Für das Unternehmen Lasa Marmo mit Sitz in Laas ist der World Trade Center (WTC) Transportation Hub, wie das Projekt richtig heißt, der größte Auftrag der Firmengeschichte. Im Hub – zu Deutsch Verkehrsknotenpunkt – findet sich ein Bahnhof, allerlei Geschäfte, Unterhaltungsangebote. Das neue Bauwerk liegt direkt am Ground Zero im Financial District der Millionenmetropole. Dort, wo im September vor 15 Jahren zwei Flugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Centers rasten und 3000 Menschen in den Tod rissen.Als würde er die Gedenkstätte der Terroropfer bewachen, ragt der Hub nun in den Himmel von New York. Er ist klein, verglichen mit den Wolkenkratzern rundum, doch ein Blickfang. Neben Stahl, grauen Fassaden und Straßenschluchten strahlt der Hub – mit seinem exzentrischen Design, das wohl eine aufsteigende Taube darstellen soll – in Marmorton. Rund 2000 Kubikmeter Material hat Lasa Marmo über vier Jahre nach New York geliefert. Südtirol Online hat mit Betriebsleiter Erich Tscholl über das Megaprojekt, das im zu Ende gehenden Jahr einen ersten Abschluss fand, gesprochen.Südtirol Online: Herr Tscholl, das Jahr 2016 war für Lasa Marmo ein wirklich besonderes Jahr – mit einem großen, prestigeträchtigen Auftrag, der im März einen kleinen Abschluss fand. Erich Tscholl, Betriebsleiter Lasa Marmo: Im März 2016 wurde die Eingangshalle „Oculus“ des World Trade Center (WTC) Transportation Hub eröffnet – das Herzstück des Gebäudes. Bereits viele Monate zuvor waren kleinere Abschnitte des Baus eröffnet worden, allerdings nur kleinere. Den Vertrag für das Projekt hatten wir im Oktober 2011 unterschrieben. Bis zu diesem Zeitpunkt war dies der größte Auftrag für einen einzigen Bruch, der im Steinsektor jemals weltweit vergeben wurde.STOL: Die Baustelle lag an einem Ort, an dem die Weltmacht USA so verletzlich ist, wie sonst nirgends auf der Welt. Tscholl: Der Ground Zero ist für Amerika – und für die New Yorker im Speziellen – sehr, sehr bedeutend. Jeder, der den Transportation Hub besucht, empfindet etwas. Es ist ein Ort für Emotionen. Wenn man den Hub heute betritt – es ist einfach gigantisch.Wir wollten diesen Auftrag unbedingt. Das erste Jahr war aber absolut schwierig. Wir hatten große Abstimmungsschwierigkeiten mit den Auftraggebern. Wenn sich die so fortgesetzt hätten, hätten wir das Projekt abbrechen müssen. Wir arbeiteten samstags, sonntags, bis 2 Uhr nachts, Überstunden häuften sich an. Dieses Projekt hat sehr viele von uns an die Grenzen gebracht. Niemand in der Branche traute uns zu, dass wir das zu Ende bringen. Dann, beim Weihnachtsessen 2012, sagten wir: Wenn wir das schaffen – und wir schaffen das –, dann fahren wir alle zusammen nach New York. Um vor Ort anzuschauen, wofür wir alle gearbeitet, gekämpft und gelitten haben.STOL: Es ist dies der größte Auftrag, den Lasa Marmo in seiner Firmengeschichte jemals erhalten hat.Tscholl: Definitiv. Die Lieferung lief seit 2012. Lasa Marmo stockte in Spitzenzeiten von 37 auf 80 Mitarbeiter auf. All diese galt es dann unter einen Hut zu bekommen, um so ein außergewöhnliches Projekt überhaupt stemmen zu können – eine große Herausforderung für unsere Firma. Das Projekt am Ground Zero war in mehrfacher Hinsicht besonders: Jede Marmorfläche musste erst trocken in Laas, in Latsch oder in Carrara ausgelegt werden. Dann kam ein Inspektor, prüfte, konnte Platten austauschen lassen oder befand unsere Arbeit für gut. Erst dann wurden die Marmorplatten nummeriert, verschifft, und in New York nach genau unserem Muster verlegt.STOL: Übersetzen Sie den Mega-Auftrag doch einmal in Zahlen.Tscholl: Es galt eine Fläche von 40.000 Quadratmetern zu verlegen (die Fläche entspricht rund 5,5 Fußballfeldern; Anm.d.Red.). Insgesamt wurde 1600 bis 2000 Kubikmeter Marmor geliefert – netto. Im Vergleich dazu: Lasa Marmo baute früher 2000 Kubikmeter ab – pro Jahr. Insgesamt flossen 20 bis 24 Millionen Euro.STOL: Bei so großen Abbaumengen – wie lange reichen die Marmorreserven da noch?Tscholl: Wir können auf eines der größten Vorkommen an weißem Marmor weltweit zurückgreifen. Wenn wir mit dieser Geschwindigkeit weiterarbeiten, dann kann, den Schätzungen zufolge, noch 300 bis 500 Jahre abgebaut werden.STOL: Im Oktober war es dann soweit: Die Belegschaft der Lasa Marmo reiste nach New York. Wie macht sich der Laaser Marmor in der großen weiten Welt?Tscholl: Insgesamt 69 Personen sind mit nach New York gereist, 49 Firmenbeschäftigte, 20 Begleitpersonen. Auch Personen, von denen ich mir das nie erwartet hätte, sind mitgekommen, Leute, die kein Englisch können, Leute, die sonst nicht in den Urlaub fahren, Leute, die zuhause auf einem Bauernhof leben und den bewirtschaften müssen. Dann, in New York, haben wir alle kritisch geschaut: Wurde auch alles so verlegt, wie wir es ausgelegt hatten? Unsere Leute waren erstaunt – und sie waren stolz. Und dazu haben sie jedes Recht: Denn das da drüben in New York, das haben sie geleistet.Interview: Petra Gasslitter