Am Donnerstag war ich bei der Eröffnung des Südtirol Festivals im Meraner Kursaal. London Symphony Orchestra, sinfonische Musik vom Feinsten von einem Weltorchester. Heute geht es, mal sehen, vielleicht in die Therme zum Saunieren, und am Abend darf es gerne ein Essen in der schicken kleinen Trattoria sein, die gerade eröffnet hat. Weshalb ich Sie mit meiner Freizeitplanung fürs Wochenende belästige? Weil sie exemplarisch dafür steht, dass – und das geht in der aktuellen Overtourism-Debatte leider etwas unter – Tourismus auch viel Gutes hat, nicht nur für Hoteliers und Gastronomen, sondern für uns alle. <BR /><BR />Wir alle sind Nutznießer des Tourismus, selbst wenn wir vordergründig nichts damit zu tun haben. Um das Sinfonieorchester zu hören, hätte ich ohne Meran als Tourismushotspot sehr weit fahren müssen, die Therme wäre in dieser Form gar nie gebaut worden, und die Auswahl an Bars, Bistros und Restaurants würde sich ohne Urlauber vermutlich überschaubar darstellen.<BR /><BR />Sicher, es geht auch ohne Kultur, Sauna, Restaurants, botanischen Garten, Schwimmbäder im Sommer und Skifahren im Winter – unser Leben wäre auf jeden Fall einfacher, aber wäre es damit automatisch besser? <BR /><BR />Auf der anderen Seite hat der Tourismus ganz klar auch Schattenseiten. Sich in diesen Tagen durch die Meraner oder Bozner Altstadt zu zwängen, macht keinen Spaß. Der Begriff Horror beschreibt es schon eher. Hat man es auf den verstopften Zufahrtsstraßen endlich einmal in die Stadt geschafft, dann steht man nun zu Fuß unter den Lauben erneut im Stau. Und die Preise in vielen Gaststätten haben letztens unverschämt angezogen – das hat nichts mehr mit höheren Energie- oder Personalkosten zu tun. Ein Restaurantpächter gab mir gegenüber unumwunden als Rechtfertigung zu: „Ja, wissen’s, jetzt ist Saison, jetzt sind die Touristen da.“ <BR /><BR />Der Tourismus wirft also Licht und Schatten, wenngleich derzeit in der öffentlichen Debatte eher die dunkle Seite betont wird. Ob diese wiederholte Overtourism-Kritik immer auf belegbaren Fakten beruht, sei dahingestellt. Aber es ist ein Gefühl, das sich in der Bevölkerung breitmacht und das es als solches ernst zu nehmen gilt. <BR /><BR />Und genau da hakt es: Der Tourismuslandesrat hat neulich in den sozialen Medien eine Anekdote erzählt, die er als Beleg dafür verwenden wollte, dass die Overtourism-Diskussion mehr oder weniger an den Haaren herbeigezogen sei. Ein Mann in einer touristischen Hochburg, der aber nicht vom Fremdenverkehr lebt, habe ihm erzählt, dass er überhaupt nichts gegen die vielen Urlauber habe. Hmm… als Einzelfall durchaus interessant, aber als Ableitung für einen südtirolweiten Trend wohl eher weniger geeignet. Auch beim HGV beschleicht mich das Gefühl, dass man in einer rigiden Abwehrhaltung verharrt, um das Problem kleinzureden. Die Leute würden gar nicht so negativ zum (Über-)tourismus stehen, das Ganze werde ihnen von gewissen Medien nur eingeredet. Dabei ist es genau umgekehrt: Medien nehmen die Stimmung aus der Bevölkerung auf und machen sie zum Thema. Solange Politik und Interessenverbände nicht wahrhaben wollen, dass die touristische Gesinnung in Südtirol zu kippen droht, solange werden wir von der Lösung des Problems weiter entfernt sein denn je.<BR /><BR /> <a href="mailto:klaus.innerhofer@athesia.it" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">klaus.innerhofer@athesia.it</a>