Was es bedeutet, auf der Flucht zu sein, hat die Frau, die heute in Rovereto wohnt, selbst erlebt. Sie hatte als Kind 1945 nach dem Foibe-Massaker aus Pola/Pula in Dalmatien fliehen müssen.<BR /><BR />Cristina und Francesco Bertoldi vom Kulturverein ACLI und Vizebürgermeister Ferdinando Stablum begrüßten im voll besetzten Saal der Stadtbibliothek Egea Haffner. Die ACLI-Jugendgruppe und der Verein hatten die Zeitzeugin mit der Schriftstellerin Gigliola Alvisi zum Tag der Erinnerung am 10. Februar eingeladen. <BR /><BR />Mit diesem Gedenktag erinnert Italien an den Exodus der italienischsprachigen Bevölkerung aus Istrien, Fiume/Rijeka und Dalmatien nach dem Zweiten Weltkrieg, an die Opfer der Foibe-Massaker und der Gewaltexzesse an Italiens Ostgrenze.<BR /><BR />Die Schriftstellerin Gigliola Alvisi, die sich wegen einer Zugpanne kurzfristig zur Veranstaltung entschuldigt hatte, hatte die Geschichte von Egea Haffner in dem italienischsprachigen Kinder- und Jugendbuch „Das Mädchen mit dem Koffer“ aufgeschrieben.<BR /><BR />„In der Nacht auf den 5. Mai 1945 klingelten Agenten der Abteilung der Volkssicherheit an unserer Tür. Sie stellten sich als Slavische Polizei vor und nahmen meinen Vater anscheinend für eine Formalität mit. Er zog sich damals nur schnell Jacke und Schal über“, berichtete Eggea Haffner. <h3>Schicksal des Vaters bis heute unbekannt</h3>Der Vater sei daraufhin für immer verschwunden. Ob auch er mit weiteren 20.000 Personen in den Karsthöhlen geworfen wurde, ist Egea Haffner bis heute unbekannt. <BR /><BR />Erst als Egeas Mutter etwas später in Pola/Pula eine Gruppe von Männern Titos mit dem Seidenschal des Vaters um den Hals sahen, sei der Familie klar geworden, dass der Vater nicht mehr heimkehren würde. <BR /><BR />„Mein Vater war aber kein Faschist“, unterstrich Egea Haffner, die nur ihre Geschichte erzählen möchte und sich auf keine politische Seite ziehen lassen will. Der Vater habe sich nichts zu Schulden kommen lassen. Er sei lediglich aufgefallen, weil er als Übersetzer immer wieder ins deutsche Kommando gerufen worden war.<BR /><BR />Für das Mädchen Egea Haffner begann ein Jahr nach dem Verschwinden des Vaters dann die Flucht. Vor der Abfahrt in Pola/Pula inszenierte der Onkel mit dem Familienfotografen ein Foto, das bei der Recherche für eine Ausstellung vor einigen Jahren in Rovereto entdeckt worden war und Egea Haffner daraufhin bekannt machte. Es zeigt Egea Haffner als Kind mit einem Regenschirm und einem Koffer in der Hand. Auf dem Koffer steht „Esule Giuliana 30.001“, womit der Onkel seine Vorahnung zeigen wollte, dass alle 30.000 Italiener die Stadt verlassen würden. <BR /><BR />Tatsächlich flüchteten 29.000 Italiener. Das Foto wurde zu einem Symbol für den Exodus, Egea Haffner seine Stimme. Auf der Flucht kam das Mädchen zuerst nach Sardinien, 1947 nach Bozen. Die Familie eröffnete in der Freiheitsstraße ein Geschäft. Anfangs schliefen sie dort zu viert. Monate später bekam die Familie ein Zimmer. Nach einem Jahr fanden die Flüchtlinge eine eigene Wohnung. Egea Haffner wurde Fremdsprachenkorrespondentin und zog mit ihrem Mann nach Mailand. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Rovereto.<BR /><BR />„Eine Flucht ist für ein Kind immer ein Einschnitt, der nie vergessen wird. Auch das Verzeihen ist nicht immer einfach. Deshalb sollten alle Menschen vorsichtig sein und Krieg nur als letztes Mittel zur Konfliktlösung nutzen. Krieg hinterlässt immer Wunden – vor allem bei den Kindern“, appellierte die Frau.