Am 24. Juli 1945 erteilte US-Präsident <b>Harry S. Truman</b> von Potsdam aus – wo er mit <b>Stalin</b> und <b>Churchill</b> konferierte – <b>General Carl Spaatz,</b> dem Oberkommandierenden der Strategischen Luftwaffe, für den Tag nach dem Ende der Potsdamer Konferenz folgenden Befehl zum Einsatz der ersten Atombombe:<BR /><BR /><i>„Die Sondergruppe 509 der 20. Luftflotte wird ihre erste Spezialbombe, sowie das Wetter nach dem 3. August 1945 Bombardierung nach Sicht gestattet, auf eines der folgenden Ziele abwerfen: Hiroshima, Kokura, Niigata oder Nagasaki. Zusätzliche Maschinen werden das Bombenflugzeug begleiten, um Offizieren und Wissenschaftlern des Kriegsministeriums die Beobachtung der Bombenexplosion und ihrer Wirkung zu ermöglichen.“</i><BR /><BR />Zwei Tage später forderte Truman Japan von Potsdam aus ultimativ zur bedingungslosen Kapitulation auf, u. a. Rückgabe aller eroberten Gebiete, Entwaffnung, Entmilitarisierung, Bestrafung der Kriegsverbrecher, Besetzung des Landes. Im letzten Satz wurde drohend angekündigt: <i>„Andernfalls bleibt für Japan nur seine sofortige und totale Vernichtung.“</i> Über den für Tokio entscheidenden Punkt, das Schicksal des Kaisers, sagte das Ultimatum nichts, ebensowenig wurde die Atombombe erwähnt.<BR /><BR />Tokio hoffte weiter auf die Vermittlung Moskaus, auf bessere Kapitulationsbedingungen und beschloss, auf das Potsdamer Ultimatum zunächst überhaupt nicht einzugehen – es weder anzunehmen noch abzulehnen. Als Ministerpräsident <b>Suzuki</b> die Haltung seiner Regierung der Presse erläuterte, benutzte er das Wort „<i>mokusatsu“</i>, ein Wort, das sowohl <i>„ignorieren“, „kein Kommentar“,</i> als auch <i>„mit Verachtung strafen“</i> bedeutet. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1198197_image" /></div> <BR /><BR />Das Letztere hatte Suzuki nicht gemeint, aber so wurde es in Amerika aufgefasst. Am 30. Juli lautete die Schlagzeile der New York Times: <i>„Japan lehnt das alliierte Ultimatum zur Kapitulation offiziell ab.“ </i><BR /><BR />Und US-Kriegsminister <b>Stimson</b> notierte: <i>„Es blieb uns nichts anderes übrig, als den Japanern vor Augen zu führen, dass das Ultimatum genau das bedeutete, was es sagte, und um das zu tun, besaßen wir in der Atombombe ein geeignetes Mittel.“</i><BR /><BR />Am 6. August, um genau 8.15 Uhr und 17 Sekunden, öffnete sich der Bombenschacht der B-29<i> „Enola Gay“</i>, so genannt nach der Mutter des Piloten. <i>„Little Boy“ – „Kleiner Junge“</i>, der Codename für die erste einsatzfähige Atombombe, drei Meter lang, 70 cm Durchmesser, etwas mehr als vier Tonnen schwer, eine Uranbombe mit einer Sprengkraft von 12.000 Tonnen herkömmlichen Sprengstoffes TNT. 43 Sekunden später explodierte die Bombe in etwa 600 Meter Höhe über dem Zentrum Hiroshimas.<h3>Menschen verbrennen zu Asche</h3>In der Stadt brach die Hölle los. Ein Feuerball von 100 m Durchmesser strahlte für kurze Zeit eine ungeheure Hitze aus, stärker als auf der Oberfläche der Sonne. Dachziegel und Steine schmolzen, auf den Treppenstufen eines Bankgebäudes wurde der Schatten einer menschlichen Gestalt eingebrannt. Viele Menschen in unmittelbarer Nähe des Explosionszentrums wurden einfach zu Asche. <BR /><BR />Der Feuerball saugte Millionen Tonnen Staub und pulverisierter Trümmer auf, die im gleichen Augenblick die große, hässliche Pilzwolke bildeten. Nach der Hitze kam eine furchtbare Druckwelle. Sie fegte alles hinweg, zermalmte Wohnhäuser und begrub ihre Bewohner unter sich, riss den Menschen Kleidung und die verbrannte Haut vom Körper. Das Fleisch war nass und schwammig. Viele Menschen wurden irrsinnig.