<BR /><BR /><BR /><b>Der Heimatpflegeverband hat seine Jahreshauptversammlung heuer in Branzoll abgehalten. Warum?</b><BR />Claudia Plaikner: Wir setzen auf „Kultur gegen die Krise“. Jedes Jahr wählen wir einen anderen Ort aus, der eine entsprechende Botschaft vermittelt. In Branzoll wurde der alte Etschhafen zum Teil saniert und damit aufgewertet. Wir wollten mit der Versammlung in Branzoll die Flößerei als Kulturtechnik ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellen.<BR /><BR /><b>Worauf richtet sich die Aufmerksamkeit des Verbandes noch?</b><BR />Plaikner: In Südtirol läuft einiges nicht rund. Wenn wir so weitermachen, verbauen wir uns viel für die Zukunft – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Wir betrachten den Grundverbrauch mit großer Sorge. Über das neue, nun wieder zur Diskussion stehende Stadelgesetz würde die Zersiedelung nicht vermieden, sondern noch gefördert. Es wird rigoros vom ursprünglichen Prinzip abgegangen: Statt die Ortskerne aufzuwerten, wird die Möglichkeit geschaffen, die Urbanistik wieder nach außen zu tragen. Wir fordern stattdessen, dass entschiedene gesetzliche Maßnahmen ergriffen werden, um zu verdichten, um die leeren Kubaturen zu reaktivieren. Und auch der Bettenstopp funktioniert nicht.<BR /><BR /><b>Inwiefern?</b><BR />Plaikner: Hotelprojekte, die bis 2020 genehmigt waren, können noch umgesetzt werden. Auch hat das Land noch 8.000 Vorschussbetten genehmigt: Ich frage mich, wozu denn das? Südtirol hat bereits jetzt die meisten Betten pro Quadratkilometer im Alpenraum und die meisten Touristen im Verhältnis zu den Einheimischen. Mit seiner riesigen Anzahl an Betten ist Südtirol im Vergleich zu anderen Zonen in den Alpen Spitzenreiter. Auch haben die Tourismuszonen in den letzten fünf Jahren um knapp 50 Prozent zugenommen. <BR /><BR /><b>Der Tourismus ist für Südtirol schließlich ein wichtiges wirtschaftliches Standbein ...</b><BR />Plaikner: Ja, aber er ist auch sehr ressourcenintensiv. Nur ein Beispiel: Es werden immer mehr 4- und 5-Sterne-Hotels gebaut, mit Wellnessbereichen – man bedenke den hohen Wasserverbrauch. Auch gerät der Schutz von Natur und Landschaft oftmals ins Hintertreffen. Dabei kommen die Urlauber doch gerade zu uns nach Südtirol, weil es hier so schön ist. Damit es auch schön bleibt, darf der Schutz von Natur und Landschaft nicht ins Hintertreffen geraten. <BR /><b><BR />Sie können also nachvollziehen, dass in jüngster Zeit vermehrt Kritik am sogenannten Übertourismus laut wird? </b><BR />Plaikner: Das Unbehagen unter den Einheimischen in Bezug auf diesen „hitzigen“ Tourismus ist da, und wir sollten es auch ernst nehmen: In diesem Tempo können wir nicht mehr weitermachen. Wir haben voriges Jahr einen Sammelband mit dem Titel „Heimat oder Destination Südtirol?“ herausgebracht. Darin äußern 19 Experten ihre Sorgen, dass Südtirol ohne Kehrtwende im Tourismus als Heimat nicht mehr lebenswert bleibt.<BR /><BR /><b>Apropos lebenswert: Welche Rolle spielt in dieser Hinsicht der Verkehr?</b><BR />Plaikner: Eine große Rolle. Der öffentliche Nahverkehr müsste noch mehr gefördert werden, die Züge potenziert. Auch ist es bisher nicht gelungen, die Pässe auch nur zeitweise zu sperren. Stattdessen werden weiterhin hohe Summen in den Straßenbau investiert. Und wenn wir schon beim Bauen sind: Dass Südtirol erstmals Austragungsort von olympischen Disziplinen wird, ist schön, aber ursprünglich hat es geheißen, dass es dafür keine neuen baulichen Maßnahmen braucht. Und dann werden in die Infrastrukturen in Antholz Millionen von Euro hineingebuttert. Das Land hat einen Verkehrsplan und einen Klimaplan. Es müsste seine eigenen Pläne endlich ernst nehmen. Der Klimaplan ist ein erster Schritt: Südtirol braucht unbedingt ein Klimagesetz.<BR /><BR /><b>Weshalb? </b><BR />Plaikner: Es braucht rechtliche Verbindlichkeit, wenn wir bis 2040 klimaneutral sein wollen. Im Alpenraum steigt die Temperatur stärker als in anderen Gebieten. Weltweit wurde 2024 ein Temperaturanstieg von 1,5 Grad gemessen, in ein paar Jahren werden es 2 Grad sein. Wir müssen den CO2-Ausstoß reduzieren, denn sonst wird es irgendwann nicht mehr erträglich sein.