War der Mord an Peter Neumair ein Mord nach Drehbuch? Oder – genauer gesagt – identifizierte sich Benno Neumair möglicherweise mit der Figur des Sohnes in einem Kurzfilm, der im Haus der Familie Neumair in Bozen gedreht worden ist? <BR /><BR />Das Schwurgericht beschloss gestern, den Film in die Prozessakte aufzunehmen. Am nächsten Verhandlungstag soll der Regisseur des Filmes, den eine Schülergruppe im Jahr 2014 gedreht hatte, angehört werden. Die Handlung des Streifens ist beklemmend: Ein Vater sperrt seinen Sohn in den Keller, der Sohn sehnt sich nach Freiheit, und als er heftig zurechtgewiesen wird, attackiert er den Vater und erwürgt ihn. <a href="https://www.youtube.com/watch?v=U06LMfO-RUQ" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Der 10 Minuten lange Film „Seconda natura“ ist hier zu sehen</a>.<BR /><BR /> 2 weitere Zeugen sollen hingegen Einblicke in Benno Neumairs Verhalten im Gefängnis bringen. Es handelt sich um Vollzugsbeamte, die eingegriffen hatten, als Benno Neumair im Juli 2021 einem Mithäftling bei einem Streit an die Kehle gegangen sein soll. <h3> Narzisstische Störung</h3>Die Verteidigung dürfte den Vorfall dahingehend interpretieren, dass ihr Mandant aufgrund einer schweren Persönlichkeitsstörung nicht imstande sei, seine Impulse zu kontrollieren. Genau das aber sah gestern die psychiatrische Gutachterin der Nebenkläger, Dr. Anna Palleschi, ganz anders. Benno Neumair leide an einer narzisstischen Störung mit antisozialen und passiv-aggressiven Zügen, diese habe jedoch seine Einsichts- und Willensfähigkeit zum Tatzeitpunkt nicht eingeschränkt.<BR /><BR /><i>Hier sehen Sie ein Videointerview mit der Gutachterin.</i><BR /><BR /> <video-jw video-id="gC6LOtdn"></video-jw> <BR /><BR />Benno Neumair habe gewusst, was er tat, zeigte sich Dr. Palleschi überzeugt – nicht nur beim Mord an seiner Mutter Laura Perselli, die gestern 70 Jahre alt geworden wäre, sondern auch, als er seinen Vater Peter Neumair getötet habe. Dr. Palleschi glaubt nicht an einen Mord im Affekt: Sie betonte, dass die Aussage des Angeklagten der einzige Hinweis auf einen vorhergehenden Streit mit seinem Vater sei. Es habe nicht zum ersten Mal Streit gegeben, deshalb sei nicht ersichtlich, worin gerade bei diesem der „Trigger“ für die Tat gewesen sein sollte. <BR />Benno Neumair sei ein großer Manipulator mit Hang zur Theatralik.<BR /><BR /><embed id="dtext86-54747387_quote" /><BR /><BR /> Dem antisozialen Narzissten gehe es nicht darum, eine Beziehung aufrecht zu erhalten, sie wollten Macht ausüben und andere Menschen benutzen. Personen mit antisozialen Störungen interessierten sich demnach nicht für Regeln oder dafür, was andere Menschen fühlen. Sie könnten andere aber gut genug durchschauen, um an das anvisierte Ziel zu kommen. Wenn sie kritisiert würden, suchten sie die Fehler immer bei den anderen. Auch würden Personen mit antisozialen Charakterzügen keinerlei Angst empfinden: „Dass Benno Neumair in aller Seelenruhe die Leichen seiner Eltern in den Kofferraum legte und dann mit seiner Freundin einen ruhigen Abend verbrachte, passt genau in dieses Schema“, so Dr. Palleschi. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="779366_image" /></div> <BR />Auch, dass er sich nach der Tat mit dem Nachbarn ganz locker unterhalten habe, sei bezeichnend für die Einstellung: „Ich kann mir alles erlauben, und es wird keine Konsequenzen haben.“ Die Gutachterin sah keine Anzeichen für Reue. Benno Neumair habe geglaubt, das perfekte Verbrechen zu begehen, er habe sich für ein „Genie des Bösen“ gehalten. Er sei zwar sehr impulsiv, aber er könne sich sehr wohl kontrollieren – „er will es aber einfach nicht“. <BR /><BR />Dr. Palleschis Fazit: Zu morden, um etwas zu beseitigen, das er als Grenze für das Ausüben von Macht empfunden haben könnte, sei mit Benno Neumairs Persönlichkeit vereinbar. Wer an dieser Art von Narzissmus leide, könne einen Mord durchaus als gerechtfertigte Maßnahme empfinden, um sein Selbstwertgefühl zu schützen.<BR /><BR />Am 6. Juli hört das Schwurgericht neben dem Filmregisseur und den beiden Vollzugsbeamten 3 Ärzte aus Neu-Ulm an, wo Benno Neumair simuliert hatte, dass er angegriffen wurde, sowie seine Ex-Freundin aus Innsbruck. <BR /><BR />