Südtirol zählt 168 Gletscher, 2 davon sind Gletscherskigebiete. Aufgrund der sonnenseitigen Exposition seien die Gletscher noch mehr benachteiligt als in Österreich. Darauf macht der Verein Vitalpin aufmerksam.<BR /><BR />Ergebnisse des neuen Gletscher-Inventars 2023 weisen einen Rückgang von etwa 15 Prozent der Gletscherflächen seit 2016/17 in Südtirol bei einer Gletscherfläche von insgesamt nur mehr 72 Quadratkilometern nach – das sind knapp 1Prozent der Landesfläche. <BR /><BR />Die Talgletscher sind seit der Kleinen Eiszeit über 2 Kilometer zurückgegangen, heißt es in der Aussendung zum Thema. Es gibt auch regionale Unterschiede: In den westlichen Gebirgsgruppen lag der Flächenverlust zwischen 25 und 29 Prozent, während er im Osten zwischen 39 und 43 Prozent betrug. Diese Unterschiede sind u.a. auf die topographischen Gegebenheiten zurückzuführen. <h3> Gletscherschmelze in Südtirol: Ein rasanter Rückgang</h3>Der Gletscherschwund in Südtirol folgt einem besorgniserregenden Trend. Während einige hochalpine Regionen noch von gelegentlichen schneereichen Wintern profitieren konnten – wie etwa 2001 oder 2014 – bleibt die langfristige Entwicklung eindeutig negativ. Besonders dramatisch ist die Situation für kleine Gletscher: „Bei der aktuellen Klimaentwicklung werden in Südtirol bald die ersten kleinen Gletscher, wie der Weißbrunnferner in Ulten, komplett verschwinden“, warnt Glaziologe Roberto Dinale von der Agentur für Bevölkerungsschutz.<BR /><BR />Der Trend ist unumkehrbar, sollte sich der Klimawandel nicht drastisch verlangsamen.<h3> Ein internationales Problem mit globalen Lösungen</h3>Wissenschaftler sind sich einig: Der Schutz der Gletscher kann nur durch globale Klimamaßnahmen gesichert werden. „Gletscher sind die sichtbarsten Anzeiger für den weltweiten Klimawandel“, betont Manuel Lutz, Geschäftsführer des Vereins Vitalpin. Die Forderungen des Weltklimarates nach einer schnellen Reduzierung der Treibhausgasemissionen seien unumgänglich, um den Gletscherschwund zu begrenzen. In Südtirol zeigen Langzeitmessungen, dass die Eismächtigkeit seit 1990 im Durchschnitt um einen Meter Schneewasseräquivalent pro Jahr abnimmt – Tendenz steigend.<BR /><BR />Die Auswirkungen sind weitreichend: Gletscher sind nicht nur eine touristische Attraktion, sondern vor allem lebenswichtige Wasserspeicher für Flüsse und Trinkwasser. Zudem bieten sie einzigartige Lebensräume für kälteliebende Arten und spielen eine essenzielle Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf. Doch während die Gletscher schwinden, wachsen die Herausforderungen für die Alpenbewohner.<h3> Tourismus am Gletscher: Zwischen Schutz und Nutzung</h3>Oft wird auch das Skifahren am Gletscher kritisiert. Hier gilt zu wissen: Gletscher werden seit etwa 200 Jahren touristisch genutzt, seit über 100 Jahren auch mit Skiern. Die Attraktivität der Gletscher für das Landschaftsbild ist vor allem für Touristen sehr groß und lockt Menschen im Winter wie auch im Sommer an. Es gibt in Österreich 8 Gletscherskigebiete – 5 davon im Bundesland Tirol. Die Gletscherskigebiete bewirtschaften etwa nur ein Prozent der gesamten vergletscherten Fläche und machen einen marginalen Teil aus. Zudem sind die Gletscher durch Landesgesetze auch besonders geschützt. <BR /><BR />„Wir haben es zumindest versucht“, sagt Markus Moser, Präsident der Bergbahnen Graubünden. Er verweist auf Maßnahmen wie das Abdecken von Gletscherflächen im Sommer, um die Schmelze zu verlangsamen. In Österreich werden so jedes Jahr rund 100 Hektar Gletscher geschützt – ohne diese Maßnahme würden im Sommer zusätzlich 1,75 Milliarden Liter Wasser verloren gehen.<h3> Innovative Ansätze gegen das Gletscherschmelzen</h3>Neben großflächigen Klimaschutzmaßnahmen setzen Wissenschaftler und Unternehmen auch auf technologische Lösungen, um das Gletschersterben hinauszuzögern. Ein vielbeachtetes Projekt ist MortAlive des Schweizer Glaziologen Felix Keller. Mit einer speziellen Beschneiungsanlage soll frischer Schnee produziert werden, um das darunterliegende Eis zu isolieren und vor dem Abschmelzen zu schützen. „Schnee reflektiert einen großen Teil der Sonneneinstrahlung und kann so helfen, das Gletschereis länger zu bewahren“, erklärt Keller.<BR /><BR />Dennoch bleiben solche Maßnahmen lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. „Unter den derzeitigen Klimabedingungen gibt es kaum Stellen in den Alpen, an denen sich neues Eis bilden kann“, sagt Andrea Fischer von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Modellrechnungen zeigen, dass die Gletscherflächen in den kommenden Jahrzehnten drastisch schrumpfen werden – es sei denn, ein globaler Klimakipppunkt wird erreicht oder ein großer Vulkanausbruch kühlt das Klima ab. Ein solches Szenario wäre für den Lebensraum Alpen jedoch mit erheblichen Herausforderungen verbunden.<h3> Die letzte Chance für die Gletscher</h3>Die Botschaft der Wissenschaftler ist eindeutig: Ohne tiefgreifende Reduktionen der Treibhausgasemissionen wird der Gletscherschwund in den Alpen nicht aufzuhalten sein. Regionale Schuldzuweisungen seien dabei nicht zielführend, so Vitalpin. „Es geht nicht darum, einzelne Akteure verantwortlich zu machen, sondern endlich global zu handeln“, sagt Lutz.<BR /><BR />Die Gletscher sind nicht nur ein Symbol für den Klimawandel, sondern auch ein Mahnmal für die Dringlichkeit internationaler Klimapolitik. Ihre Zukunft – und damit die Zukunft der Alpen – hängt maßgeblich von den Entscheidungen der kommenden Jahre ab.