„Natürlich werden die Täter zur Rechenschaft gezogen, auch weil meist eine strafbare Handlung vorliegt, und das ist in der Regel eine Form der Verletzung von Persönlichkeitsrechten, wie etwa der eigenen Ehre und Würde oder auch ein Betrug in einer modernen, neuen Version“, sagt der Rechtsanwalt.<BR /><BR /><BR /><b>Hass im Internet äußert sich in verschiedensten Formen – das Spektrum reicht von rassistisch, sexistisch oder extremistisch motivierten Beleidigungen und Drohungen bis hin zu Cyber-Mobbing, Rachepornos oder sogar Todesdrohungen. Bei welchen Fällen suchen Betroffene in Ihrer Meraner Kanzlei Rechtsbeistand?</b><BR />Thomas Schnitzer: Konkrete Drohungen und Beleidigungen kommen leider oft vor. Es darf aber nicht sein, dass jemand meine Ehre oder Würde verletzt oder mir mit Drohungen Angst einjagt. Dies steht auch unter Strafe und wird von den Strafverfolgungsbehörden geahndet. Bei Jugendlichen steigen die Fälle von Body Shaming – abwertende Äußerungen wegen des Aussehens – , aber auch von Identitätsdiebstahl und natürlich das Cyber-Mobbing und Revenge Porn, also Rachepornos. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="750920_image" /></div> <BR /><BR /><b>In welchen Fällen können die Täter auf juristischem Wege zur Rechenschaft gezogen werden?</b><BR />Schnitzer: Natürlich werden die Täter zur Rechenschaft gezogen, auch weil meist eine strafbare Handlung vorliegt, und das ist in der Regel eine Form der Verletzung von Persönlichkeitsrechten, wie etwa der eigenen Ehre und Würde oder auch ein Betrug in einer modernen, neuen Version. Wenn sich die Opfer melden, kann ihnen konkret geholfen werden. Meine Kanzlei betreibt Schadenersatzklagen im Zivil- und Strafrecht und wir haben sehr viele Fälle auch im Internet. Konkret sind hier das schnelle Handeln und die konkrete Beweissicherung sehr wichtig.<BR /><BR /><b>Obwohl immer wieder darauf hingewiesen wird, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist, nimmt Hate Speech eher zu als ab. Woran liegt das?</b><BR />Schnitzer: Ursache sind die vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten, die das Internet bereitstellt. Leider herrscht heute durch den Missbrauch schon oft die Einschätzung vor, dass in den Kommentarspalten von sozialen Medien beleidigende, manipulative und auch hasserfüllte Inhalte dominieren und ein rationaler Diskurs – beispielsweise über politische Streitfragen – kaum noch möglich ist. Wichtige Kristallisationspunkte von Hassbeiträgen sind heute Themen, in denen es um Ausgrenzung und Abwertung von Minderheiten und bestimmten Personengruppen geht. Die Ausprägungen dieser Debatten haben Befürchtungen genährt, dass hasserfüllte Beiträge im Netz eine Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt darstellen, indem sie zum Rückgang des Vertrauens in politische Institutionen und zur Zunahme von Gewaltstraftaten führen. <BR /><BR /><b>Welche Rolle spielen hierbei die neuen medialen Kanäle?</b><BR />Schnitzer: Dieses Phänomen ist stark mit dem digitalen Medienwandel verknüpft, und zwar weil im Prinzip jede Einzelperson an den Massenmedien vorbei Öffentlichkeiten für seine Botschaften finden kann. In den meisten Social-Media-Plattformen werden nur solche Inhalte angeboten, welche wir mutmaßlich gern sehen, um uns dann im Vorschlags- und Empfehlungssystem auch bezahlte Werbungen einzublenden. Eine Folge dieses Systems aus verhaltensverstärkender Angebotsorganisation ist, dass vor allem solche Nutzer zum Beispiel fremden-, frauenfeindliche und herabwürdigende Inhalte suchen und sie auch stärker angezeigt bekommen, die bereits entsprechende Voreinstellungen haben. Die Folgen können sein: Einerseits eine Radikalisierung und Mobilisierung von Menschen mit rechtsradikaler Einstellung, andererseits eine Abwendung und ein zunehmendes Schweigen von Menschen mit gegensätzlicher Haltung. <BR /><BR /><embed id="dtext86-53514946_quote" /><BR /><BR /> Ist tatenloses Zusehen bzw. Schweigen der falsche Ansatz?<BR />Schnitzer: Ich stelle fest, dass diskriminierende Inhalte oft von einzelnen Diskussionsteilnehmern gestartet werden und die Mehrheit der Diskussionsgruppe einfach still bleibt und die Arena den Hetzern überlässt. Dann artet die Diskussion oft aus. Wir dürfen uns aber das Internet nicht weglassen nehmen und sollten aktiv werden, wenn jemand angegriffen wird. Das kann konkret der Hinweis sein, dass eine solche Hassrede bzw. der diskriminierende Angriff auf eine Person in dieser Runde nicht in Ordnung ist. In der Regel funktioniert dies Art der Zurechtweisung sehr gut. Es kann hier auch einfach zu mehr Sachlichkeit aufgerufen werden. Oder bei schlimmen Verstößen auf die Einhaltung der Umgangsformen im Netz, also der Netiquette. Jedenfalls ist meiner Meinung nach die Passivität der seriösen Teilnehmer auch ein Grund, dass einzelne schwarze Schafe Gehör finden, sich ausbreiten und andere verprellen.