Außerdem betont sie, wie wichtig es ist, Patienten, Angehörige und medizinisches Personal regelmäßig für die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Symptomatik von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sensibilisieren.<BR /><BR /><b>Wie viele Frauen und Männer erleiden in Südtirol pro Jahr einen Herzinfarkt? Wie viele sterben daran?</b><BR />Dr. Martina Hainz: Laut Landesinstitut für Statistik waren Herz-Kreislauferkrankungen 2022 in Südtirol sowohl bei Männern als auch bei Frauen die führende Todesursache. Es verstarben 330 Frauen/100.000 Einwohner und 291 Männer/100.000 Einwohner daran (Quelle: Statistisches Jahrbuch für Südtirol 2023, Autonome Provinz Bozen, Landesinstitut für Statistik). Einen Herzinfarkt erlitten im Jahr 2022 in Südtirol 192 Frauen und 459 Männer, 70 Frauen und 89 Männer starben daran. (Quelle: Beobachtungsstelle für Gesundheit, Krankenhausentlassungen)<BR /><BR /><b>Herzinfarkte bei Frauen verlaufen also häufiger tödlich als bei Männern. Kann es sein, dass Symptome bei Frauen nicht richtig gedeutet und Frauen deshalb verzögert behandelt werden?</b><BR />Dr. Martina Hainz: Die allgemein bekannten, typischen Herzinfarktsymptome treten tatsächlich häufiger bei Männern auf als bei Frauen. Während Männer im Rahmen eines Herzinfarktes meist über starke Schmerzen, ein Druck oder Engegefühl im Brustkorb, teilweise mit Ausstrahlung in den linken Arm, den Unterkiefer oder Rücken berichten, beklagen Frauen im Gegensatz dazu oft Luftnot, (kalte) Schweißausbrüche, Übelkeit, Schmerzen im Oberbauch, Rücken oder den Schultern und ausgeprägte Müdigkeit. Frauen selbst nehmen die Beschwerden oft nicht ernst genug, stellen berufliche und familiäre Verpflichtungen häufig in den Vordergrund und alarmieren seltener oder deutlich zeitverzögert den Rettungsdienst. Gegenüber der Familie wie auch gegenüber Ärzten werden die Beschwerden oft banalisiert und erst auf Nachfrage geschildert. Mit Sicherheit werden Symptome wie Oberbauchschmerzen, Übelkeit oder Luftnot auch von Ärzten nicht immer sofort einem Herzinfarkt zugeordnet, da sie auch Ausdruck anderer Erkrankungen sei können. Es ist somit von besonderer Bedeutung Patienten selbst, Angehörige, sowie medizinisches Personal immer wieder bezüglich geschlechtsspezifischer Unterschiede in der Symptomatik von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sensibilisieren. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1099593_image" /></div> <BR /><BR /><b>Gibt es abgesehen von den Symptomen auch geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich des Alters, in dem ein Herzinfarkt typischerweise auftritt?</b><BR />Dr. Martina Hainz: Herzinfarkte treten bei Frauen statistisch gesehen circa 10 Jahre später auf als bei Männern. Während Männer ab dem 55. Bis 59. Lebensjahr gehäuft betroffen sind, treten Herzinfarkte bei Frauen im Durchschnitt erst ab dem 65. bis 69. Lebensjahr auf. Frauen sind bis zu den Wechseljahren durch die weiblichen Geschlechtshormone, die Östrogene, geschützt. Diese haben positive Einflüsse auf die Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sprich, sie wirken sich günstig auf den Blutdruck aus, führen zu insgesamt niedrigeren Cholesterinspiegeln, beeinflussen die Blutgerinnung günstig und erweitern die Blutgefäße. Mit den Wechseljahren und dem damit verbundenen Abfall der weiblichen Geschlechtshormone, lässt dieser Schutz nach und das Risiko für Herz-Kreislauf Erkrankungen steigt dann bei Frauen deutlich an. <BR /><BR /><b>Wie erkennt man einen Herzinfarkt rechtzeitig?</b><BR />Dr. Martina Hainz: Ein Herzinfarkt kündigt sich oft bereits im Vorfeld an. Ihm voraus gehen häufig Symptome wie Luftnot oder Brustschmerzen unter körperlicher Anstrengung, welche mit Belastungsende wieder nachlassen. Dies sind absolute Alarmzeichen und sollten jeden Betroffenen dazu veranlassen, diese Symptome abklären und ggf. behandeln zu lassen, um damit einen Herzinfarkt zu verhindern. Kommt es aus der Ruhe heraus oder deutlich stärker als bisher bekannt, zu Schmerzen im Brustkorb, Schmerzen zwischen den Schulterblättern, Oberbauchschmerzen mit Übelkeit und Erbrechen, Luftnot und (kalten) Schweißausbrüchen sollte