Außerdem spricht sie darüber, was mit Menschen im Ketamin-Rausch passiert, über die irreparablen körperlichen Schädigungen bei langfristigem Konsum von Ketamin und welche Drogen Jugendliche in Südtirol am häufigsten nehmen. Thematisiert wird auch der Schwarzmarkt, der besonders bei einem Stoff auffällig gut floriert. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="795638_image" /></div> <BR /><BR /><b>Frau Mahlknecht, Ketamin gehört zu den weniger bekannten Drogen. Was ist das für eine Substanz?</b><BR />Mahlknecht: Ketamin ist eigentlich ein in Italien legales, aber nicht verkehrsfähiges Medikament, ein Narkose- und Schmerzmittel, das überwiegend in der Tiermedizin und unter bestimmten Bedingungen auch beim Menschen Anwendung findet. Es kann nur von bestimmten Berufsgruppen wie Tierärzten und Anästhesisten kontrolliert erworben werden. Außerdem wird es im Ausland zur Behandlung von Schwerstdepressiven verwendet.<BR /><BR /><b>Ein Anästhetikum also, das als Droge missbraucht wird – auch in Südtirol?</b><BR />Evelin Mahlknecht: Ja, gerade Italien hat eine ganz lange Tradition, was Ketamin betrifft, auch Frankreich und England. Vor allem in der nomadischen Musikszene wurde der Stoff schon seit den 1970ger Jahren in Italien als Droge konsumiert. Lange Zeit kam es aus dieser Szene nicht heraus. Erst in den letzten 5 bis 10 Jahren hat sich das verändert und hat auch in andere Szenen Einzug gehalten. Nicht nur in den Clubs der europäischen Hauptstädte wie etwa Berlin, sondern auch in Südtirol. Beim Konsum als Rauschdroge wird Ketamin meist in Form eines weißen, kristallinen Pulvers gesnieft. Dabei wird es mit Hilfe eines Röhrchens oder eines zusammengerollten Geldscheins durch die Nase gezogen. Auch das Rauchen der Kristalle und das Spritzen der Flüssigkeit gehören zu den Konsumformen.<BR /><BR /><b>Wie wirkt Ketamin?</b><BR />Evelin Mahlknecht: Ketamin gehört zu der Gruppe von Psychedelica. Eine Substanz also, die die Wahrnehmung stark verändert und halluzinogene und sedierende (allgemein beruhigende bzw. aktivitätsdämpfende) Wirkung hat. Zudem hat Ketamin eine dissoziative, sprich eine Körper und Geist trennende Wirkung. Es besitzt also die Fähigkeit, das der Ich-Zustand in einem anderen Sinn wahrgenommen wird, das Ich aufgelöst wird oder dass das Ich in die Umgebung hineingezogen wird und sich alles vermischt. Und genau das ist die Wunschwirkung der Konsumenten. Hier muss ich klar sagen und das sagen wir auch den Konsumenten: Auf diesem Level hat diese Substanz absolut nichts auf einer Party zu suchen. Ketamin ist keine Partydroge!<BR /><BR /><b>Was ist das gefährliche daran, Ketamin auf Partys zu konsumieren?</b><BR />Evelin Mahlknecht: Ketamin und Party passen einfach nicht zusammen. Auch wenn es sehr, sehr niedrig dosiert kaum von der Wirkung von Alkohol zu unterscheiden ist, also enthemmend und eine leicht antidepressive Wirkung hat, kann es höher oder zu hoch dosiert schnell brenzlig werden. Und gerade hier liegt das Problem, denn es geht um Milligramm. Die Dosierung wird unterschätzt, also die Grenze zwischen „was ist wenig“ und „was ist viel“. Das wiederum hängt immer auch vom Stoff, von der Toleranz und individuell von Mensch zu Mensch ab. Und ganz wichtig: Ketamin darf nicht mit Alkohol oder anderen dämpfenden Substanzen wie Benzos oder Opiate eingenommen werden, dieser Mischkonsum ist sehr gefährlich.<BR /><BR /><b>Was passiert, wenn jemand zu viel erwischt?