<BR /><BR />Der Druckwelle folgten Stürme, die die Bäume entwurzelten. Dann kam das Feuer. Die Hitze der Bombe entzündete viele Holzbauten. Bald raste ein Feuersturm durch die Straßen. Nach sechs Stunden war Hiroshima ein Feuermeer und wurde zu einem gigantischen Scheiterhaufen.<h3> Stadt den Flammen ausgeliefert</h3>Die Stadt war den Flammen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. 70 Prozent der Feuerwehrausrüstung waren zerstört, 80 Prozent des Feuerwehrpersonals tot oder verschwunden, die Wasserrohre in der Hitze geschmolzen. <i>„Drei Tage lang brannte die Stadt, und die Asche qualmte noch mehr als eine Woche lang“,</i> heißt es in dem offiziellen japanischen Bericht. <BR /><BR />Überall lagen Tote und Verwundete. Viele Menschen sprangen in den Fluss Ota, an dem Hiroshima liegt, um den Flammen zu entgehen, und ertranken. Die noch lebten, trieben flussabwärts und stießen auf die Toten. Einige Minuten nach der Explosion setzte ein radioaktiver Regen ein, geschwärzt durch Ascheteilchen. Dieser <i>„schwarze Regen“</i> vergrößerte die Panik unter den Überlebenden. Eine einzige Bombe hatte aus Hiroshima eine verbrannte Wüste gemacht.<BR /><BR />Von 45 Krankenhäusern waren nur drei stehengeblieben, von 290 Ärzten nur 28 unverletzt, von 1780 Krankenschwestern nur 126.<h3> Ungenaue Angaben über Zahl der Toten</h3>Es gibt keine genauen Angaben über die Zahl der Toten. Niemand weiß, wie viele Soldaten und koreanische Zwangsarbeiter umgekommen sind. Hiroshima war damals Kommandostelle der 2. Armee mit der größten Truppenansammlung Südjapans. 1960 nannte eine amerikanische Kommission 80.000 Tote, im Friedensmuseum von Hiroshima findet sich die Zahl 240.000.<h3> Amerikaner starten intensive Propaganda</h3>Die Amerikaner entfachten nach Hiroshima eine intensive Propagandakampagne. 16 Millionen Flugblätter wurden über 47 japanischen Städten abgeworfen. Darin wurde auf die Potsdamer Erklärung verwiesen, die Kapitulation gefordert und mit der Fortsetzung der Bombardierung gedroht. <BR /><BR />Gleichzeitig wurde der Termin für den Abwurf der zweiten Bombe vom 11. auf den 9. August vorverlegt. Je eher der zweite Schock dem ersten folgte, umso größer seine psychologische Wirkung.<BR /><BR />Am 9. August 1945, um 11.1 Uhr, fiel die zweite Atombombe „Fat Man“ – eine Plutoniumbombe mit 22.000 Tonnen TNT-Sprengkraft. Diesmal war <b>Nagasaki</b> das Ziel. Die Bombe hätte eigentlich Kokura treffen sollen, aber Wolken verhinderten den <i>„Abwurf nach Sicht“.</i> Auch für Nagasaki schwanken die Angaben über die Zahl der Toten. Sie reichen von 20.000 bis 150.000.<BR /><BR />Am nächsten Tag wurde Japans Antwort auf das Potsdamer Ultimatum vom 26. Juli auf dem Weg über die neutrale Schweiz übermittelt. Der entscheidende Satz lautete: <i>„Die japanische Regierung ist bereit, die Bedingungen unter der Voraussetzung zu akzeptieren, dass die Hoheitsrechte Seiner Majestät als Souveräner Herrscher nicht beeinträchtigt werden.“</i><BR /><BR />Am 15. August kapitulierte Japan offiziell, am 2. September unterzeichneten die Bevollmächtigten des Kaisers vor dem amerikanischen Oberbefehlshaber <b>Douglas McArthur</b> auf dem Schlachtschiff USS Missouri in der Bucht von Tokio die Kapitulation.<h3> Warum der Abwurf ?</h3>Auf amerikanischer Seite gab es schon damals bei Militärs und Politikern Zweifel, ob der Einsatz der Bombe aus militärischer Sicht notwendig gewesen sei. Die Seeblockade hätte Japan durch Hunger zur Kapitulation gebracht, wenn man bereit gewesen wäre, zu warten, wie <b>Admiral King,</b> der Oberbefehlshaber der amerikanischen Kriegsmarine, meinte.<BR /><BR />Truman sah das anders. In seinen Memoiren schrieb er: <i>„Ich hielt die Atombombe für eine Waffe und habe nie daran gezweifelt, dass sie auch eingesetzt werden sollte.