Haus der Neumairs freigegeben: Madé erklärt, was nun damit geschieht - Chronik

Außerdem spricht sie in dem ausführlichen Gespräch über Alpträume, über ihre erste Erinnerung an die geliebte Mutter, ihre Kindheit mit Benno, vor allem aber auch über den Prozess und Zeugen, die dort das Andenken ihrer Eltern beschmutzt haben. Hier das Interview, das der &bdquo;Corriere della Sera“ mit Madé Neumair geführt hat. Was empfinden Sie für Ihren Bruder Benno? Madé Neumair: Ich habe keinen Hass in mir, auch keine Wut. Ich denke nicht an ihn, obwohl ich manchmal von ihm träume. Es sind Alpträume. Ich träume, dass er mich auch töten will oder ich sehe, wie er meine Eltern tötet. Hat Benno jemals versucht, Ihnen zu schreiben oder Sie anzurufen, seitdem er im Gefängnis sitzt? Madé Neumair: Nie. Die Behörden haben das Haus nun freigegeben. Was passiert jetzt? Madé Neumair: Das Haus war gemietet. Wir sind dort eingezogen, als ich 9 und Benno 13 war. Jetzt werde ich es ausräumen, und ich weiß jetzt schon, dass es ein schmerzhafter Prozess sein wird. Der Weihnachtsbaum steht noch, die Plätzchen, die ich für Weihnachten gebacken habe, die Pyjamas, die Hausschuhe.... Es ist alles noch genau so, wie Mama und Papa es hinterlassen haben, obwohl Benno fast 3 Wochen nach ihrer Ermordung dort gewohnt hat. Wenn ich jetzt dorthin zurückkehre, um mich zu befreien, um meine Sachen zu packen und mich von diesem Stück Leben zu verabschieden... das wird nicht leicht. Bislang waren sie immer mit einem physischen Raum verbunden. Wenn wir alles abschließen dort, ist das so, als ob wir sie wieder sterben lassen würden. Wann haben Sie das letzte Mal von Ihrer Mutter gehört? Madé Neumair: Ein paar Minuten, bevor sie am 5. Jänner abends das Haus betrat. Ich war die letzte Person, mit der sie gesprochen hat. Sie war sehr müde. Ich habe ihr gesagt: Komm schon, lass dir von Papa etwas Gutes kochen. Und sie sagte: Er wird noch unterwegs sein, denn ich habe schon eine Weile nichts mehr von ihm gehört. Stattdessen war er bereits tot. Wann haben Sie gemerkt, dass etwas passiert ist? Madé Neumair: Ich habe Mama ein Foto über WhatsApp geschickt. Sie hat es nicht angeschaut, was mir seltsam vorkam, aber ich dachte: Sie muss vor Erschöpfung eingeschlafen sein. Am nächsten Morgen war da aber immer noch nur ein Häkchen. Also schrieb ich an Papa: “Geht es dir gut? Als ich sah, dass er auch nicht antwortete, begann ich alle anzurufen. Auch Benno. Er sagte mir, er sei mit dem Hund spazieren gegangen.... Kennen Sie das, wenn Sie jemanden gut kennen und wissen, dass er lügt? Ihnen war klar, dass er gelogen hatte? Madé Neumair: Es gab zu viele Dinge, die nicht zusammenpassten.... Mein erster Gedanke war: Sie sind nicht mehr am Leben. Dann dachte ich: Ich spüre sie ganz nah, überall. Und schließlich sagte ich mir, dass ich 26 Jahre lang die besten Eltern der Welt gehabt hatte. Es war meine Art, mir bewusst zu machen, was wahrscheinlich geschehen war. Ich hätte nicht zusammenbrechen dürfen, denn wenn ich in diesem Moment zusammengebrochen wäre, wäre ich nie wieder aufgestanden. Sie waren an allen Prozesstagen anwesend...Warum? Madé Neumair: Ich empfand es als eine Pflicht gegenüber meiner Mutter