Die größte 3-tägige Bittprozession in Alttirol wird voraussichtlich im Jahr 2022 nachgeholt. <BR /><BR /><BR />„Es ist sehr schmerzlich, die heurige, alle 3 Jahre stattfindende Wallfahrt nach Säben absagen zu müssen“, sagt Alois Taibon aus La Pli de Mareo/Enneberg, der Verantwortliche für die Organisation dieser größten 3-tägigen Bittprozession in Alttirol. Er begründet die Absage mit der Corona-Situation, mit der Verantwortung für die Gesundheit der Pilger und der indirekt Beteiligten. <BR /><BR />Besonders heuer fällt der Verzicht auf diese zur christlichen Identität der Gadertaler gehörende Prozession sehr schwer. Zum letzten Mal hätten heuer auf Säben – nach 335 Jahren – die Benediktinerinnen die Pilger empfangen. Im Herbst verlassen (wie berichtet) die letzten 2 Verbliebenen des Konvents, Äbtissin Ancilla Hohenegger und Schwester Elisabeth, Säben. „Das ist auch für uns Gadertaler sehr traurig. Die Hüterinnen dieser Glaubensfeste haben uns immer freudig begrüßt und mit großer Gastfreundschaft aufgenommen“, bemerkt dazu Taibon.<BR /><BR /> Mit Freude und Stolz kehrten die Pilger, meist um die 1000 an der Zahl, mit der „Erba de Jenn“ (Buchszweigen-Röschen) in ihr Tal zurück. Das Sträußchen hatten die Klosterfrauen für jeden Pilger und für die mitgenommenen Kreuze der Pfarreien bereitgestellt. Dieser gesegnete Blumenschmuck wurde meist im Herrgottswinkel angebracht. Er soll nach altem Volksglauben vor Unglück und Hunger schützen sowie Ungeziefer abwehren. Die Säbener Klostergemeinschaft bewirtete zudem die teilnehmende Geistlichkeit, die Kreuzträger, den ältesten und jüngsten Wallfahrer. <BR /><BR />Die heurige ausgefallene Prozession soll im nächsten Jahr nachgeholt werden. Um den traditionsreichen Rhythmus der 3 Jahre aber einzuhalten, wird dann schon im Jahr 2024 wieder nach Säben gepilgert. <BR /><BR /><BR /><b>Eine bewegte Geschichte</b><BR /><BR />Die Wallfahrten nach Säben, der Urdiözese unserer Heimat, sind in der Bevölkerung besonders im Val Badia/Gadertal tief verwurzelt. Die „Prozesciun de Jenn“ gilt deshalb als beeindruckendes Beispiel religiösen Brauchtums.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="648455_image" /></div> <BR /> Im Gadertal bemüht man sich, dass aus jeder der Familien mindestens eine Person daran teilnimmt. Hinsichtlich des Alters dieser Bittprozession fand man in einer Messverordnung der Pfarrei La Pli de Mareo/Enneberg eine Eintragung aus dem Jahre 1503. Einige Indizien und Vermutungen weisen auf einen älteren Ursprung hin, aber es gibt bis heute keine weiteren schriftlichen Quellen. <BR /><BR /><b>Kaiserin erlaubte nur eintägige Wallfahrten</b><BR /><BR />An dem anstrengenden Pilgermarsch nehmen immer nur Männer teil. Ob auch Frauen mal teilgenommen haben, ist nicht belegt. Die Initiativen zu diesem, in vielerlei Hinsicht interessanten Kreuzgang gingen direkt von der Bevölkerung des Val Badia/Gadertal aus. Die Quellen belegen eine bewegte, wechselhafte Geschichte. <BR /><BR />Durch die politische Entwicklung im 18. Jahrhundert etwa wurden viele Wallfahrten abgeschafft. Sowohl die weltlichen Machthaber als auch die kirchliche Obrigkeit waren gegen bestimmte Prozessionen. Kaiserin Maria Theresia hatte u.a. nur mehr eintägige Wallfahrten gestattet. Die Prozession nach Säben wurde im Jahre 1778 in die Heilig-Kreuz-Kirche bei St. Lorenzen umgeleitet. Jahrelang war die Wallfahrt nach Säben ganz untersagt. <BR /><BR /><b>Seit 1896 findet Kreuzgang in der gleichen Form statt</b><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="648458_image" /></div> Als 1835 der Enneberger Dekan von La Pli de Mareo/Enneberg sie wieder aufleben lassen wollte, sprach sich die bischöfliche Kurie dagegen aus. 1861 wurde dann ein Katalog mit Verordnungen und Vorschriften für den Säbener Kreuzgang ausgearbeitet. Seit 1896 findet deshalb dieser Kreuzgang nun alle 3 Jahre, mit Ausnahme der 2 Kriegszeiten statt. Die Gadertaler der 12 Pfarreien pilgern in einem 3-tägigen Fußmarsch nach Säben. Ziel ihrer Wallfahrt ist die Heilig-Kreuz-Kirche auf dem heiligen Berg Tirols – mit dem aus dem 15. Jahrhundert stammenden Christus, einem Werk von Leonhard von Brixen. <BR /><BR />Die Katholische Männerbewegung des Tales hat in den 1980er Jahren ein Büchlein „Prozesciun de Jenn“ mit Gebeten und Liedern für den Kreuz-Bittgang herausgegeben. Er stellt für das ladinische Tal das höchste religiöse Gemeinschaftserlebnis dar. <BR /><BR /><BR /><b>Die drei Pilgertage</b><BR /><BR /><BR />Der Ablauf des 3-tägigen Pilgermarsches wird immer gut organisiert. Das Datum im Pilgerjahr wird im Frühjahr auf dem Pederoa-Markt festgelegt. In die Waagschale der Entscheidung fällt dabei die Schneelage auf den Übergängen zum Villnösser Tal und die einsetzende Zeit der Feldarbeit der bäuerlichen Bevölkerung. Die Wallfahrt wird meistens bis zur Juni-Monatsmitte abgehalten. Der Pilgerweg geht über 2 getrennte Routen für die Ober- und Untergadertaler bis nach St. Magdalena in Villnöß.