<b>Von Johanna Torggler<BR /><BR />Jedes Jahr am 16. Oktober findet der Welternährungstag oder Welthungertag statt. Er soll darauf aufmerksam machen, dass immer noch zu viele Menschen weltweit unter Hunger leiden. Im Jahr 2023 hungerte etwa jeder 11. Mensch. Wie steht es insgesamt um den Hunger auf der Welt?</b><BR />D’Onofrio: Die Zahlen sind schockierend: Im Jahr 2023 waren 733 Millionen Menschen von Hunger bedroht. Dazu zählen all jene, die sich bereits in einer akuten Notsituation befinden und nicht die notwendigen Kalorien erhalten, die sie täglich benötigen. Auch Personen, bei denen eine akute Notsituation in den kommenden Wochen oder Monaten eintreten wird, sind in dieser Zahl enthalten.<BR /><BR />Besonders besorgniserregend ist, dass zahlreiche Babys, Kinder und schwangere Frauen betroffen sind. Hunger hat fatale Folgen für Kinder, die oft lebenslange Konsequenzen mit sich bringen, wie Wachstumsprobleme und Gehirnschäden.<BR /><BR /><BR /><b>Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte legt seit 1948 das Recht auf Nahrung fest. Warum ist dieses grundlegende Menschenrecht im Jahr 2023 für mehr als 730 Millionen Menschen weltweit noch immer nicht erfüllt?</b><BR />D’Onofrio: Es gibt verschiedene Ursachen für den Hunger auf der Welt, aber heute lassen sich 2 Hauptgründe identifizieren: Konflikte und die Klimakrise. <BR /><BR />In Regionen mit gewalttätigen Konflikten oder Kriegen ist die Ernährungsversorgung oft nicht mehr gewährleistet. Zudem hat die Klimakrise heute besonders in den Ländern, die am wenigsten dazu beigetragen haben, die verheerendsten Folgen. Ob extrem lange Dürreperioden oder Überschwemmungen nach Starkregen – in beiden Fällen ist es unmöglich, eine stabile Landwirtschaft aufrechtzuerhalten, die für die Ernährungssicherheit unerlässlich ist.<BR /><BR /><b>Die UN und auch die G7 hatten das Ziel, bis 2030 eine Welt ohne Hunger zu ermöglichen. Ist das noch realistisch?</b><BR />D’Onofrio: Das Ziel ist realistisch, sobald es zur Priorität wird. Es muss konkret daran gearbeitet werden. Im aktuellen Bericht der Vereinten Nationen über Ernährungssicherheit wird auch die Finanzierung der Programme thematisiert.<BR /><BR />Wenn man dies ernsthaft und intensiv verfolgen würde, gäbe es durchaus Chancen, diesem Ziel zumindest näher zu kommen. Derzeit hat das Thema jedoch nicht die nötige Priorität: Es mangelt sowohl an Aufmerksamkeit als auch an der notwendigen Finanzierung.<BR /><BR /><b>Welche Bedeutung hat der Welternährungstag in diesem Zusammenhang?</b><BR />D’Onofrio: Es ist wichtig, diese Gelegenheit zu nutzen, um auf die Thematik aufmerksam zu machen. In einer Welt, in der immer mehr negative Nachrichten dominieren, darf das Problem der Ernährung und des Hungers nicht untergehen. Besonders wenn wir über verschiedene Krisen berichten oder sprechen, sollte der Aspekt der Ernährung, der immer betroffen ist, nicht vergessen werden. Es geht hier um das reine Überleben. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1084284_image" /></div> <BR /><BR /><b>Welche Rolle spielt die Caritas im globalen Kampf gegen den Hunger?</b><BR />D’Onofrio: Natürlich können wir als diözesane Caritas den Hunger weltweit nicht vollständig stoppen. Dennoch setzen wir alles daran, innerhalb unserer Möglichkeiten zu helfen. Unsere Projekte organisieren wir in enger Zusammenarbeit mit lokalen Partnern.<BR /><BR />In verschiedenen afrikanischen Ländern fördern wir nachhaltige Landwirtschaft. In Mosambik läuft ein Projekt, das den korrekten Anbau lokaler Pflanzen unterstützt. Ananas-Pflanzen, die Feuer gut abwehren können, dienen als Schutzbarriere gegen die in der Region gängige Düngung mit Feuer. Wir vermitteln auch herkömmliche Methoden, wie den Anbau verschiedener Pflanzen auf einem Feld.