<b>Professor Saltuari, was bedeutet die Zulassung des Medikaments für Alzheimerkranke? Gibt es jetzt endlich Heilung?</b><BR />Leopold Saltuari: Nein, das neue Medikament bietet leider keine Heilung gegen die Krankheit, es verzögert lediglich den Prozess der zunehmenden Degeneration des Gehirns. <BR /><BR /><b>Was macht das Medikament genau?</b><BR />Saltuari: Eine Reihe degenerativer Erkrankungen wie Alzheimer kann man so erklären, dass das Gehirn Rückstände nicht entfernen kann. Das heißt, dass Proteine sich im Hirn ablagern und zunehmend das Gehirn und die Nervensysteme belasten. Und das neue Medikament soll eben diese Ablagerung verringern. Es heilt leider nicht, sondern verzögert.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-67439046_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Um wie viel?</b><BR />Saltuari: Aus großen Studien kann man erste Zahlen ableiten, die jetzt aber nicht berauschend sind. In einer Zeitspanne von 18 Monaten hat man beobachtet, dass sich der Zustand der Patienten, die das Medikament eingenommen hatten, um 27 Prozent weniger verschlechtert hat. Sehr, sehr viele Menschen hoffen jetzt natürlich, dass wir das Heilmittel gegen Alzheimer haben.<BR /><BR /><b>Haben wir?</b><BR />Saltuari: Haben wir nicht. Wir haben wahrscheinlich die Möglichkeit, bei nicht stark betroffenen Alzheimer-Patienten die Entwicklung innerhalb von eineinhalb Jahren um ein Viertel zu verbessern.<BR /><BR /><b>Das sind nur wenige Monate ...</b><BR />Saltuari: Ja, wenn man das umrechnet, könnten es so 4 bis 5 Monate sein. <BR /><BR /><b>Auf 18 Monate gerechnet. Was aber passiert, wenn man das Medikament länger einnimmt?</b><BR />Saltuari: Die Studien liefen 18 Monate lang, weil man irgendwie einen Zeitraum festlegen musste. Die Zahlen beziehen sich deshalb auf diesen Zeitraum. Wenn man das Medikament aber länger anwendet, wird die Krankheit wahrscheinlich noch weiter verzögert. Es gibt dazu aber noch zu wenig Daten. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-67442600_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Beim ersten Anlauf hat die EMA sich noch gegen das Medikament ausgesprochen. Die Nebenwirkungen des Medikaments seien die paar Monate nicht wert ...</b><BR />Saltuari: Beim Einsatz des Medikaments kann es zu Flüssigkeitsanlagerungen und Hirnschwellungen kommen. Diese werden vom Patienten aber selten wahrgenommen. Im Lauf der Studie des Medikaments gab es zudem 3 Todesfälle, wobei die Patienten Blutungen erlitten hatten. 2 dieser Patienten nahmen auch Blutverdünnungsmittel. Die Herstellungsfirmen sehen darin die Ursache. Beim neuen Medikament ist es durchaus möglich, dass es zu Kopfschmerzen und Schwindel kommt im Rahmen dieser Infusionen, die alle 2 Wochen verabreicht werden.<BR /><BR /><b>Das Medikament wird durch Infusionen verabreicht?</b><BR />Saltuari: Ja. Das Medikament kann an Alzheimer-Patienten verabreicht werden, die noch nicht schwer von der Krankheit betroffen sind. Es braucht dafür eine klare neuropsychologische Untersuchung, die klären soll, ob eine Verabreichung des Medikaments Sinn macht. Bei unserer alternden Gesellschaft spielt zudem die Preisfrage sicher auch eine Rolle.<BR /><BR /><b>Wie viel kostet das Medikament?</b><BR />Saltuari: Ich habe gelesen, dass es pro Patient 35.000 Euro im Jahr kosten soll. Ich nehme an, dass die Krankenkassen das übernehmen werden. Aber das muss noch verhandelt werden und hängt von den einzelnen Staaten ab. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-67442604_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Das Medikament kostet viel, hat nicht zu unterschätzende Nebenwirkungen und die Wirkung ist mäßig. War die Zulassung ihrer Meinung nach richtig?</b><BR />Saltuari: Ja. Die Nebenwirkungen und die 3 Todesfälle sind im Verhältnis nicht sehr viel. Und diese können durchaus auf die Blutverdünnungsmittel zurückzuführen sein. Das Medikament wurde bereits an einer großen Anzahl von Patienten angewendet. Ich glaube schon, dass es indiziert ist, wenn man eine klare Selektion der Patienten vornimmt, und die richtigen Patienten herausfiltert. <BR /><BR /><b>Wer sind die richtigen Patienten?</b><BR />Saltuari: Solche, die eine geringe Beeinträchtigung haben. Patienten also, die Alzheimer-Symptome zeigen, aber mehr oder minder noch selbständig sind. Schwere Fälle hingegen empfiehlt man nicht zu behandeln. Das Medikament ist der Anfang einer Entwicklung, das stimmt mich hoffnungsvoll. In den kommenden Jahren sollten noch wesentlich effizientere Medikamente gefunden werden, nehme ich an.