, Elternschaft und Adoption. Doch die geltende Rechtslage in Italien zeigt, dass nach wie vor Differenzierungen bestehen. Die vollständige rechtliche Gleichstellung aller Partnerschaftsformen ist bislang nicht erreicht.<BR /><BR />Seit dem 5. Juni 2016 ermöglicht das sogenannte <b>Cirinnà-Gesetz</b> gleichgeschlechtlichen Paaren die Eintragung einer zivilen Partnerschaft. Damit wurde ein erster Schritt in Richtung rechtlicher Anerkennung gesetzt. <BR /><BR />Erst kürzlich gelang jedoch ein regelrechter Meilenstein im Kampf der Regenbogenfamilien um die Anerkennung des nicht biologischen Elternteils ( <a href="https://www.stol.it/artikel/chronik/eine-gute-nachricht-fuer-regenbogenfamilien" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">wir haben berichtet</a>). Der Verfassungsgerichtshof hat den Artikel 8 des Gesetzes Nr. 40 von 2004 über die künstliche Befruchtung teilweise für verfassungswidrig erklärt. In Zukunft muss auch die gleichgeschlechtliche Partnerin einer Frau, die im Ausland die künstliche Befruchtung in Anspruch genommen hat, als Elternteil eingetragen werden. Dies im Interesse des Kindes, das einen gesicherten Status und ein Rechtsverhältnis zu beiden Elternteilen und ihren Verwandten haben müsse.<BR /><BR />Dennoch bleiben gewisse Rechte, die Ehepaaren selbstverständlich zustehen, für gleichgeschlechtliche Paare weiterhin nur schwer – bis unerreichbar. <i>Ein Überblick.</i><BR /><BR /><embed id="dtext86-69780461_quote" /><h3> <i>Ehe und Lebensgemeinschaft<BR /></i></h3><b>Italien ist eines der letzten Länder in Westeuropa, in dem gleichgeschlechtliche Paare nicht heiraten dürfen. Zwar gibt es die Möglichkeit einer eingetragenen Partnerschaft, aber die klassische Ehe bleibt ihnen verwehrt. Warum ist das aus Ihrer Sicht so?</b><BR />Dr. Natalie Schweitzer: Mit der Gesetzesnovelle vom 20. Mai 2016 – bekannt als „Legge Cirinnà“ (Gesetz Nr. 76) wurde bereits ein wichtiger Schritt in diese Richtung gemacht. Dieses Gesetz regelt die „<i>Unione civile</i>“, also die eingetragene Lebensgemeinschaft. Diese ist in vielen Punkten der Ehe gleichgestellt: Es gibt die Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung, zum gemeinsamen Wohnsitz und zum Zusammenleben.<BR /><BR /> Auch erb- und vermögensrechtlich sind die Partnerschaften weitgehend gleichgestellt – etwa durch die automatische Anwendung der Gütergemeinschaft, jedoch mit der Möglichkeit zur Gütertrennung.<BR />Ein wesentlicher Unterschied zur Ehe besteht allerdings darin, dass eingetragene Lebenspartner keine Treuepflicht haben. Das ist juristisch relevant etwa bei Trennungsverfahren.<BR /><BR /><BR /><b>Was bedeutet das konkret – keine Pflicht zur Treue?</b><BR />Dr. Schweitzer: Ehepartner haben laut Artikel 143 des italienischen Zivilgesetzbuches die Pflicht zur Treue. Verstöße dagegen – etwa durch nachgewiesene Untreue – können im Fall einer Scheidung zur Schuldzuweisung und einer Neureglung von Unterhaltszahlungen führen. Bei eingetragenen Lebenspartnerschaften gibt es diese Pflicht nicht. Ein Seitensprung hat dort keine rechtlichen Konsequenzen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-69780460_listbox" /><BR /><embed id="dtext86-69780462_listbox" /><h3> <i>Elternschaft und Adoption<BR /></i></h3><b>Ein besonders kontrovers diskutierter Bereich ist das Adoptionsrecht. Wie sieht die aktuelle Lage aus?</b><BR />Dr. Schweitzer: Das ist meines Erachtens die größte juristische Lücke. Gleichgeschlechtliche Paare konnten bis vor kurzem in Italien keine gemeinsame Adoption vornehmen – auch dann nicht, wenn sie in einer eingetragenen Partnerschaft leben. Es gab lediglich die Möglichkeit der Adoption in besonderen Fällen (<i>adozione in casi particolari</i>) laut Artikel 44 des Adoptionsgesetzes von 1983. <BR /><BR /><embed id="dtext86-69780466_quote" /><BR /><BR />In der Praxis bedeutete das: Nur eine sogenannte Stiefkindadoption war möglich – wenn ein Kind bereits bei einem Partner lebt und eine enge Beziehung zu diesem besteht. Diese Form der Adoption wird aber immer von einem Gericht geprüft und genehmigt. Ein automatischer Rechtsanspruch bestand nicht.