Ignorieren oder reagieren? Auf diese Frage zum Umgang mit Hass-Kommentaren im Netz hat Brigitte Combosch eine klare Antwort. <BR /><BR />Nun macht auch die EU im Kampf gegen Hass im Internet mobil: Am vergangenen Wochenende wurde der Digital Service Act (DSA) verabschiedet. Damit müssen Online-Plattformen künftig verstärkt gegen Hassbotschaften, illegale Inhalte und Fake News vorgehen. Genau diesem Kampf hat sich Brigitte Combosch verschrieben, seit 5 Jahren ist sie an vorderster Front für die deutschlandweite Aktionsgruppe mit dem Hashtag #ichbinhier aktiv.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="763253_image" /></div> <BR /><b>Frau Combosch, Sie sind Teil der Aktionsgruppe #ichbinhier, die in den Kommentarspalten auf Facebook-Seiten aktiv Hasskommentaren jeglicher Art entgegentritt. Was bewegt Sie dazu?</b><BR />Brigitte Combosch: Ja, ich gehöre seit 5 Jahren dazu, war aber auch bereits vorher in den Kommentarspalten präsent. Dabei habe ich gemerkt, dass man allein untergeht, sodass wir uns zu einer Gruppe zusammengeschlossen haben. Mir geht es ganz einfach darum, die Demokratie zu stärken. Es ist notwendig, die Diskussionskultur im Netz zu verbessern, weshalb man sich entschieden gegen Beleidigungen, Häme oder persönliche Anfeindungen zur Wehr setzen muss. Man kann diese Kommentarspalten nicht Hetzern überlassen. <BR /><BR /><b>Die überwiegende Mehrheit liest in den Kommentarspalten der sozialen Medien bzw. von medialen Plattformen lediglich mit, ohne sich zu äußern. Sollte man sich besser einbringen?</b><BR />Combosch: Dazu ein ganz klares Ja. Die stillen Mitleser sollen ihre Meinung äußern oder wenigstens jene unterstützen, die ihre Argumente sachlich und mit Empathie vorbringen. Das kann man mit einem Like machen oder mit einer kurzen Anmerkung wie „Seh ich auch so“. Klar, dazu ist oft etwas Mut nötig.<BR /><BR /><embed id="dtext86-54020993_quote" /><BR /><BR /><b>Auch wenn es womöglich nicht den Anschein haben mag, sind die Hater eigentlich in der Minderheit?</b><BR />Combosch: Der Student Philip Kreißel hat sich in seiner Masterarbeit genau damit beschäftigt und herausgefunden: 50 Prozent aller Hasskommentare kommen von nur 5 Prozent aller Accounts. Hater sind also deutlich aktiver als der Rest der User. Ich persönlich habe mich entschieden, mit meinem Gesicht und meinem Namen zu meiner Meinung zu stehen. Natürlich ruft diese Haltung gewisse Kreise auf den Plan, denn ich trete damit bestimmten Gruppierungen auf die Füße.<BR /><BR /><b>Inwiefern?</b><BR />Combosch: Das Spektrum reicht von Beleidigungen, Stalking bis hin zu konkreten Bedrohungen. Aber das macht mich nur noch entschlossener. Ich wehre mich beispielsweise gegen verschiedene Formen von Diskriminierung, und bringe so etwa AfD-Anhänger gegen mich auf. In den meisten Fällen bleibt es bei Drohungen, aber man weiß nie, ob die Worte nicht zu konkreten Taten führen oder etwa einen psychisch labilen Menschen anstacheln. Mit Hass im Netz muss man umgehen lernen. Andernfalls raten wir oft, das eigene Profil sozusagen auf null zu stellen und alle privaten Informationen zu löschen. <BR /><BR /><b>Vor allem Politiker sind dem Schwall an Hass oft ohnmächtig ausgeliefert, andererseits auch Teil des Problems, wenn sie selbst bestimmte Debatten anheizen, oder?