<BR /><BR />Die Obergadertaler aus San Linert Badia/Abtei, La Ila/Stern, San Ciaschian/St. Kassian, Corvara, Colfasch/Kolfuschg treffen sich zuerst in in Pescol auf 1608 Metern Meereshöhe. Sie ziehen über das Joeljoch nach Longiarü/Campill, wo sich die Männer dieser Pfarrei anschließen. Der Weg führt weiter über die Almen Medalges zur Forcella de Munt de Furcia/Kreuzjoch auf 2293 Metern Meereshöhe, hinunter über Tschantschenon, Zans nach St. Magdalena. Im Quellgebiet Grube etwas oberhalb von Zans wird vorher noch gerastet. <BR /><BR /><b>In St. Magdalena vereinen sich die 2 Pilgerzüge</b><BR /><BR />Die Männer von La Pli de Mareo/Enneberg treffen in Longega/Zwischenwasser auf die Pilger von Al Plan/St. Vigil. In Antermeia/Untermoj vereint sich die Gruppe mit den Pilgern aus La Val/Wengen, San Martin de Tor/St. Martin in Thurn und Rina/Welschellen. Weiter geht es dann über das Ju de Börz/Würzjoch, Hasl und Col nach St. Magdalena. Dort vereinen sich die 2 Pilgerzüge zu einer großen Prozession. <BR /><BR />Es ist ein besonderer Moment, wenn sich die beiden Pilgerzüge mit den 12 Kreuzträgern der Pfarreien hinter der vorangetragenen Fahne von Heilig-Kreuz aus Badia/Abtei betend und singend sammeln. Nach einer Andacht geht der lange Zug bis St. Peter, wo er schon mit einem Prozessionsmarsch der Musikkapelle des Tales und festlichen Glockengeläut erwartet wird.<BR /><BR /><b>In Villnöß beziehen die Pilger ihr Quartier</b><BR /><BR /> „Ich freue mich immer, als Villnösser und Musikant mit einer Gänsehaut die betenden Gadertaler in St. Peter hinein zu begleiten“, sagt Bürgermeister Peter Pernthaler. Ganz Villnöß ist in Feierstimmung. Nach einer liturgischen Feier in der Dorfkirche und dem Singen des Liedes „Auf zum Schwur Tiroler Land“ verteilen sich die Pilger auf ihre Unterkünfte. <BR /><BR />„Wir werden in Villnöß immer besonders gastfreundlich aufgenommen: in Privathäusern, Höfen, Pensionen und Gastbetrieben. Wir wissen das sehr zu schätzen“, sagt Alois Taibon, der derzeitige verantwortliche Organisator des Kreuzganges. Rund 1000 Personen müssen für 2 Nächte untergebracht werden. <BR /><BR /><b>Um 4 Uhr morgens der Weckruf </b><BR /><BR />Der zweite Tag beginnt mit Glockengeläut um 4 Uhr, eine Stunde später beginnt der Abmarsch durch das Tal nach Klausen. Wenn der singende und betende Pilgerzug durch die engen Gassen zieht, die Glocken läuten, stehen die Klausner still und ehrfürchtig am Rand. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="648464_image" /></div> <BR /><BR />Der Aufstieg über den gepflasterten Wallfahrtsweg führt die Gadertaler zum höchsten Punkt Säbens in die Heilig-Kreuz-Kirche. Alle Glocken Säbens verbreiten mit dem Geläut die frohe Botschaft ihrer Ankunft. Da die Kirche nicht alle Teilnehmer aufnehmen kann, wird die Liturgiefeier mit Lautsprechern nach außen übertragen. Als Erinnerung an diesen Besuch auf Säben kann jeder Pilger die von den Klosterfrauen vorbereiteten Buchssträußchen mit Röslein mitnehmen. Damit werden auch die Pfarreikreuze geschmückt. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="648467_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Rückkehr nach St. Peter ist schwierigste Pilgeretappe</b><BR /><BR />Die Rückkehr nach St. Peter am Nachmittag über die Landesstraße macht diesen Tag zum schwierigsten Tag der 3-tägigen Wallfahrt. Im kommenden Jahr bietet sich für den Abschnitt St. Peter-Talausgang für den Hin- und Rückweg eine Variante im Tal an. Die Pilger bzw. Wanderer können 2022 eine über St. Valentin, Miglanz, Teis und Nafen geschaffene neue Trasse auf teils neuen Forstwegen gehen, teilt Bürgermeister Peter Pernthaler von Villnöß mit. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Der Heimmarsch</b><BR /><BR />Am dritten Tag wird frühmorgens der Heimmarsch angetreten. In St. Magdalena trennen sich der Obergadertaler und Untergadertaler Zug wieder und alle kehren – körperlich müde, aber innerlich bereichert – in ihre Heimatorte zurück. In ihren Pfarreien werden sie mit Freude und Stolz erwartet. Der Jahrhunderte alte Bitt-Kreuzgang der Gadertaler gibt vielen Menschen Kraft und Zuversicht. Er ist Stück der Identität nicht nur des Val Badia/Gadertales, sondern unserer Heimat Tirol. <BR />