Veronika Sexl übernahm am 1. März das Amt von Tilmann Märk, der seit 2011 Rektor der Leopold-Franzens-Universität war. <BR /><BR /><b>Woran wird man an der Uni Innsbruck Ihre Handschrift erkennen?</b><BR />Prof. Veronika Sexl: Mein Team und ich haben ein Schiff übernommen, das auf gutem Kurs ist. Wir werden dieses große Schiff mit ruhiger Hand weitersteuern und die eine oder andere leichte Korrektur mit der Zeit vornehmen. Man wird hoffentlich schnell erkennen, dass mir die Menschen und die Vernetzung der Köpfe als Ausgangspunkt für erfolgreiche Wissenschaft, aber auch für eine effiziente und innovative Verwaltung, besonders am Herzen liegen. Daher habe ich die Personalagenden direkt zu mir ins Rektorat genommen.<BR /><BR /><b>In Ihrem Auftritt auf der Uni-Webseite betonen Sie Nachhaltigkeit und Digitalisierung.</b><BR />Prof. Sexl: Ja, mir sind diese beiden Querschnittsthemen sehr wichtig. Sie spielen sowohl für unsere Universität – wissenschaftlich und strukturell –, aber auch für unsere Gesellschaft ganz allgemein eine große Rolle und werden weiter an Bedeutung gewinnen. Wir wollen hier proaktiv sein, daher habe ich dafür ein eigenes Vizerektorat eingerichtet.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="878825_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Wird die Digitalisierung künftig in allen Fakultäten eine größere Rolle spielen? Wo liegen die Vorteile? Wo die Nachteile?</b><BR />Sexl: Digitalisierung ist ein unaufhaltsamer Prozess, der in allen Fakultäten Einzug gehalten hat. Alles hat immer mehrere Seiten und Facetten – schwarz und weiß gibt es nicht – das Leben besteht aus Grau-Schattierungen, auf die man adäquat reagieren muss und die wir auch optimal nutzen möchten. Ganz grundsätzlich ist es uns natürlich wichtig, Abläufe zu vereinfachen und unsere Studierenden in ihrem jeweiligen Fach mit den aktuellen digitalen Hilfsmitteln vertraut zu machen. Im Lehrbetrieb ist unser Zugang aber eindeutig: Universität lebt vom direkten Austausch zwischen Menschen – vom Diskurs. Daher sind und bleiben wir eine Präsenzuniversität! Aber überall dort, wo es hilfreich und sinnvoll ist, werden wir unser digitales Angebot weiter ausbauen.<BR /><BR /><b>Welche konkreten Nachhaltigkeitsschritte setzt die Uni Innsbruck als Struktur?</b><BR />Prof. Sexl: Die Universität Innsbruck hat hier schon einiges vorzuweisen: Im Reisemanagement wurden die Flugreisen im Kurzstreckenbereich eingeschränkt und Bahnreisen forciert, im Gebäudemanagement beziehen wir schon jetzt 100 Prozent Ökostrom bzw. arbeiten mit unserem Eigentümer, der Bundesimmobiliengesellschaft, immer wieder daran, unsere Gebäude möglichst energieeffizient zu gestalten. Aktuell geht es zudem um Fotovoltaik-Anlagen auf den universitären Gebäuden. Bei Veranstaltungen agieren wir schon geraume Zeit möglichst nachhaltig und setzen auf Regionalität beim Catering. Bei der individuellen Mobilität unterstützen wir unser Personal beim Kauf von Jahreskarten für den Öffentlichen Verkehr und haben die Möglichkeit geschaffen, innerstädtisch das „Innsbrucker Stadtrad“ in einer gewissen Zeitspanne gratis zu nutzen. Sie sehen, die Universität Innsbruck hat als Tiroler Leitinstitution schon in der Vergangenheit versucht, ihrer Vorbildwirkung gerecht zu werden. Selbstverständlich werden wir auf dem Bisherigen nicht ausruhen, sondern es gilt auch hier, sich permanent weiterzuentwickeln, was wir auch tun werden. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58848112_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Die Akademisierung der Ausbildung hat stark zugenommen – schießen wir da manchmal über das Ziel hinaus?</b><BR /> Prof. Sexl: Diese Frage ist nicht einfach und kurz zu beantworten. Grundsätzlich sind Bildung und Wissen wesentliche Faktoren für den individuellen Erfolg und für gesellschaftliche Weiterentwicklung und Prosperität insgesamt. Ob dies nun über Hochschulen vermittelt wird oder in anderer Form, hängt letztlich von den Anforderungen im jeweiligen Beruf ab. Es ist aus meiner Sicht aber wichtig, die Durchlässigkeit im Bildungsbereich weiter zu erhöhen, damit Menschen sich weiterentwickeln können.