Als Kammerjäger ist Kofler der Mann für alle Schädlingsfälle – wobei freilich „Schädling“ in Zeiten aufgewühlter Debatten über die politisch korrekte Sprache alles andere als diskriminierungsfrei klingt. Man müsste dem Toni eine Berufsbezeichnung empfehlen, die positiver klingt, wenigstens neutraler. Bei „Gift“ und „Schädling“ denkt man ja gleich an Mord und Totschlag! <BR /><BR />Dabei sieht Toni nett aus, aus seinen wachen hellblauen Augen blitzt der Schalk. Und dann kommt es ja immer auf die Perspektive an. Der größte Schädling, sagt Toni Kofler, sind wohl wir, homo sapiens, der vernünftige, kluge, kalkulierende Mensch!<BR /><BR />„Mal schauen“, sagt Kofler, und öffnet den Kofferraum seines Autos. Wir sind in Hafling bei unserem Sommerfrischhaus, wo meine Frau und ich Horrornächte wegen der im Dachboden versteckten Radaubrüder verbracht haben. Im Kofferraum und auf der zurückgeklappten Rückbank hat der Kammerjäger seine mobile Werkstatt: Gefüllte Kanister, Klebebänder, allerhand Sprays und Pulver, Fallen für jeden erdenkbaren Eindringling, etwa eine Schnecken- oder Wespenfalle: Letztere sieht aus wie ein Ei mit Loch, erstere wie ein Papierkorb mit Deckel. „Man gräbt sie bis zur Hälfte im Garten ein und füllt sie dann mit Bier und Salz, das lockt die Schnecken an“, sagt Kofler.<h3> Ratten in einem Hotel</h3> Angesicht dieses Arsenals an Vertilgungsmitteln und Tötungswerkzeugen leuchtet es ein, wenn Toni Kofler sagt, dass es vielen Kunden lieber ist, wenn er den Hintereingang benutzt. An diesem Morgen sei er bereits zur Rattenbekämpfung in einem Hotel gewesen, sagt Kofler. „Ich war um 6 Uhr da – sieht schließlich blöd aus, wenn im Frühstücksraum, wo später die Gäste Platz nehmen, der Gift-Mann hantiert.“ <BR /><BR />Eigentlich ist Toni Kofler schon in Pension. 1977 meldete er sein Unternehmen bei der Handelskammer an, das sei damals noch ganz einfach gewesen. „Ich besaß als erster in der Gegend eine Teppichreinigungsmaschine, einen riesigen Kasten, mit dem ich dann 14 Tage lang in einem Hotel unterwegs war“, erzählt Kofler. Nicht nur Teppichmilben und Teppichkäfer, auch Flöhe, Läuse und Fliegen nisteten sich in Teppichfasern ein. „Und dann gibt es ja nicht nur die Teppiche!“<BR /><BR /> Damals, sagt Kofler, sei ihm klar geworden: „Als Kammerjäger wird mir die Arbeit nicht ausgehen.“ Inzwischen seien bei ihm 4, 5 Leute in die Lehre gegangen, es gebe genug für alle zu tun. Da seien zum einen große Betriebe „wie etwa die Despar. Man übernimmt nicht einen Supermarkt, sondern alle Niederlassungen in der Provinz.“ Seinen Vorteil als Einmann-Betrieb beschreibt Toni Kofler so: „Große Gebäudereinigungs-Schädlingsbekämpfungsfirmen kommen mit vielen Maschinen, hängen ein gestempeltes Zertifikat an die Eingangstür und sind wieder weg. Ich gehe dorthin, wo es unangenehm ist, in die Keller und Dachböden.“ <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="797177_image" /></div> <BR />Das Tolle an seinem Beruf sei ja, dass jeder Fall speziell ist, sagt Kofler. „Man kommt an viele Orte, wird mit einem Problem konfrontiert – man muss verstehen, wo es hakt und dann eine Lösung finden. Das ist oft spannend.“ Wie etwa das Wespennest, das er vor einiger Zeit entfernt habe. Wespen nisteten sich gerne in Rollladenkästen, an der Hauswand oder im Dachgebälk ein. <BR /><BR />Besagtes Nest habe sich in der Erde im Freien vor einem Hauseingang befunden. „Zuerst schüttete ich Wasser hinein, sicher einen Hektoliter, es war nicht genug. Wespen bauen ihre Nester auch in aufgelassenen Maulwurfslöchern mit Verzweigungen. So groß war dann das Nest“, sagt Kofler und umschließt mit seinen Händen eine unsichtbare runde Kugel, wie ein Fußball. Apropos Bekämpfung, hm-hm, sagt der Kammerjäger, und verzieht jetzt sein Gesicht, als hätte er auf eine Zitrone gebissen: „Erdwespen stehen unter Naturschutz. Eigentlich ist es verboten, besiedelte Nester zu entfernen und die Wespen zu töten.“<BR /><BR /> Welchen Schädlingen rückt der Kammerjäger sonst noch auf den Leib? Da seien Mäuse, Schaben, Motten, Ameisen und Flöhe, nicht zu vergessen die Ratten, sagt Kofler. Neben der Kanalratte gebe es auch noch die Hausratte. „Sie ist buckliger und hat eine kürzere Schnalle als die Kanalratte. Obermais, das Villenviertel von Meran, ist voller Hausratten.