Peter K. hat bereits Vieles in seinem Leben gemacht. Er arbeitete bei einem Gebäudeausstatter in Brixen, bis ihn eine schwere Blinddarm- und Bauchfellentzündung aus dem Arbeitsleben warf, weil er danach nichts Schweres mehr tragen durfte. „Also wurde mein Vertrag nicht mehr verlängert“, erzählt er. <BR /><BR />Eine Zeitlang habe er auch in Österreich gearbeitet, 2015 folgten 2 Jahre Praktikum in einem renommierten Südtiroler Unternehmen und „nebenher machte ich einen 2-jährigen Kurs zum Suchmaschinenoptimierer (SEO). Im Betrieb habe ich mich um die Webseite gekümmert, neue Produkte hineingestellt und Produktbeschreibungen verfasst. Nach den 2 Jahren konnte ich aber nicht eingestellt werden, weil der Arbeitsplatz für einen Menschen mit Behinderung vorbehalten war“, sagt Peter K. Anfang 2020 arbeitete er für 2 Jahre für eine Sozialgenossenschaft in Bozen, die im Webdesign tätig war. „Hier konnte ich auch meine Kenntnisse einbringen“, sagt er. Mit Ende des Praktikums landete er Anfang 2024 in Meran auf der Straße, denn ohne Praktikum konnte er sich auch sein Zimmer im Überetsch nicht mehr leisten.<BR /><BR />„Es war Winter, ich habe mir ein paar Kartons zusammengesucht, die von den Geschäften auf die Straße gestellt werden, und habe mir in Durchgängen, vor Büros oder aber auch im Bankomat-Vorraum einer Bank ein Plätzchen gesucht, das ein wenig Wärme abgab. Aber es kam auch vor, dass ich von einem Security-Dienst hinausgejagt wurde“, erzählt er. Oft sei er in Stiegenhäusern hinauf bis in den letzten Stock und habe sich hingelegt, „um zumindest nicht zu kalt zu haben und wo man ,a bissl a Ruhe hat‘“. Decke zum Zudecken habe er keine gehabt. Denn in seinem Rucksack mit seinen wenigen Habseligkeiten hatte nicht mehr Platz. „2, 3 Hosen, eine Jacke, ein Pullover und ,a bissl‘ Unterwäsche“, sagt er. Zum Übernachten eigne sich nicht das Stadtzentrum, sondern er sei immer „etwas außerhalb geblieben“, wo weniger Leute zirkulieren<BR /><BR />In ein Obdachlosenheim wollte er nicht mehr. Da war er bereits Anfang 2000 in Meran, „da war es noch gut“ und dann ein Jahr, 2017, im Obdachlosenheim in Bozen. Mittlerweile sei die Mehrzahl der Obdachlosen Einwanderer und das Zusammenleben funktioniere nicht. „Wir sind in der Minderheit und das kriegt man zu spüren“, sagt er und daher habe er die Straße vorgezogen. Morgens habe er gewartet, bis der Tagesclub der Caritas öffnet, um sich zu waschen oder „ich bin im Tenniscamp in den Duschraum hinein, bis sie mich verjagt haben“. Einkommen hatte er keines, er habe gebettelt, sagt er verschämt auf Nachfrage.<BR /><BR />Als Obdachloser, der nicht in einer Einrichtung lebe, habe er auch kein Anrecht auf ein Lebensminimum. „Und mit 90 Euro Taschengeld im Monat, kann ich mich nicht auf Arbeitssuche machen, die reichen nicht für die Fahrtspesen. Außerdem ist es sehr schwer als Obdachloser eine Arbeit zu finden. Den Rucksack mit den Habseligkeiten kann ich nicht mitnehmen. Und wo abends erholen? Da gibt es nichts, keine Bleibe“, sagt er.