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1084326_image" /></div> <BR /><BR />In Kenia bieten wir Landwirten die Möglichkeit, sich in Genossenschaften zusammenzuschließen. Nach fast 2 Jahren ohne Niederschlag setzte Ende letzten Jahres plötzlicher Starkregen ein, der zu Überschwemmungen führte. Die Regenzeiten sind nicht mehr vorhersehbar. <BR /><BR />In Ländern wie Äthiopien arbeiten wir daran, eine regelmäßige Wasserversorgung sicherzustellen, indem wir Brunnen und Auffangbecken für Regenwasser bauen. Dadurch können einige Felder aktiv bewirtschaftet werden. Außerdem unterstützen wir verschiedene Schulprojekte, die den Kindern eine warme Mahlzeit in der Schule ermöglichen. So wissen die Eltern, dass ihre Kinder auch in Zeiten ohne Ernte wenigstens in der Schule essen können. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1084332_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie sieht die aktuelle Ernährungssituation in den von der Caritas unterstützten Regionen aus?</b><BR />D’Onofrio: In mehreren Ländern ist die Situation sehr kritisch. So etwa in Kenia, wo auf extreme Dürre plötzlich Starkregen folgte, in Mosambik, wo die Schäden durch Zyklone von Jahr zu Jahr schlimmer werden, oder in Äthiopien, wo das Phänomen des „Grünen Hungers“ auftaucht. Das bedeutet, dass es in den betroffenen Regionen zwar grün aussieht, der Boden jedoch nicht mehr aufnahmefähig ist. Erfolgreiches Anpflanzen ist nicht mehr möglich.<BR /><BR />Besonders alarmierend ist die Lage im Sudan, wo der seit über einem Jahr andauernde Konflikt zu einer katastrophalen humanitären Situation geführt hat. <BR /><BR /><b>Wie hilft die Caritas in jenen Gebieten wo Krieg ausgebrochen ist?</b><BR />D’Onofrio: In größeren Krisen, wie im Nahen Osten, organisieren wir als diözesane Caritas Spendensammlungen, um unsere Kollegen vor Ort über das internationale Caritas-Netzwerk zu unterstützen.<BR />Wir sind auch in der Katastrophenhilfe aktiv. Gemeinsam und gebündelt leisten wir Hilfe. Über unsere Kollegen vor Ort erfahren wir, was konkret gebraucht wird und welche Projekte unterstützt werden können.<BR /><BR /><b>Auch wenn Südtirol natürlich nicht direkt von solchen Krisen betroffen ist – ist Ernährungssicherheit auch hier ein Thema?</b><BR />D’Onofrio: Von Hunger können wir in Südtirol im Gegensatz zu den genannten Regionen natürlich nicht sprechen. Dennoch wird der Zugang zu bezahlbarer, gesunder Nahrung zunehmend auch hier ein Thema. Die gesellschaftlichen Ungleichheiten nehmen zu, und für manche Menschen wird es schwieriger, finanziell über die Runden zu kommen. Gesunde Ernährung wird dadurch oft zur Herausforderung, was negative Auswirkungen hat – etwa auf die Konzentrationsfähigkeit in Schule und Beruf. <BR /><BR /><b>Was kann jeder von uns konkret tun, um den Hunger in der Welt zu bekämpfen?</b><BR />D'Onofrio: Ein wichtiger Schritt ist die Vermeidung von Verschwendung. Wenn wir uns bewusst machen, wie wertvoll Nahrung ist, können wir achtsamer damit umgehen und weniger verschwenden – das hat eine globale Bedeutung.<BR /><BR />Spenden sind ebenfalls eine einfache Möglichkeit zu helfen. Unsere Caritas-Projekte, auch wenn sie klein sind, bewirken viel. Eine Mahlzeit für Schulkinder, Saatgut für Familien oder der Aufbau landwirtschaftlicher Genossenschaften – selbst kleine Beiträge können das Leben vieler Menschen verbessern.<BR /><BR /><b>Können Sie uns konkrete Erfolge der Caritas im Kampf gegen den Hunger in den letzten Jahren nennen?</b><BR />D'Onofrio: Im Jahr 2023 haben wir über 35.000 Kinder in Schulprojekten in Afrika unterstützt. Jährlich bauen wir dort etwa 30 Brunnen und Wassertanks. Derzeit laufen 38 Entwicklungsprojekte, vor allem im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1084329_image" /></div> <BR /><BR /><b>2023 hungerte etwa jeder 11. Mensch weltweit, was ungefähr 9,1 % der Weltbevölkerung entspricht. 1970 waren es noch 28 %. Diese Daten zeigen, dass es durchaus positive Entwicklungen gibt. Sind wir Ihrer Meinung nach auf einem guten Weg?</b><BR />D’Onofrio: Es könnte besser sein. Es ist wichtig, dass wir nicht nachlassen, nur weil die Tendenz positiv ist. Größere und schnellere Schritte sind notwendig. Aber ja, in den letzten Jahrzehnten wurden definitiv Fortschritte gemacht.<BR /><BR /><b>Welche Ziele setzt sich die Caritas für die Zukunft im Kampf gegen den Hunger?</b><BR />D’Onofrio: Wir machen weiter! Unser Ziel ist es, unseren Partnern Kontinuität zu bieten. Die Projekte sind langfristig angelegt und laufen über mehrere Jahre.