<BR /><BR /><BR /><b>Wenn zwei Frauen in einer Partnerschaft leben und gemeinsam ein Kind wollen – zum Beispiel durch künstliche Befruchtung – wie läuft das rechtlich ab?</b><BR />Dr. Schweitzer: Bis vor kurzem war es noch so, dass nur die leibliche Mutter rechtlich anerkannt ist. Die zweite Partnerin musste – gestützt auf Artikel 44 des Adoptionsgesetzes – einen Antrag auf Stiefkindadoption beim zuständigen Familiengericht stellen. Der Richter prüfte dann, ob diese Adoption dem Kindeswohl entspricht. <BR /><BR />Information: <i>Nun hat sich die Rechtslage dahingehend verändert, wie am Anfang beschrieben.</i><BR /><BR /><BR /><b>Wie groß waren die Erfolgschancen für einen positiven Bescheid aus Ihrer Erfahrung? Und welche Voraussetzungen mussten erfüllt werden?</b><BR />Dr. Schweitzer: Ich habe bereits solche Fälle in Rom und in Bozen betreut – alle wurden positiv entschieden. Auch aus anderen Städten wie Trient, Mailand oder Bologna weiß ich von erfolgreichen Verfahren. Entscheidend war stets: Ist die Partnerschaft stabil? Lebt das Kind dort in einem sicheren Umfeld? Besteht eine enge Bindung zur nicht leiblichen Mutter? <BR /><BR /><BR /><b>Und die Kosten für das Gerichtsverfahren bzw. für den betreuenden Anwalt trägt wer?</b><BR />Dr. Schweitzer: Die Antragsteller. Die Kosten halten sich hier aber in Grenzen. In Italien besteht bei einer Stiefkindadoption (Artikel 44 des Gesetzes Nr. 184 ) kein Anwaltszwang. Das Verfahren wurde in der Regel schriftlich geführt, und es ist möglich, den Antrag ohne anwaltliche Vertretung beim zuständigen Jugendgericht (<i>Tribunale per i Minorenni)</i> einzureichen. <BR /><BR /><BR /><b>Wird bei erfolgreicher Adoption das Sorgerecht gleich wie bei einer Ehe geregelt?</b><BR />Dr. Schweitzer: Ja. Nach erfolgter Adoption sind beide Elternteile gleichgestellt – auch im Falle einer Trennung gelten dieselben Regeln wie bei Ehepaaren. Unterhalt, Besuchsrecht, Obsorge – all das wird nach dem allgemeinen Familienrecht behandelt.<h3> <i>Leihmutterschaft<BR /></i></h3><b>Was bedeutet ein Kinderwunsch in einer männlichen Partnerschaft, wenn die Gesetzgebung Leihmutterschaft nahezu unmöglich macht?</b><BR />Dr. Schweitzer: Leihmutterschaft ist in Italien seit dem Gesetz Nr. 40/2004 verboten – da damit insbesondere die Ausbeutung von Frauen verhindert und begrenzt werden soll – das wurde 2017 auch vom Verfassungsgerichtshof bestätigt. Deshalb weichen viele gleichgeschlechtliche Paare ins Ausland aus, etwa nach Kanada, in die USA oder – zumindest bis zum Krieg – in die Ukraine.<BR /><BR />Bis 2023 haben einige italienische Städte wie Mailand oder Bologna die ausländischen Geburtsurkunden mit zwei Vätern anerkannt. Doch seit 2024 übt das Innenministerium massiven Druck auf die Standesämter aus: Am 16. Oktober 2024 hat der Senat ein Gesetz verabschiedet, das auch im Ausland durchgeführte Leihmutterschaften unter Strafe stellt. Das ist eine klare politische Bewegung in Richtung restriktivere Regelungen.<BR /><BR /><BR /><b>Sie sprechen von einer politischen Bewegung. Was fordern Sie als Juristin</b>?<BR />Dr. Schweitzer: Ich wünsche mir eine gesetzliche Regelung zur Elternschaft, die alle Kinder schützt – unabhängig von der Familienform. <BR /><BR /><embed id="dtext86-69780971_quote" /><BR /><BR />Wenn etwa ein Vater, der juristisch nicht als solcher anerkannt ist, verstirbt, hat das Kind keinerlei erbrechtliche Ansprüche – obwohl es vielleicht sein ganzes Leben von ihm betreut wurde. Das ist untragbar.<BR />Der Verfassungsgerichtshof hat den Gesetzgeber bereits mehrfach aufgefordert, klare Regelungen zum Schutz von Kindern gleichgeschlechtlicher Paare zu schaffen.<BR /><BR /><BR /><b>Gibt es Unterschiede zwischen Südtirol und dem restlichen Italien?</b><BR />Dr. Schweitzer: Ich habe die Südtiroler Standesämter als eher strikt erlebt. Es wird stark den Vorgaben des Innenministeriums gefolgt. Das Jugendgericht in Bozen achtet jedoch stark auf das Kindeswohl – und das ist entscheidend.