<BR /><BR /><b>Die Wirtschaft klagt über Fachkräftemangel an allen Ecken und Enden – ohne Auffrischung von außen wird es nicht gehen. Wie kann da die Uni helfen?</b><BR />Prof. Sexl: Auch der Fachkräftemangel ist ein komplexes Problem, das nicht zuletzt mit der Bevölkerungsentwicklung und der zunehmenden Mobilität zusammenhängt. Was die Universität Innsbruck betrifft, haben wir nahezu keine Studienbeschränkungen, wir verlangen auch keine Studiengebühren. Die Voraussetzungen für den Zugang zu einem Studium in Innsbruck sind grundsätzlich also sehr gut. Derzeit verfügen mehr als die Hälfte jener jungen Menschen, die an unserer Universität zu studieren beginnen, nicht über eine österreichische Matura, sondern kommen vielfach aus Deutschland und Südtirol. Wir als regional verankerte Hochschule versuchen also unser möglichstes, so viele junge Menschen wie möglich auszubilden, ich denke, das gelingt uns auch sehr gut.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="878828_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Müssen wir Ausbildung steuern – also ausbilden nach Bedarf? Oder über Bedarf?</b><BR />Prof. Sexl: Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass solche „Steuerungsmodelle“ nicht gut funktionieren und auch meist hinterher hinken. Ein aktuelles Beispiel ist das Thema Lehrerkräfteausbildung. Jahrelang hat man von Lehramtsstudien abgeraten, und nun stehen wir in Österreich vor einem gigantischen Engpass. Das Wichtige für junge Menschen ist, eine Ausbildung bzw. das Studium zu wählen, das ihnen gefällt, das sie begeistert und dann Bedingungen zu schaffen, die ein effizientes und freudvolles Studieren ermöglichen. Denn nur mit Begeisterung schafft man es, auch Durststrecken oder mühsame Situationen zu überwinden und letztlich erfolgreich zu sein. Und die Erfahrung der letzten Jahre zeigt: Die lineare Biografie von der Schule über ein einschlägiges Studium bis hin zu einem einschlägigen Beruf wird immer seltener, eine völlig „bedarfsorientierte“ Ausbildung hat sich oft nach kurzer Zeit schon wieder überholt. <BR /><BR /><b>Jedes Land geht in Sachen Studiengebühren seinen eigenen Weg, in Österreich ist man sehr human – wichtig, um eine Bildung tatsächlich allen zugänglich zu machen?</b><BR />Prof. Sexl: Der Zugang zu einem Studium sollte möglichst ohne Hürden möglich sein. Ich schätze die österreichische Regelung, wir haben de facto keine Studiengebühren. Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, werden wir auch weiter daran arbeiten müssen, möglichst vielen jungen Menschen ein Studium als eine der Möglichkeiten der Ausbildung nach der Schule anzubieten. <BR /><BR /><b>Noch immer sind Frauen in der Forschung unterrepräsentiert, sie machen auch immer noch weniger leicht Karriere: Was muss sich ändern? Wie kann die Uni helfen?</b><BR />Sexl: Auch hier sprechen wir von einem gesellschaftlichen Thema mit vielen Ursachen. Mir liegt es am Herzen, Familiengründung und akademische Karriere nicht als Gegensatz zu verstehen, sondern beides zu ermöglich und zu unterstützen. Frauen brauchen hier wesentlich mehr Selbstbewusstsein und Mut, da fehlen oft auch Vorbilder. <BR /><BR /><b>Forschung und Lehre gehören zusammen – doch wie frei darf/muss Forschung sein? Reicht sie als Selbstzweck? Oder muss sie stets ein – ökonomisch messbares – Ziel verfolgen?</b><BR />Sexl: In Österreich gilt die Freiheit von Forschung und Lehre! Das ist eine wichtige demokratische Errungenschaft und stellt die Basis unseres gesellschaftlichen Selbstverständnisses dar. Forschung hat immer einen Zweck: Nämlich neue Erkenntnisse zu gewinnen. Und wer kann heute sagen, was morgen oder übermorgen wichtig oder hilfreich sein kann? Die Geschichte der Wissenschaft ist voller Beispiele, dass frühere, nicht immer sofort umsetzbare Erkenntnisse später der Ausgangspunkt für wichtige neue Ideen, Methoden oder Lösungen waren. Auf jeden Fall gilt: Investitionen in die Köpfe, in die (Aus-)Bildung und in die Wissenschaft sind der Garant für eine erfolgreiche Entwicklung in der Zukunft. Jeder investierte Euro in diesen Bereichen zahlt sich vielfach aus.<BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR />