Petra Felderer, Schulsozialpädagogin im Schulsprengel Brixen-Milland, weiß einiges über Schulangst zu berichten – und hat auch Ratschläge für Eltern parat.<BR /><BR /><b>Wie häufig ist Schulangst?</b><BR /><BR />Petra Felderer: Sehr häufig. Meiner Einschätzung nach leiden etwa 10 Prozent der Schüler unter Schulangst oder Schulphobie (siehe dazu Bericht unten). Bei Grund- und Mittelschülern ist die Angst ganz oft verbunden mit Bauchschmerzen – diese Kinder haben das sogenannte „Schulbauchweh“. In solchen Fällen haben die Schüler tatsächlich Bauchschmerzen – vor Schulbeginn und in der Schule, es wird aber keine Ursache dafür gefunden. Oft hängen diese Bauchschmerzen mit Trennungsängsten von der Mutter oder dem Vater zusammen. Die Angst kann sich aber auch in Kopfschmerzen, Weinerlichkeit, Zittern, allgemeinem Unbehagen oder Unwohlsein äußern.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1121403_image" /></div> Petra Felderer, Schulsozialpädagogin: „Manchmal können Kinder das alles nicht begreifen und ihnen fehlen deshalb die Worte.“<BR /><BR /><BR /><b>Was kann man gegen Schulangst unternehmen?</b><BR /><BR />Felderer: Wenn ein Kind gar nicht mehr in die Schule gehen will, kann man versuchen, es wieder Schritt für Schritt hinzuführen, indem man es zuerst eine Stunde, dann 2 oder 3 Stunden in der Klasse lässt und es damit immer mehr an den normalen Schulalltag heranführt. Wenn eine Lehrerin bevorzugt wird, so kann man es mit den Stunden bei dieser Lehrerin versuchen. Falls ein Kind trotz Bauchweh in die Schule geht, ist es wichtig, dass man als Eltern jeden Tag mit dem Kind im Gespräch bleibt und nachfragt, sodass man als Eltern gleich erkennt, falls sich die Situation verschlimmert. Man sollte Fragen stellen wie: Wie ist es dir heute ergangen? Gab es etwas Besonderes?<BR /><BR /><b>Was kann man als Eltern noch tun – als erste Schritte?</b><BR /><BR />Felderer: Mit den Lehrern reden, ebenso mit einer Fachperson wie zum Beispiel der Schulsozialpädagogin und mit dem psychologischen Dienst Kontakt aufnehmen. Zu einem Jungen habe ich einmal gesagt: „Wenn du magst, komm zu mir jederzeit, ich bin für dich da, ich „trage„ dich durch den Tag“. Seither hatte er keine Angst mehr. Das war aber eine Ausnahme und ein Glücksfall.<BR /><BR /><b>Was sind denn typische Anzeichen für Schulangst bei den Kindern während des Unterrichts?</b><BR /><BR />Felderer: Solche Kinder scheinen in der Klasse abwesend zu sein und machen den Eindruck, als könnten sie dem Unterricht nicht mehr folgen, die schulischen Leistungen lassen nach, sie sind müde und unkonzentriert, weil die Angst im Vordergrund steht. Sie haben Angst, vor der gesamten Klasse Vorträge zu halten oder gehen – wie bereits erwähnt – teilweise überhaupt nicht mehr in die Klasse.<BR /><BR /><b>Welche Ängste sind bei Schülern noch weit verbreitet?</b><BR />Felderer: Angst, auf die Toilette gehen zu müssen, weil man bei den Toiletten in den Schulen unten durchsieht und auch alles durchhört. Manche rufen deshalb Vater oder Mutter an, damit sie vorzeitig heimgehen dürfen, weil sie in der Schule nicht aufs Klo gehen können. Viele Schüler haben sehr große Angst vor dem Erbrechen – weil sie selbst einmal erbrochen haben oder Mitschüler gesehen haben, wie sie erbrechen. Dieses Erbrechen des Mitschülers kann sie dann geschockt haben und sie fürchten, dass es ihnen auch passieren könnte. Diese Angst hängt dann oft auch mit der Scham vor den anderen Kindern – der Klasse – zusammen. <BR /><BR /><b>Kommt es auch immer wieder vor, dass Kinder gar nicht genau sagen können oder womöglich nicht sagen wollen, was ihnen Angst macht?</b><BR />Felderer: Ganz genau. Manchmal haben sie Angst, es zu sagen, und manchmal können sie das alles gar nicht begreifen und ihnen fehlen deshalb die Worte. Dann ist es höchste Zeit, mit dem Psychologen zu reden, weil das Kind „sprachlos“ ist. <BR /><BR /><b>Wie kann ein Psychologe dann helfen?</b><BR />Felderer: Durch vertrauensvolle Gespräche und geschickte Fragetechniken oder Rollenspiele (bei kleineren Kindern) auf die Problematik draufkommen.<BR /><BR /><b>Nehmen Ängste bei den Schülern insgesamt zu?</b><BR />Felderer: Ja, weil der allgemeine Stress zunimmt. Mit Handys und Videospielen erhalten die Kinder so viele Eindrücke, dass sie nicht mehr imstande sind, diese alle zu verarbeiten. Auch der Freizeitstress mit vielen Kursen kann die Kinder durcheinanderbringen. Und abends müssen sie dann oft noch Hausaufgaben machen. Auch der Stress der Eltern kann sich auf die Kinder übertragen.<BR /><BR /><b>Wie lange dauern Schulängste?</b><BR />Felderer: Manche Kinder haben es schon nach einigen Monaten verarbeitet, andere tragen es weiter bis in die Mittelschule und in die ersten Jahre der Oberschule. Auf Bauchweh folgen dann bei einigen Jugendlichen Schlafstörungen. Das kann ganz schlimm sein, wenn sie in der Nacht 5-mal aufstehen müssen. Oft sind sie dann am nächsten Tag den ganzen Tag über müde, und das hat dann Auswirkungen auf die schulischen Leistungen, aber auch auf die Freizeit. Sie treffen sich beispielsweise nicht mehr mit Freunden oder üben den Lieblingssport nicht mehr aus. <BR /><BR /><b>Und wie stark ist die Angst vor Prüfungen, Tests und Schularbeiten verbreitet?</b><BR />Felderer: Diese Angst ist auch weit verbreitet. Ein Beispiel hierzu: Ein Schüler wurde so nervös, dass ihn die Mutter zum Arzt bringen musste und er sich dann erst beruhigen konnte, sodass er am nächsten Tag in die Schule kommen konnte, um die Testarbeit zu schreiben. Er hatte vorher eine Woche gefehlt und Angst, so viel Lernstoff versäumt zu haben, dass er glaubte, die Prüfung nicht zu schaffen und eine 5 als Note zu bekommen.