</b><BR />Mahlknecht: Konsumierende sind zeitweilig stark in ihrer Wahrnehmung und Bewegungsfähigkeit eingeschränkt, die Reaktionsfähigkeit schwindet, der Körper kann oft nicht mehr mitreagieren und wenn das Ich mit der Umgebung verschmilzt und die Grenzen zwischen dem Körper und der Umgebung verschwinden oder nicht mehr klar definierbar sind, ist die Gefahr von Unfällen hoch. Das ist auch der einzige Grund warum es durch Ketamin zu Todesfällen kommt, nicht aufgrund der Substanz an sich. Sehr gefährlich wird es, wenn man Auto fährt, sich in der Nähe von Wasser oder Abgründen aufhält. Außerdem mindert Ketamin das Schmerzempfinden. (Anm. d.Red. Beispielsweise hat sich in einem dokumentierten Fall in Deutschland eine Person Verbrennungen dritten Grades zugezogen, weil sie das Bewusstsein verlor und mit dem Gesicht auf einen elektrischen Grill zu Fall gekommen ist.) Die Botschaft lautet deshalb hier ganz klar und deutlich: Wer Ketamin konsumiert, soll sich einen absolut sicheren Ort suchen, wo es keinerlei Gefahrenquellen gibt und niemals alleine konsumieren.<BR /><BR /><b>Haben Sie Personen im Ketamin-Rausch erlebt? Wenn ja, wie sieht das aus?</b><BR />Mahlknecht: Ja, das habe ich. Von außen gesehen wirkt die Person, als hätte sie Lähmungserscheinungen, ist körperlich und motorisch extrem eingeschränkt, kann häufig nicht mehr sprechen und reagiert nicht wirklich. Es sieht nicht schön aus. Man hat das Gefühl, man müsse sofort eingreifen. Doch das, was die Konsumenten in diesen Momenten innerlich erleben, zeigen deren Erzählungen, wenn die Wirkung nach spätestens einer Stunde nachlässt. Denen ging es gut und erzählen dir die schönsten Geschichten, die einfach im extremen Gegensatz dazu stehen, wie es von außen gewirkt hat. Das ist auch der Grund, warum viele in diesem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert wurden, obwohl es medizinisch nicht notwendig gewesen wäre. Aber natürlich kann man das nicht immer richtig einordnen, viele erschrecken, wenn sie jemanden in diesem Zustand sehen und glauben natürlich, dass diese Person Hilfe braucht. Auch für uns als Fachkräfte ist diese Substanz herausfordernd.<BR /><BR /><b>Mit welchen körperlichen Schädigungen muss man rechnen, wenn man regelmäßig Ketamin konsumiert?</b><BR />Evelin Mahlknecht: Bei Ketamin ist die Toleranzbildung sehr hoch. Wenn man öfters hintereinander in kurzen Zeitabständen Ketamin konsumiert, braucht man recht schnell mehr, um die gleiche Wirkung zu erzielen.Bei längeren Konsum greift es die Leber und Niere an und bei sehr vielen treten Störungen am Harntrakt auf. Betroffene haben starke, krampfartige Bauchschmerzen und ständig den Drang, urinieren zu müssen oder sind inkontinent, nässen also ein. Ketaminkonsumierende sollten bei Blasenbeschwerden sofort den Konsum von Ketamin einstellen, manche Schäden lassen sich dadurch beheben, manchmal können sie aber trotz Ketamin-Stopp irreparabel sein. <BR /><BR /><b>Wie kommen die Jugendlichen in Südtirol an Ketamin?</b><BR />Mahlknecht: Wie bei allen Drogen gibt es auch hier einen großen Schwarzmarkt. Mittlerweile wird Ketamin auch extra für die Konsumenten illegal produziert. Daneben gibt es chemische Abwandlungen, woraus neue Substanzen entstehen, die ähnlich sind. Eines dieser Substanzen ist das sogenannte M-Ketamin. Es hat eine im Vergleich zum klassischen Ketamin längere Wirkung bei niedrigerer Dosierung, was ohne entsprechende Information ebenfalls gefährlich werden kann. <BR /><BR /><b>Welche Drogen werden von Jugendlichen in Südtirol am häufigsten konsumiert?