<BR /><BR />Als Obdachloser habe er bis gegen 23 Uhr und Mitternacht in einer Bar gewartet, bis er sich auf die Suche nach einem Nachtquartier machen konnte. „Wenn es gegen 17 Uhr dunkel wird und in den Häusern und Wohnungen Licht brennt, die Leute nach Hause rennen, dann wird es bitter, weil man selbst warten muss bis es fast Mitternacht ist, um sich ein Nachtquartier suchen zu können. Da spürt man sehr viel Leid und Traurigkeit in sich aufsteigen, ärgert sich über sich selbst und andere“, erzählt er. <BR /><BR />Familie habe er keine, sagt er. Seine Eltern, die nicht mehr leben, brachen den Kontakt ab. „Als ich, ich war Anfang 30, mit dem Gesetz in Konflikt kam, wollten meine Eltern nichts mehr von mir wissen“, sagt er. Mit einer Schwester gehe es gut, mit einer anderen gar nicht.<BR /><BR />Im Juli 2024 dann der endgültige Tiefpunkt. Peter K. merkte selbst, dass etwas nicht stimmte. „Ich konnte nichts mehr essen ohne zu brechen, schwitzte mich am ganzen Körper nass, hatte Fieber. Daraufhin suchte ich den Hausarzt im Sprengel auf, der mich untersuchte und mich mit einer Ambulanz in die Notaufnahme schickte. Diagnose: Lymphdrüsenkrebs“, sagt der Meraner.<BR /><BR />Bereits im August 2024 begann er mit der Chemotherapie. Dann ging es für den 56-Jährigen nach Tisens in die Reha. „Zuerst sollte ich nur einen Monat bleiben dürfen, dann wurden es doch 3 Monate“, erzählt er. Weil er keine Möglichkeit hatte, seine Wäsche zu waschen, meldete er sich bei der Vinzenzgemeinschaft. „Sie haben mir ganz unbürokratisch geholfen, im Oktober mit 150 Euro und im November mit 100. Damit konnte ich in einem Self-Service mein Gewand waschen und ein paar Dinge zur Körperpflege kaufen“, sagt er.<BR /><BR />Und mit seiner Erkrankung scheint sich Peters Lebensblatt endlich einmal zum Besseren zu wenden. Über Housing First der Bezirksgemeinschaft und die Gemeinde Algund wurde ihm eine Einzimmerwohnung zur Miete – 50 Euro – zur Verfügung gestellt. Zudem sind 150 Euro Wohnnebenspesen zu berappen. „Aber mittlerweile wurden mir auch 460 Euro Invalidenrente zuerkannt. Die werden zwar vom Lebensminimum abgezogen, aber das ist schon in Ordnung. Ab Februar könnte es sein, dass der Sozialsprengel noch die Hälfte der Wohnnebenspesen übernimmt“, meint Peter K. <BR /><BR />Und komme er mit den rund 400 Euro zum Leben im Monat zu Rande. „Jetzt geht‘s mir gut. Ich komme über die Runden. Ich kaufe viel Nudel und Reis, was halbwegs leistbar ist. Bei Gemüse tue ich mich schon schwerer mit den Preisen. Gewand kann ich mir nur sehr wenig leisten und Schuhe nur, wenn ich sehr billige kriege“, sagt Peter K. <BR /><BR />Von einer Krankenschwester im Day Hospital habe er Bettwäsche, Schrank, Bürostuhl und Geschirr bekommen. „Ihr Freund hat den Schrank montiert. Es gibt wirklich Menschen, die sich um andere kümmern.“ Er werde nun von Indipendent L begleitet, macht ab Februar eine Ausbildung zum Buchhalter – „auch wenn dieser Beruf in 4, 5 Jahren von der Künstlichen Intelligenz ersetzt werden wird“ – aber er versucht parallel neue berufliche Wege auszuloten. „Und wenn Leute etwas herzugeben haben, irgendwo helfen können, dann gibt es die Internet-Plattform ,Projekt normal‘. Da kann man im Tauschweg auch Hilfe, Kenntnisse und Erfahrungen anbieten.“ Er selbst wolle jetzt erst noch schauen, sich körperlich zu erholen. „Laut letzter Visite Ende Dezember sollte ich geheilt sein“, sagt Peter K. Und über sein Gesicht huscht für kurze Zeit Entspannung.