„Wir können uns kaum erklären, wie diese Vorfälle über einen langen Zeitraum unbemerkt bleiben konnten“, sagt Generalvikar Prälat Dietmar Giebelman am Donnerstag in Mainz.Der Begriff, mit dem er seine Sätze an diesem Tag häufig beschließt, ist „fassungslos“. Giebelmann will erklären wie es in einer katholischen Kita in seinem Bistum zu sexueller Gewalt unter Kindern gekommen sein soll und kann es nur mit Mühe.Traumatisierte Kinder im Alter von drei bis sechs JahrenObwohl die Erzieher erste Hinweise schon vor Monaten erhalten hätten, sei nichts nach außen gedrungen – es habe sich um ein geschlossenes System gehandelt. Ein System, das nun offenbar traumatisierte Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren hinterlassen hat.Ein System, das vergangene Woche, als die Pfarrei von den Vorfällen erfahren haben will, in einer Art Hauruck-Aktion schlagartig abgeschaltet wurde. Die Kita im Mainzer Stadtteil Weisenau ist geschlossen, den sieben Mitarbeitern wurde fristlos gekündigt.Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen möglicher Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflichten.„Perversitäten sexueller Gewalt“„Wie es geschehen kann, dass ein Gesamtgeist einer Einrichtung so umkippt und so im Grunde genommen verroht, weiß ich auch nicht“, sagt Giebelmann. Wenn es darum geht, was genau in der Kita „Mariä Königin“ vorgefallen ist, fallen nicht nur ihm die Worte schwer.Er nennt es „Perversitäten sexueller Gewalt“. Er beschreibt Handlungen, die mancher sich nur im Fall harter Pornografie vorstellen kann, sowie üble Gewaltandrohungen.Michael Huss, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Unimedizin Mainz, kennt den Katalog der Vorfälle. Auch er kann das Ausmaß kaum fassen. Das gehe weit über das hinaus, was man unter Doktorspielen kenne.„Dieses Verhalten ist nicht normal. Auch wenn ich meine Berufsjahre Revue passieren lasse, fällt das eindeutig aus dem Rahmen.“Für den Mediziner stellt sich angesichts der Berichte die Frage, ob Kinder in der Kita bereits Missbrauchserfahrungen gemacht hatten. Oder ob sie Pornofilme sahen. „Das Wichtigste für Eltern ist, den Kindern nun einen wirksamen Schutz zu geben und für sie da zu sein. Denn dieser Schutz hat offensichtlich in der Kita gefehlt“, sagt Huss.Mitarbeiter der Kita hätten nichts bemerktDie Chronik der Ereignisse geht laut dem Bistum so: Erst am Montag der vergangenen Woche habe die Pfarrei, die der Träger der Kita ist, von den sexuellen Übergriffen erfahren. Der Brief einer Mutter sei beim Pfarrer gelandet. Vorher sollen alle Hinweise nur bis zu den Erziehern und der Kita-Leitung vorgedrungen sein – ohne Konsequenzen. Noch am Abend sei dann entschieden worden, das Haus zu schließen.An diesem Mittwoch wurde der Fall schließlich eine großen Öffentlichkeit bekannt, als die „Allgemeine Zeitung“ aus Mainz darüber berichtete.Das Bistum geht nun vor allem mit den Mitarbeitern der Kita hart ins Gericht. Sie hätten darauf verwiesen, nichts bemerkt zu haben, sagt Giebelmann. Er kann es sich kaum erklären. „Wir können als Bistum nur sagen, dass wir schlichtweg so betroffen sind, dass wir uns in aller Form bei Angehörigen, Kindern und Eltern entschuldigen.“dpa