umgehend der Rettungsdienst unter der Telefonnummer 112 alarmiert werden. Oft haben alleinlebende, ältere Personen einen Hausnotruf. Eine Alarmierung des Rettungsdienstes kann auch darüber erfolgen. Wichtig ist es vor allem, an einen möglichen Herzinfarkt zu denken und nicht zu zögern, Hilfe zu holen. Bei einem Herzinfarkt entscheidet tatsächlich jede Minute über Leben und Tod. Leider unterschätzen Patienten häufig die Warnzeichen des Körpers. Warnsymptome sollten also ernst genommen und frühzeitig abgeklärt werden, Beschwerden in Ruhe stellen einen ernstzunehmenden Notfall dar! Generell kann man sagen: bei genannten Symptomen lieber einmal zu viel den Notruf wählen als einmal zu wenig! <BR /><BR /><embed id="dtext86-67494076_listbox" /><BR /><BR /><b>Wie kann ich als Laie bei Verdacht auf Herzinfarkt Erste Hilfe leisten?</b><BR />Dr. Martina Hainz: Ein Herzinfarkt kann immer und überall auftreten und bei fehlender Behandlung tödlich enden. Ursache dafür ist eine Rhythmusstörung, das sogenannte Kammerflimmern, welches im Rahmen des Infarktes auftreten kann und zum Herzstillstand führt. Besteht der Verdacht auf einen Herzinfarkt, da eine Person über Brustschmerzen oder Luftnot, in selteneren Fällen Rückenschmerzen oder Schmerzen im Oberbauch klagt, muss sofort der Rettungsdienst alarmiert werden und direkt im Anschluss Erste Hilfe geleistet werden. Die betroffene Person sollte bequem mit erhöhtem Oberkörper gelagert werden, beengende Bekleidung sollte geöffnet und der Patient auf keinen Fall allein gelassen werden. Verliert der Betroffene das Bewusstsein, liegt dem meist ein Herzstillstand zugrunde. Das Leben des Betroffenen kann dann nur gerettet werden, wenn Anwesende mit sofortigen Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen. Jede Minute ohne Wiederbelebungsmaßnahmen senkt das Risiko für ein Überleben um etwa 10 Prozent. Wird der Rettungsdienst alarmiert, wird der Anrufer telefonisch genau in der Durchführung der Wiederbelebungsmaßnahmen angeleitet. Befindet man sich an einem öffentlichen Ort, sollte unbedingt auch ein eventuell vorhandener Defibrillator verwendet werden. Der Defibrillator ist auch für Laien einfach in der Handhabung und gibt durch Sprachanweisungen genaue Hinweise, wie er korrekt angewendet wird. <BR /><BR /><b>Wenn denn die Diagnose Herzinfarkt gestellt wurde, wie sieht die Behandlung aus? Werden Frauen und Männer unterschiedlich behandelt?</b><BR />Dr. Martina Hainz: Wenn die Diagnose Herzinfarkt gestellt wurde, erhalten Männer und Frauen die gleiche Behandlung. Ursache für einen Herzinfarkt ist ein verschlossenes Herzkranzgefäß, welches den Herzmuskel mit Blut und Sauerstoff versorgt. Da dies einen lebensbedrohlichen Zustand darstellt, muss das Blutgefäß möglichst schnell durch eine sogenannte Herzkatheteruntersuchung wiedereröffnet werden, um den Schaden am Herzmuskel möglichst gering zu halten und die Überlebenschance zu erhöhen. Dies ist in Südtirol nur im Krankenhaus Bozen möglich. Nach der Herzkatheteruntersuchung werden die Patienten auf der Intensivstation überwacht und bleiben noch einige Tage im Krankenhaus. Im Anschluss wird den Patienten eine Rehabilitation angeboten, in welcher sie über mehrere Wochen ausführlich über die Erkrankung aufgeklärt, bezüglich Risikofaktoren und gesunden Lebensstil geschult werden und auf dem Weg zurück in den Alltag, auch hinsichtlich sportlicher Aktivität und Wiedereinstieg in den Beruf, begleitet werden. Patienten die an einer Rehabilitation nach einem Herzinfarkt teilnehmen, weisen langfristig eine bessere Prognose auf, als Patienten, die dies ablehnen. Da ein Herzinfarkt in den allermeisten Fällen Ausdruck einer chronischen Erkrankung der Herzkranzgefäße ist, ist ein wesentlicher Teil der Behandlung auch eine zuverlässige Einnahme der verordneten Medikamente. Diese halten die Blutgefäße offen und verhindern ein Fortschreiten der Erkrankung. Die verordneten Medikamente unterscheiden sich in der Auswahl und Dosierung nicht zwischen Männern und Frauen. <BR /><BR /><b>Dass es unterschiedliche Wirkungen und Nebenwirkungen bei Männern und Frauen gibt, ist mittlerweile bekannt. Frauen sind in großen klinischen Studien ja häufig unterrepräsentiert. Meist sind nur 25 Prozent der Studienteilnehmer weiblich. Deshalb wird inzwischen auch gefordert, mehr Frauen in Studien einzubeziehen. Fällt Ihnen in Ihrer täglichen Arbeit auf, dass es bei Frauen häufiger zu Komplikationen oder Nebenwirkungen bei spezifischen Medikamenten kommt?