</b><BR />Combosch: Meinungsfreiheit muss geschützt werden, endet aber dort, wo die Rechte anderer Menschen grob verletzt werden. Ein aktuelles Beispiel stellt etwa die neue Innenministerin Nancy Faeser dar, die entschlossen gegen Rechtsextremismus vorgeht. Somit setzt sie sich entsprechendem Gegenwind aus. Vor 5 Jahren standen wir als Aktionsgruppe noch allein da, mittlerweile sind wichtige Initiativen neu dazugekommen. <h3> Shitstorm gegen Milchbauern</h3><b>Welche zum Beispiel?</b><BR />Combosch: Etwa die Beratungsstelle „Hate Aid“, die juristische Hilfe anbietet und dabei die Anwalts- und Prozesskosten aus den gerichtlich verhängten Geldstrafen bestreitet oder die ehrenamtliche Initiative mit der Bezeichnung „Hassmelden“, die als Meldestelle bei digitalem Hass anonyme Strafanzeigen stellt. Abgesehen von Politikern oder stark im Netz präsenten Personen kann es echt jeden treffen. <BR /><BR /><b>Und zwar?</b><BR />Combosch: Wir haben mal einen Milchbauernhof verteidigt, der auf seinem Traktor ein Schild mit der Aufschrift „No AfD“ angebracht hatte. Die Familie des Bauern war danach einem Schwall an Hass ausgeliefert, sogar die Produkte des Bauernhofs wurden systematisch massenhaft schlecht bewertet. Wir haben ihnen geholfen, irgendwann hat der Shitstorm aus den Reihen der AfD dann aufgehört. Oder Wolfgang Niedecken, Sänger der Band BAP, hatte mal eine harmlose Meinung gepostet und musste daraufhin einen regelrechten Shitstorm überstehen. Da fallen dann Leute über einen her, die man überhaupt nicht kennt.<BR /><BR /><embed id="dtext86-54020996_quote" /><BR /><BR /><b>Hierbei kommen wohl Bots und Trolle ins Spiel, oder?</b><BR />Combosch: Es ist tatsächlich oft schwierig zu sagen, wer ist Bot, wer Troll und wer vertritt tatsächlich so eine Meinung in abschätzigen Worten. Bei manchen Leuten kann man dem Profil entnehmen, dass es sich um überzeugte Hetzer handelt, andere provozieren hingegen mit Genuss. Was früher am Stammtisch oder in der Kneipe blieb, bekommt heute in den Kommentarspalten oft sehr viel Aufmerksamkeit. Profile, die keine oder kaum persönliche Informationen enthalten und schnell gelöscht werden, entpuppen sich hingegen vielfach als Bots. <BR /><BR /><b>Andererseits sind eben die sozialen und neuen medialen Plattformen zu einem wichtigen Instrument des Meinungsaustausches geworden. Die Demokratie kann von Facebook & Co. durchaus profitieren, oder?</b><BR />Combosch: Aber ja, gerade deshalb ist ein zivilisierter und respektvoller Umgang in den Kommentarspalten so wichtig. Es kann zu allem Stellung genommen werden, viele Dinge werden erst durch Facebook & Co. öffentlich debattiert. Das ist Ausdruck von Meinungsfreiheit und stärkt die Demokratie. Und man darf auch nicht all die Möglichkeiten des Austausches auf Facebook & Co. vergessen, vieles von der aktuellen Ukrainehilfe wird auf solchen Plattformen schnell und unkompliziert organisiert. <BR /><BR />INFO <BR /><BR />Die Facebook-Gruppe #ichbinhier wurde nach dem schwedischen Vorbild #jagärhär Ende 2016 von Hannes Ley mit dem Ziel gegründet, die Diskussionskultur auf Facebook zu verbessern. Sie wurde mehrfach prämiert, ihr Gründer mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Mit 44.000 Gruppenmitgliedern handelt es sich um die größte Counter-Speech-Initiative Deutschlands.<BR />