</b><BR />Mahlknecht: Es gibt kaum einen Jugendlichen, der noch nie Alkohol getrunken bzw. ihn noch nie probiert hat. Die Partydroge Nummer 1 ist und bleibt Alkohol. Bei den illegalen Substanzen ist Cannabis ein großes Thema. Hier merkt man, dass sich der Umgang damit verändert hat. Warnende Botschaften werden belächelt. Gestiegen ist in den letzten Jahren definitiv der Konsum von Kokain – nicht nur in Südtirol, sondern in ganz Europa. Und ich gehe davon aus, dass dies nicht unbedingt nur aufgrund der Nachfrage passiert ist, sondern dass beim Kokain ein sehr gut organisiertes System dahinter steckt. Denn genau diese Organisationen haben es sogar in der Pandemie geschafft, ihren Markt aufrecht zu erhalten und die Koks-Konsumenten trotz Einschränkungen weiter zu beliefern. Das ist bis ins kleinste Detail durchorganisiert. Nach Kokain folgen Partypillen wie Ecstasy. <BR /><BR /><b>Und Ketamin...</b><BR />Mahlknecht: Gleich wie Heroin wird Ketamin im Vergleich zu den gerade genannten Substanzen noch selten konsumiert. Wir haben hier auch kaum Daten bzw. nur Daten von vor der Pandemie. Und diese Daten stammen von Umfragen, die wir auf einschlägigen Partys mit Konsumierenden gemacht haben, dementsprechend ist die Zahl hoch und spiegeln nicht die Gesamtheit der Jugendlichen wider. Laut diesen Daten waren es 30 Prozent der Personen, die schon einmal Ketamin konsumiert haben. <BR /><BR /><b>Ist der Drogenkonsum in der Pandemie gestiegen?</b><BR />Mahlknecht: Wir haben dahingehend keine Daten. Befragungen aus Nachbarländern weisen aber darauf hin, dass der Konsum nicht gestiegen ist. Was aber festgestellt wurde: Fragile Personen haben exzessiver zu Drogen gegriffen. Die Beratungsstellen sind voll, der Bedarf zu sprechen ist definitiv da.<BR /><BR /><b>An wen können sich Jugendliche mit Problemen mit Konsum wenden?</b><BR />Mahlknecht: Jugendliche können sich in Südtirol an verschiedene Einrichtungen wenden und sich beraten oder begleiten lassen: An das <a href="https://www.forum-p.it/de/willkommen-bei-uns-1.html" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Forum Prävention</a>, an <a href="https://www.lastrada-derweg.org/?page_id=1803&lang=de" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">„La Strada“ vor allem mit den Projekten Step und Exit</a>, an <a href="https://www.young-hands.it/de/" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Young Hands</a>, an die <a href="https://www.sabes.it/de/kontakt-sabes.asp?addt_apid=80255" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">SERDs, Dienste für Abhängigkeitserkrankungen</a> in Bozen, Meran, Brixen und Bruneck oder an die psychosoziale Beratung in Schlanders. Gute Anlaufstellen sind aber auch Jugendarbeiter*innen und Streetworker im ganzen Land. Wir vom Forum Prävention sind auch mobil unterwegs mit unserem Safer Nightlife Projekt <a href="https://www.forum-p.it/de/streetlifebz--1-462.html" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">streetlife.bz</a>, das direkt in den Nacht- und Freizeitszenen in ganz Südtirol präsent ist. Als mobile Interventionsform sensibilisieren wir die Besucher von diversen (Musik)-Veranstaltungen zu den Thematiken des legalen und illegalisierten Substanzkonsums, sexuell übertragbaren Krankheiten, das Verhalten im Nachtleben und die Vorbeugung von Notfällen im Zusammenhang mit Alkohol- und Drogenkonsum.<BR /><h3> <h3> </h3> </h3>