“</i> Die schnelle Kapitulation Japans habe die Invasion überflüssig gemacht und so hunderttausenden Amerikanern das Leben gerettet. <BR /><BR />Ähnlich argumentierte <b>Churchill:</b><i>„Es bleibt die historische Tatsache, dass die Entscheidung, ob man die Atombombe einsetzen solle oder nicht, um die Kapitulation Japans zu erzwingen, niemals eine Streitfrage war.“</i><BR /><BR />Und es kam noch ein Argument hinzu, das der militärische Berater des Präsidenten, <b>Admiral Leahy</b>, enthüllte: <i>„Die Naturwissenschaftler und auch andere wollten diese Waffe erproben wegen der riesigen Summen, die für dieses Projekt schon ausgegeben worden waren.“</i><h3> Stalin befiehlt Bau der Bombe</h3>Zwei Wochen nach Hiroshima untersuchten auch sowjetische Experten die zerstörte Stadt und schickten detaillierte Berichte nach Moskau. <i>„Hiroshima hat die ganze Welt erschüttert“</i>, meinte Stalin wenige Tage später zu führenden Atomphysikern seines Landes und fügte hinzu: <i>„Die Balance zwischen den Mächten ist zerstört. Baut die Bombe. Damit wird eine große Gefahr von unserem Land genommen.“</i><BR /><BR />Außenminister <b>Molotow</b> meinte später, die Bomben <i>„waren nicht gegen Japan gerichtet, sondern gegen die Sowjetunion“</i>. Stalin befürchtete damals, dass die USA angesichts ihres Atommonopols die Sowjetunion zwingen würden, in Europa und der Welt nachzugeben. Das aber, so Stalin, werde nicht geschehen. Die sowjetische Atomforschung wurde mit allen Mitteln vorangetrieben. Stalin brauchte die Bombe, um das Gleichgewicht der Kräfte wiederherzustellen.<h3> Hiroshima heute</h3>In den ersten Jahren der amerikanischen Besatzung war das zerstörte Zentrum der Stadt Sperrgebiet. Filme der US-Armee waren gesperrt. Erst 1982 gab es die erste Dokumentation in Farbe (s.u.), in der auch Atombombenopfer (die hibakusha) zu sehen sind. Bei relativ schnell nachlassender Radioaktivität wurde die Stadt wieder bewohnbar. Sie ist heute eine japanische Millionenstadt (1,2 Million Einwohner), und dennoch anders: Jedes Jahr am 6. August wird an jenen Montag im August 1945 erinnert, als die Bombe fiel. <BR /><BR />Auch sonst wird die Erinnerung wachgehalten: Es gibt einen Friedensgedächtnispark und ein Friedensgedächtnismuseum. Eines von drei Gebäuden, die damals stehen geblieben waren, ist als „Atombombendom“ zum Mahnmal geworden. 1996 wurde es von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt, zur Erinnerung an den ersten Abwurf einer Atombombe und als Symbol des Friedens. <BR /><BR />Peking war dagegen, weil es eine Relativierung der japanischen Kriegsverbrechen befürchtet; Washington sprach sich ebenfalls gegen diese Entscheidung aus. Für die USA ist die Interpretation der Atombombenabwürfe nach wie vor unstrittig: Sie waren notwendig, um den Krieg zu verkürzen und amerikanische Soldaten vor dem Tod zu bewahren. Die „Enola Gay“ wurde restauriert und steht jetzt zusammen mit 200 anderen Flugzeugen in einem Museum für Luftfahrttechnik in der Nähe von Washington.<BR /><b><BR />Zur Person</b><BR />Rolf Steininger war langjähriger Leiter des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck. <a href="https://www.rolfsteininger.at/" target="_blank" class="external-link-new-window" title=""> www.rolfsteininger.at</a><BR /><b><BR />Buchtipp:</b> Rolf Steininger, Hiroshima: 6. August 1945 – 8:15:17, Erfurt 2018 (zum kostenlosen Uploaden bei der Landeszentrale für politische Bildung Thhüringen).<BR /><BR /><b>Filmtipp:</b> International ausgezeichnete Dokumentation „Verbrannt – verstrahlt – vernichtet: Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki“ (1982, 45 Minuten, FARBE; Heribert Schwan/Rolf Steininger).