</b><BR />Dr. Martina Hainz: Es ist mittlerweile unbestritten, dass es zwischen Frauen und Männern nicht nur anatomische Unterschiede, sondern auch Unterschiede in der Symptomatik verschiedener Erkrankungen sowie der Wirkung von Medikamenten gibt. Neben anderen Faktoren spielen bei Frauen vor allem hormonelle Veränderungen im Menstruationszyklus, wie auch im Verlauf mit Eintreten in die Wechseljahre eine besondere Rolle, welche mitunter auch die Wirkung von Medikamenten beeinflussen können. Darüber hinaus werden Medikamente im Körper einer Frau teilweise anders verstoffwechselt als im Körper eines Mannes. Da es bisher jedoch an großen Studien fehlt, welche exakte Rückschlüsse auf geschlechtsspezifische Unterschiede von Medikamentenwirkungen zulassen und Frauen tatsächlich in großen Studien immer noch unterrepräsentiert sind, erhalten Frauen und Männer aktuell identische Medikamente in identischen Dosierungen. In der täglichen Praxis fallen mir bedeutende Unterschiede hinsichtlich Komplikationen und Nebenwirkungen zwischen Männern und Frauen nicht auf. Aus wissenschaftlichen Arbeiten ist jedoch bekannt, dass manche Medikamente bei Frauen häufiger bestimmte Nebenwirkungen verursachen, als bei Männern. <BR /><BR /><b>Ganz generell: Wie kann man einem Herzinfarkt vorbeugen, was sind die größten Risikofaktoren?</b><BR />Dr. Martina Hainz: Die klassischen Risikofaktoren, welche das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und damit auch Herzinfarkten begünstigen sind Bluthochdruck, Diabetes, erhöhte Cholesterinwerte, Rauchen und eine familiäre Vorbelastung. Daneben spielen auch Bewegungsmangel sowie chronischer Stress eine wesentliche Rolle. Grundsätzlich wird Männern ab dem 40. Lebensjahr und Frauen ab dem 50. Lebensjahr eine Vorsorgeuntersuchung empfohlen, in welcher die wichtigsten Risikofaktoren bestimmt werden, nämlich, ob ein Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte oder ein Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) vorliegen. Da man erhöhte Blutdruck- und Cholesterinwerte leider oft nicht durch spezifische Symptome bemerkt, fallen diese häufig erst dann auf, wenn es zu schweren Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall gekommen ist. Dabei kann ein erhöhter Blutdruck ganz einfach durch wiederholte Blutdruckmessungen beim Hausarzt oder in der Apotheke, erhöhte Cholesterinwerte durch eine Blutabnahme festgestellt werden. Sowohl Bluthochdruck, als auch erhöhte Cholesterinwerte können durch eine positive Veränderung des Lebensstils und wenn notwendig, Medikamente behandelt werden. Ein frühzeitiges Erkennen und Behandeln dieser Risikofaktoren reduziert wesentlich das Risiko für schwerwiegende Folgeerkrankungen. Um das Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden zu minimieren, kann also auch jeder für sich selbst einen wesentlichen Beitrag leisten. Grundpfeiler sind ein gesunder Lebensstil mit regelmäßiger körperlicher Bewegung. Empfohlen werden mindestens 30min/Tag an mindestens 5 Tagen/Woche sowie eine ausgewogene, mediterrane Ernährung und Verzicht auf Rauchen. <BR /><BR /><b>Stimmt es, dass auch die Grippeimpfung einen Herzinfarkt vorbeugen kann?</b><BR />Dr. Martina Hainz: Mehrere große Studien haben gezeigt, dass vor allem für ältere Patienten, Raucher, Patienten mit vorbestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Nierenschwäche ein erhöhtes Risiko besteht, im Rahmen einer Grippeinfektion einen Herzinfarkt zu erleiden. Die Studien konnten auch zeigen, dass geimpfte Personen deutlich seltener betroffen sind, als ungeimpfte. Eine Grippeimpfung wird Personen ab dem 60. Lebensjahr mit vorbestehenden chronischen Erkrankungen der Atemwege, des Herz-Kreislauf-Systems, der Leber und Niere sowie bei Diabetes empfohlen. Darüber hinaus gilt die Empfehlung für Schwangere, medizinisches Personal und Personen, welche in Einrichtungen mit hohem Publikumsverkehr arbeiten.