<BR />In den vergangenen Monaten häufen sich die Fälle von geflüchteten Familien – oft Mutter, Vater und kleine Kinder –, die in Bozen aus dem offiziellen Aufnahmesystem herausfallen und gezwungen sind, im Freien zu schlafen.<BR /><BR />Vor einigen Wochen mussten wir in einer Notsituation selbst für ein Hotelzimmer aufkommen, um zu verhindern, dass eine Familie die Nacht unter einer Brücke verbringt. Es war nicht das erste Mal – und leider wird es wohl nicht das letzte Mal sein –, dass wir Zimmer in Hotels oder Herbergen für obdachlose Familien bezahlen. Für uns als unabhängiger Verein, der nie öffentliche Fördergelder in Anspruch genommen hat, ist das eine erhebliche Belastung – zumal die Zimmerpreise in Bozen astronomisch hoch sind.<BR /><h3> Wie funktioniert die Aufnahme von Migrantenfamilien in Südtirol?</h3> Seit Jahren werden in Südtirol ankommende geflüchtete Familien in Hotelzimmern „untergebracht“. Dabei wird die Familie jedoch getrennt: Nur Frauen und minderjährige Kinder haben Anspruch auf eine Unterkunft, der Ehemann oder Partner muss draußen bleiben. Aus nachvollziehbaren Gründen entscheiden sich manche Familien dafür, nicht getrennt zu werden – und verlieren dadurch die (vorübergehende) Chance auf ein Zimmer. Die Anzahl der verfügbaren Zimmer ist zudem begrenzt. Wenn sie aufgebraucht sind, bleibt die betreffende Familie buchstäblich auf der Straße.<h3> Wer zahlt die Hotelzimmer?</h3> Die Provinz Bozen übernimmt die Kosten – jedoch nur für eine begrenzte Anzahl an Zimmern. Immer mehr Hoteliers zögern jedoch, ihre Zimmer für Obdachlose bereitzustellen – mit dem (unausgesprochenen) Argument, man könne keine wohlhabende deutsche Familie auf derselben Etage wie eine peruanische oder pakistanische Familie schlafen lassen.<h3> Ist das System nachhaltig?</h3> Nein – und das nicht primär wegen der Kosten, sondern wegen der geringen Verfügbarkeit von Zimmern, der prekären Gesamtsituation, der fehlenden langfristigen Strategie und der chronischen Unfähigkeit, über den aktuellen Zustand hinauszudenken.<BR />Was während der sogenannten Migrationskrise 2017/18 als Notlösung tragbar war, ist heute ein völlig unzeitgemäßes, teures und unwürdiges „Aufnahmesystem“.<h3> Warum halten die Institutionen an diesem System fest?</h3>Weil sie glauben, dass eine so prekäre Unterbringungssituation die Menschen langfristig dazu bringt, in andere Provinzen weiterzuziehen. Das passiert aber leider kaum. Wer nach Bozen kommt, hat oft bereits familiäre oder freundschaftliche Bindungen in der Region – und den Willen, sich in Südtirol niederzulassen.<h3> Wer verwaltet das Aufnahmesystem für Familien?</h3>Die ASSB (Azienda Servizi Sociali di Bolzano – Sozialdienste Bozen), die jedoch leider nicht immer mit den nötigen Kompetenzen ausgestattet ist und häufig erst reagiert, wenn es längst zu spät ist.<BR /><BR /><BR />Es gibt aber auch Alternativen: Beispielsweise die SPRAR-Projekte (heute „SAI“) in Verbindung mit den CAS (außerordentliche Aufnahmezentren). Diese Modelle gibt es in vielen Regionen Italiens – mit nachweislich guten Ergebnissen und deutlich geringeren Kosten für die Kommunen (siehe: <a href="https://www.retesai.it/" target="_blank" class="external-link-new-window" title=""> www.retesai.it</a>).<BR /><BR />Der ehemalige Bürgermeister Caramaschi war ein entschiedener Gegner der SPRAR-Projekte, weil sie – im Gegensatz zur Massenunterbringung in Hallen – auf die Stabilisierung der aufgenommenen Menschen abzielen.<h3> Brauchen wir diese Menschen überhaupt?</h3> <b>Ja – und das aus vielen Gründen.</b> Unabhängig davon, was wir persönlich über Bewegungsfreiheit und Menschenrechte denken (die wir als Italiener für uns selbst selbstverständlich in Anspruch nehmen), herrscht in Südtirol in zahlreichen Wirtschaftssektoren ein akuter Arbeitskräftemangel. Die allermeisten Geflüchteten kommen mit dem Wunsch, zu arbeiten – und natürlich auch, um ein Zuhause zu finden.<BR /><BR />Würde man tatsächlich massenhaft abschieben, würde die Wirtschaft in Südtirol innerhalb weniger Stunden kollabieren. Wir mögen das Argument „Migration = Arbeitskraft“ nicht – aber derzeit scheint es das einzige zu sein, das die immer lauter werdenden Rassisten und Faschisten zum Schweigen bringen kann, die unaufhörlich Hass und Fremdenfeindlichkeit verbreiten.