und meinem Vater, dort zu sein. Und wollte ihr Andenken verteidigen. Wovor verteidigen? Einige Zeugen sind gekommen, um ihr Andenken zu beschmutzen... das Andenken von 2 Toten, die sich selbst nicht mehr verteidigen können. Sprechen Sie von Ihrer Tante Elisabeth, der Schwester Ihrer Mutter? Madé Neumair: Nicht nur von ihr. Ich habe gesehen und gehört, wie Leute vor Gericht den Schwur geleistet haben, die Wahrheit zu sagen, und dann Dinge erfunden haben, die einfach nicht wahr sind, sogar über mich. Zum Beispiel, dass Sie die Tochter der Serie A und Benno der Sohn der Serie B gewesen sein sollen? Madé Neumair: Das auch, ja. Eine Unwahrheit. Meine Eltern gaben Benno so viel Liebe, wie sie nur konnten. Vor allem meine Mutter. Immer. Und das weiß Benno ganz genau.“ Stimmt es, dass er als Junge auch versucht hat, Sie zu töten? Madé Neumair: Diese Geschichte ist mir nie erzählt worden. Und dann die Gerüchte, dass Mama und Papa Psychologen für meinen Bruder ablehnend gegenüberstehen. Dann stimmt es auch nicht, dass Ihre Mutter Benno zu einem Guru auf Bali gebracht hat, anstatt zu einem Psychologen? Madé Neumair: Aber nein! Wir fuhren jedes Jahr nach Bali, und dort gab es eine Person, die Yoga unterrichtete und viele andere Dinge dieser, sagen wir mal, spirituellen Art praktizierte. Er sah den leichtsinnigen Benno, der sich immer wieder schnitt oder sich etwas brach, und einmal sagte er: Ich gebe dir den balinesischen Segen gegen Unfälle, damit er sich nicht wieder verletzt. Das war's. Nach Drohungen gegenüber seiner Freundin und einer Nacht in der psychiatrischen Klinik in Ulm war er nach Bozen zurückgekehrt... Madé Neumair: Er war im Juli zurück. Nach kurzer Zeit hatte sich jedoch alles normalisiert. Im September hatte er seine Lehrtätigkeit aufgenommen. Ich habe eine schöne Familienerinnerung, die auf eineinhalb Monate vor den schlimmen Ereignissen zurückgeht. Welche Erinnerung? Madé Neumair: Es war Lockdown, ich hatte Ferien und war 3 Wochen lang mit Mama, Papa und Benno zu Hause in Bozen. Es waren friedliche Tage, mit Sonne und Spaziergängen. Eines Abends sahen wir uns alle vier gemeinsam Dias von Reisen meiner Eltern an, bevor wir geboren wurden. Es war schön, Benno war neugierig, sehr fröhlich. Wie war Benno als großer Bruder? Madé Neumair: Wir haben viel zusammen gespielt. Er war sehr ehrgeizig und hartnäckig. Wenn er etwas tun wollte, gelang es ihm immer, und ich war von seiner Fähigkeit fasziniert. Ich wollte immer das machen, was er gemacht hat: Hausaufgaben, Angeln.... Ich habe keine schlechten Erinnerungen an meine Kindheit mit ihm. Die erste Erinnerung, die Ihnen zu Ihrer Mutter einfällt? Madé Neumair: So viele, alle auf einmal. Ich sehe sie strahlend und begeistert auf ihrem Fahrrad dahingleiten. Ich höre ihre Stimme, ich erinnere mich an die Gute-Nacht-Küsse. Die Beziehung zwischen mir und ihr war wirklich das Beste, was ich mir hätte wünschen können. Sie und Papa widmeten sich immer mit ganzem Herzen der Familie. Ich hatte das Glück, sie an meiner Seite zu haben, und ich hoffe so sehr, dass das, was ich von ihnen bekommen habe, der Motor sein wird, um weiterzumachen. Hier finden Sie alle Artikel zum Mordfall Perselli/Neumair.