“ Hört man dem Gift-Toni länger zu, wird einem bewusst, dass es neben der eleganten, gepflegten Menschenwelt auch noch das verborgene, dunkle Reich der ungeliebten Mitbewohner gibt. Es sieht so aus, als sei unser Kampf gegen sie letztlich vergeblich, eine Sisyphusarbeit.<BR /><BR /><embed id="dtext86-55452314_quote" /><BR /><BR /> „Die Ratten werden uns überleben“, sagt Toni Kofler. Beim Thema Bettwanzen wird es heikel. „Vor 50 Jahren galten sie bei uns als ausgestorben. Heute, wie soll ich es elegant ausdrücken: durch den internationalen Verkehr sind Bettwanzen ein Riesenproblem.“ Er meine das nicht abwertend, er sei selbst um die ganze Welt gereist. Andere Länder, andere Sitten, sagt Toni Kofler. „Die Menschen in südlichen Ländern haben eine andere Einstellung zum Ungeziefer. Sie arrangieren sich damit, akzeptieren es.“ <BR /><BR />Wie man Bettwanzen bemerkt? „Man hat dann nicht einzelne Stiche auf der Haut wie bei Mücken, sondern ganze Straßen“, sagt der Gift-Toni, und zeichnet eine Linie auf seinen Arm. Die Bekämpfung von Bettwanzen sei sehr aufwändig. Man müsse sämtliche Gegenstände in einer Wohnung, mit denen die Bewohner in Berührung kommen, also Matratzen, Kissen, Möbel, Kleider ecc. mit speziellen Apparaten „aufheizen“, erfahre ich. Hohe Temperaturen überleben Bettwanzen in allen Entwicklungsstadien nicht. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="797180_image" /></div> <BR /><BR />Uns soll Toni von den Krawallmachern unter dem Dach befreien. Tagsüber, so einfach ist es ja nicht, wirkt unser Sommerfrischhaus wie das reinste Idyll: Der Nachbarbauer hat seine Wiese gemäht, nun duftet das trocknende Gras. Von einem Lärchenwäldchen, wo Galtvieh weidet, dringt Glockengebimmel heran. <BR /><BR />Der Gift-Toni muss herausfinden, wer unser Plagegeist ist, und wo er steckt. Der Anhaltspunkt ist dieser Spalt am Zubau, wo ich bei der Ankunft einen sich bewegenden Schatten sah. Gift-Toni klettert auf eine Leiter und inspiziert das Loch. Er zupft etwas Sägemehl heraus und dann, klarer Fall für ihn: „Die Überreste von Ahornsamen, das waren Siebenschläfer.“ Was hingegen die Kratzspuren an den Balken betrifft – Toni tippt auf Marder. „Die gibt es heute massenhaft, überall. Weil es an jedem Haus Kabel und Rohre gibt, an denen sie emporklettern.“<BR /><BR /> Vor einer Woche, erzählt Toni, habe er einen Marder in einem Hotel im dritten Stock aus dem Liftschacht vertrieben. „Das ist mir noch nie passiert, es war Zufall: als ich anschließend durch die Eingangstür hinausging, genau in diesem Moment, kam der Marder angerannt.“ Um den Marder zu vergraulen, muss man ihm den Zugang verbarrikadieren. Marder gingen immer „Dach zu“, sagt Kofler. „Sie sind exzellente Kletterer, an Holz krallen sie sich fest.“ <h3> Mit detektivischem Spürsinn</h3>Jetzt, wo er sich daran erinnert, muss er lachen, weil deutlich wird, wie viel detektivischen Spürsinn ein Kammerjäger braucht. „Einmal rätselte ich, wie der Marder über eine nackte Betonwand bis zum Dach kletterte“, sagt Kofler, und führt pantomimisch vor, wie das Tier es machte. „Er kletterte an der Hauskante empor, links und rechts mit allen Vieren Gegendruck ausübend. Ich erkannte es an den Fettspuren.“<BR /><BR /> Kofler bohrt jetzt zwei oder drei winzige Löcher in die Bretter am Hausdach, unter denen der Marder sein Unwesen treibt. Dann zieht er mit einer Spritze ätherisches Eukalyptusöl auf. „Er sind sehr geruchsempfindlich. Das mag er nicht“, sagt Kofler, und spritzt die Flüssigkeit durch die gebohrten Löcher hinter die Bretter. Nichts bewegt sich – der Marder ist ausgeflogen. <BR /><BR />Ganz normal, sagt Kofler, der Marder bleibt nicht an einem Ort, er „wirkt“ an mehreren, die er dann turnusmäßig aufsucht. Damit er bei uns ausgewirkt hat, montiere ich ein Hasengitter vor das Einschlupfloch. Die folgende Test-Nacht ist wunderbar. Wir schlafen durch, gegen Sonnenaufgang weckt uns die Kuhglocken auf der Nachbarwiese. <BR />