„Wir sind in großer Sorge“, sagt Dietmar Liensberger vom Dienst für Abhängigkeitserkrankungen am Krankenhaus Bruneck.<BR /><BR />„Immer mehr, immer gemischter und immer früher werden Drogen bei uns konsumiert.“ So fasst Dietmar Liensberger die Situation im Pustertal zusammen. Er ist leitender Arzt im Dienst für Abhängigkeitserkrankungen am Krankenhaus Bruneck und hat als solcher tagtäglich mit dem Themen Drogen und Sucht zu tun. „Der jüngste Patient, den wir in Bruneck behandelt haben, war 12 Jahre jung“, erklärt er. Und Jugendliche im Alter von 14 oder 15 Jahren seien gar nicht so selten. „Drogen sind aber beileibe kein Jugendproblem.“ Sie seien in allen Altersgruppen zu finden. Das bestätigt auch Gunther Niedermair, der Leiter des Jugendzentrums UFO in Bruneck.<BR /><BR />„Bei Jugendlichen allerdings ist der Drogenkonsum doppelt schlimm“, sagt Liensberger. Weil das Gehirn bis Mitte 20 in Entwicklung sei, „können Drogen im jungen Alter oft dauerhafte Schäden verursachen.“ Die Folge seien nicht nur körperliche Störungen, sondern nicht selten auch schwere psychische. „Der Betroffene kann ein Leben lang daran leiden.“<BR /><BR />Auch Martin Fronthaler weiß von immer jüngeren Betroffenen. Außerdem beobachtet der Leiter des Therapiezentrums Bad Bachgart in Rodeneck, dass immer öfter ein Mix von Drogen eingenommen werde, legale und illegale Drogen. „Manchmal passiert das auch, um die Nebenwirkungen bereits eingenommener Substanzen zu überlagern.“ Damit gelange der Betroffene in einen Teufelskreis, aus dem zu entkommen immer schwerer sei.<BR /><BR />Liensberger geht noch einen Schritt weiter, wenn er sagt: „Wir haben es mitunter mit Substanzen zu tun, von denen wir gar nicht wissen, worum es sich handelt.“ Das mache eine Behandlung sehr schwer. „Zudem ist die Rückfallquote bei Menschen mit einem Mischkonsum von Drogen sehr hoch.“<BR /><BR />Doch wie gelangt man an die Drogen? Und wie bezahlt man sie? „Geld ist offenbar da und die Möglichkeit, sich Drogen zu beschaffen, anscheinend auch“, erklärt Martin Fronthaler. Und Dietmar Liensberger stellt fest: „Es scheint so, dass es wirklich kein großes Problem ist, an die Substanzen zu gelangen.“<h3>Mehr Männer als Frauen</h3>Insgesamt seien Männer häufiger von Drogenproblemen betroffen als Frauen. Dieses Verhältnis gelte auch für die Jugend, sagt Dietmar Liensberger. Und Fronthaler fügt an: „Wir vermuten auch stark eine Zunahme junger Menschen als Dealer.“ Zumindest lasse sich das aus Therapiegesprächen mit Betroffenen ableiten.<BR /><BR />Die wohl am meisten konsumierte Droge in unserem Tal ist Kokain. Das war nicht immer so. „Der Kokainkonsum ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen“, stellt Martin Fronthaler fest. Dietmar Liensberger pflichtet ihm bei: „Das Kokainproblem wird immer größer.“ Und auch Peter Koler vom Forum Prävention stellt fest: „Im Pustertal ist Kokain gleich verbreitet wie anderswo im Land.“<BR /><BR />Neben dem Kokain stellen die Fachleute auch eine Zunahme der neuen Nikotinpräparate fest. „Diese haben ein enormes Abhängigkeitspotenzial“, erklärt Peter Koler. Auch Martin Fronthaler schätzt diese Präparate als sehr gefährlich ein.<BR /><BR />In diese Gruppe gehört auch das „Snusen“. Die Modedroge kommt aus Skandinavien, bei der gewürzter Tabak in Papier eingerollt und unter die Lippe geschoben wird. Dort verbleibt der Tabak (er ist etwa 3-mal so stark wie in einer Zigarette) eine Zeitlang, was neben Abhängigkeit auch Verfärbungen der Zähne und Krebserkrankungen im Mund hervorrufen kann.<BR /><BR />Groß im Umlauf seien natürlich auch Cannabis-Substanzen, erklärt Dietmar Liensberger. Es gebe immer weniger Leute, die damit noch nie in ihrem Leben einen Kontakt hatten. Das gelte leider auch für junge Menschen. Hier sei der Konsum besonders fatal. Denn dieser setze einen „Kreislauf nach unten“ in Gang, der bei nachlassenden Schulleistungen beginne und bis zu Justizproblemen führen könne.<BR /><BR />Dass das Drogenproblem bei uns groß sei, lasse sich auch da-ran ablesen, „dass noch nie so viele Leute in Substitutionsprogrammen waren wie heute“, erklärt Dietmar Liensberger. Dabei handelt es sich um Menschen mit einer Heroinsucht, welche die Droge durch ein ärztlich verschriebenes Mittel ersetzen.<BR /><BR />„Jedenfalls sind wir in großer Sorge, dass sich das Drogenthema im Pustertal weiter ausdehnt“, sagt Liensberger. „Noch werden viele Probleme von den Familien und Angehörigen aufgefangen, aber wenn das nicht mehr der Fall ist, dann haben wir auch bei uns die Leute auf der Straße.“