Seit dem 1. Februar erschwert ein neuer Beschluss der Landesregierung den Hausärzten den Alltag: „Wir müssen immer mehr Sekretariatstätigkeiten erledigen“, ärgert sich der Tiroler Hausarzt Dr. Eugen Sleiter. <BR /><BR />„Der Fragebogen ist komplett neu. So etwas hat es vorher nicht gegeben“, berichtet Dr. Sleiter. Über diese Änderungen sei man erst nach Inkrafttreten des Beschlusses informiert worden. In seinem Video beschreibt er den Bürokratie-Wahnsinn, der den Hausärzten seit Monatsbeginn aufgebürdet wird: „Der Hausarzt muss jetzt Heilbehelfe wie Windeln selbst digital verschreiben“, erklärt er. <BR /><BR /> <div class="embed-box"><iframe src="https://www.facebook.com/plugins/video.php?height=476&href=https%3A%2F%2Fwww.facebook.com%2Feugen.sleiter.1%2Fvideos%2F588514574176463%2F&show_text=true&width=267&t=0" width="267" height="591" style="border:none;overflow:hidden" scrolling="no" frameborder="0" allowfullscreen="true" allow="autoplay; clipboard-write; encrypted-media; picture-in-picture; web-share" allowFullScreen="true"></iframe></div> <BR /><BR /><b>Auch Therapiepläne müssen selbst digitalisiert werden</b><BR /><BR />Er allein hat Zugang zum Computer-Programm, die Verschreibung kann nicht von einem Praxismitarbeiter erledigt werden. „Wir müssen die Sekretariatsarbeit machen“, ärgert sich Dr. Sleiter. Und das gilt nicht nur für Heilbehelfe: Auch die Transportscheine für die Rettung und die Therapiepläne müssen die Hausärzte selbst digitalisieren.<BR /><BR />Während in anderen Regionen Italiens neue Programme stets in die gleiche Computer-Software der Hausärzte integriert werden, kommen hierzulande stets neue Programme hinzu, zu der nur der Hausarzt einen Zugang hat. „Kein Wunder, dass ältere Hausärzte überfordert sind und sich der Pensionierung entgegen sehnen“, weiß Dr. Sleiter. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1131144_image" /></div> <BR />Unabhängig von der „Windel“-Thematik wird die Tätigkeit als Hausarzt immer schwieriger, „weil das Krankenhaussystem immer schlechter funktioniert“. Früher untersuchte man den Patienten, und schickte ihn bei Bedarf an den Facharzt weiter, um später die Nachkontrolle durchzuführen. Heute sind die Wartelisten für programmierte Facharztvisiten lang, die Patienten weichen auf Privatkliniken aus, die Hausärzte müssen in Folge zahlreiche Verschreibungen umschreiben. <BR /><BR /><embed id="dtext86-68624199_quote" /><BR /><BR />Auch die Zukunftsaussichten sind laut dem Hausarzt alles andere als rosig: Mit Geldern aus dem Wiederaufbaufonds (PNRR) und eigenen Steuergeldern baut das Land 10 Gemeinschaftshäuser. Damit soll die Bevölkerung eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung erhalten (wir haben berichtet). Die Hausärzte sollen in diesen Häusern 18 Stunden pro Woche arbeiten – zusätzlich zu Wochenenddiensten, Rufbereitschaft etc. „Sie werden aus der Peripherie abgezogen. Das ist fast schon fahrlässig“, sagt Dr. Sleiter und ist gespannt auf die Umsetzung.<h3> Was die Präsidentin der Südtiroler Ärztekammer sagt</h3>Es geht um volle Windeln und volle Nasen: Heilbehelfe, wie eben Windeln, müssen seit Neuestem vom Hausarzt digital verschrieben werden. Dafür gibt es heftige Kritik. „Das ist das Gegenteil von Entbürokratisierung und eine Verschwendung von ärztlichen Ressourcen“, sagt auch Dr. Astrid Marsoner, Präsidentin der Südtiroler Ärztekammer. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1131147_image" /></div> <BR />Die Idee dahinter ist äußerst kundenfreundlich: Verschreibungspflichtige Heilbehelfe wie Windeln, Katheter oder orthopädische Schuheinlagen werden direkt in die Gesundheitskarte der Patienten eingespeichert und können dann in einer Apotheke abgeholt werden. „Die Umsetzung dieser Idee ist aber eine Wucherung von Bürokratie“, sagt Dr. Marsoner und teilt damit die Meinung vieler weiterer Kollegen. Denn Digitalisierung dürfe man nicht mit Entbürokratisierung verwechseln. „Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Wir müssen umdenken und anders an die Sache herangehen“, fordert die Präsidentin der Ärztekammer, die in Niederdorf als Hausärztin arbeitet. <BR /><BR /><b>„Für beide Seiten unangenehm“</b><BR /><BR />An der neuen Regelung kritisiert sie besonders, dass Hausärzte mit den Patienten einen Fragebogen ausfüllen müssen, bevor sie die Heilbehelfe verschreiben. „Das nimmt viel Zeit in Anspruch, wie mein Kollege Dr. Sleiter in einem Online-Video veranschaulicht. Für beide Seiten ist das Gespräch auch unangenehm“, so Dr. Marsoner. Da muss der Hausarzt dann dem Patienten Fragen stellen zur Menge und Form von Urin und Stuhl. Durch die genaue Befragung soll vermieden werden, dass Patienten Heilbehelfe zu Hause horten. <BR /><BR />„Prinzipiell muss der Arzt mit seinen persönlichen Daten auf das Programm zugreifen. Das ist ein weiterer Schwachpunkt und verkompliziert die Verschreibung der Heilbehelfe“, schließt Dr. Marsoner.