<BR /><BR /><b>Welche wirksamen Instrumente hat indessen der Gesetzgeber geschaffen, um Hass im Internet zu unterbinden?</b><BR />Schnitzer: Wir haben in Italien einen in Europa vorbildlichen rechtlichen Rahmen zum Schutz im Internet speziell auch von Frauen und Kindern und gesellschaftlichen Randgruppen. So sind zum Beispiel Fake News nicht in allen Rechtsordnungen in Europa verfolgbar. Italien hat mit dem Art. 656 cp gut vorgesorgt, denn „wer falsche, übertriebene oder tendenziöse Nachrichten, durch welche die öffentliche Ordnung gestört werden kann, veröffentlicht oder verbreitet, wird mit Haftstrafe bis 3 Monate und Geldbuße bis 309 Euro bestraft“. <BR /><BR /><b>Und was tun die Behörden?</b><BR />Schnitzer: Zur Umsetzung dieser Bestimmungen finden wir am Landesgericht Bozen eine sehr gut funktionierende Staatsanwaltschaft vor, welche mit eigenen Arbeitsgruppen vorgeht. Weiters haben wir derzeit eine rechtlich äußerst kompetente Führungsspitze bei der Postpolizei, welche die Wichtigkeit der Problematik erkannt hat und wirksame Aufklärungsarbeit leistet, etwa bei Jugendlichen in den Schulen. Naturgemäß hinkt der Gesetzgeber den technischen Entwicklungen hinterher. Aber letzthin sind wirksame Bestimmungen in Kraft getreten, so auch im Bereich des Stalkings und des Jugendschutzes.<BR /><BR /><embed id="dtext86-53514947_quote" /><BR /><BR /><b>Wo müssten Ihrer Meinung nach die Gesetzgeber noch weit stärker ansetzen – angesichts der Heerscharen von Trollen, Social Bots, von ausufernden Fake News und der Allmacht der Internet-Giganten?</b><BR />Schnitzer: Ein konkreter Ansatz, welcher vom Gesetzgeber aufgegriffen werden könnte, wäre die Einrichtung einer zentralen Onlinemeldestelle für Hass und Hetze im Netz. Auch könnten den Internetportalen bestimmte Meldepflichten auferlegt werden. So müssen jetzt in Deutschland soziale Netzwerke seit Februar 2022 Mord- und Vergewaltigungsdrohungen und andere schwere Hassdelikte nicht mehr nur löschen, sondern auch dem Bundeskriminalamt melden. Das wird zu schnellen und konsequenten Ermittlungen gegen Hetzer führen – bevor aus ihren Worten Taten werden.<BR /><BR /><b>Wie gehen Sie vor, wenn Sie sich mit den Anwälten von Internet-Giganten herumschlagen müssen oder aber Täter ausforschen sollen, die sich hinter Fake Profilen oder verschlüsselten Zugangsdaten verstecken?</b><BR />Schnitzer: Sie werden es nicht glauben, aber die Täter sind im Internet oft genauso unachtsam wie die Opfer selbst. Es passiert immer wieder, dass der Täter mit der eigenen Handynummer das Opfer auffordert, eine Geldüberweisung direkt auf das reale Bankkonto des Täters vorzunehmen. Dieser ist dann leicht greifbar. Mit etwas beruflicher Erfahrung lernt man schnell, die Fälle von Beginn an zu unterscheiden und entscheidet dann gemeinsam mit dem Opfer die weitere Vorgehensweise. Aber auch wenn der Täter nicht greifbar ist, muss ich das Opfer wirksam auch vor weiteren Folgen schützen. <BR /><BR /><b>Sind sich die Täter im Regelfall überhaupt bewusst, was sie mit ihren Tiraden bei den Betroffenen auslösen?</b><BR />Schnitzer: Digitale Gewalt hat in der Tat einige Besonderheiten, und zwar findet sie ständig statt – überall wo digitale Medien benützt werden. Sie hat ein großes Publikum, ist häufig anonym, was die Hemmschwelle senkt, und ist selten spontan. Entsprechend handeln Täter oft sehr oberflächlich und bedenken nicht, dass sie jemandem mit einer Drohung wirklich Angst einjagen könne. Folglich sind sie sich auch nicht bewusst, dass sie eine strafbare Handlung begehen. Hier ist in den Schulen das Phänomen des Body Shaming zu nennen. Wenn ich beispielsweise einen übergewichtigen Jungen oder ein magersüchtiges Mädchen auslache, dann ist es ein Unterschied, ob ich das real und vor Ort im geschlossenen Raum des Klassenzimmers mache, oder online und damit weltweit im Internet. <BR /><BR /><b>Was ist Ihrer Meinung nach in puncto Präventionsarbeit und Sensibilisierung wichtig, damit das Internet vor allem als Instrument der Meinungsbildung nicht immer mehr zu einem digitalen Wilden Westen verkommt?</b><BR />Schnitzer: Sensibilisierung ist ein sehr wichtiges Thema genau im Bereich der allgemeinen Hassreden, denn Hate Speech an und für sich ist – noch – kein juristischer Begriff, das heißt, er wird nicht in einem Gesetz angewendet. Dennoch können einige Gesetze relevant sein, um dagegen vorzugehen. Aber eben auch Hassredner berufen sich vehement auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung und somit verfassungsrechtlichen Schutz. Aber dort stoßen sie auf Grenzen, denn die eigene Freiheit hört auf, wo die Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte von anderen Personen beschnitten werden. Das muss vielen erst einmal präventiv bewusst gemacht werden. <BR />