In dieser dreiteiligen Artikelreihe erzählt sie über den Unfall ( <a href="https://www.stol.it/artikel/chronik/zurueck-aus-dem-jenseits-wie-es-sich-anfuehlt-dem-tod-zu-begegnen" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Teil 1</a>), ihre unfassbaren Erlebnisse an der Schwelle zwischen Leben und Tod und davon, was es bedeutet, eine zweite Chance zu bekommen ( <a href="https://www.stol.it/artikel/chronik/zurueck-im-leben-wie-die-heimat-suedtirol-und-schokolade-innere-kraft-schenkten" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Teil 3</a>). <h3> Der Ausnahmezustand</h3>Nach der Operation, die trotz des plötzlichen Wachzustandes , gut verlaufen war, erinnert sich Katya an Chaos.<BR /><BR /> Man brachte sie auf die Normalstation, dort teilten sie sich zu sechst ein Vierbettzimmer. In diesem Zimmer erfuhr sie das erste Mal bei vollem Bewusstsein von Miriams Tod. <BR /><BR /><i>„Ich habe meinen Tata, der mich im Krankenhaus nach dem Unfall besuchte, damals gefragt, ob Miriam es geschafft hat. Er sagte nichts und ich wusste alles.“</i><BR /><BR />Nach dem Unfall fühlte sich Katya unwohl im Krankenhaus. Sie wollte nur nach Hause, hatte das Gefühl an diesem Ort nicht bleiben zu können.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1133859_image" /></div> <BR /> Danach erinnert sie sich an nichts mehr. Später erfuhr sie, dass eine Krankenschwester gegen sechs Uhr morgens ins Zimmer kam, um nach dem Rechten zu sehen. Bevor sie das Zimmer wieder verließ, machte Katya mit den Worten „Mir gehts nicht gut“ auf sich aufmerksam.<h3> Die Erfahrung mit dem Tod</h3>In diesem Moment erlitt sie eine akute Lungenembolie, ihr Herz hörte auf zu schlagen. Sie wurde sofort wiederbelebt und danach ins Koma versetzt. Katya Waldboth hatte sich vor diesem Erlebnis nie mit Religion oder dem Leben nach dem Tod beschäftigt. Für sie war Religion eher etwas für Menschen, die mit dem Leben nicht zurechtkamen. Das sollte sich in diesem Moment ändern. <BR /><BR />In dem Zustand zwischen Leben und Tod, als stünde man genau dazwischen, sah sie sich selbst von oben aus der Vogelperspektive. Ihren Körper liegend unter ihr, losgelöst von dem Rest. <BR /><BR /><i>„Es war ein eigenartiges Gefühl, denn bislang hatte ich mich immer mit meinem physischen Körper identifiziert. Doch jetzt lag ich dort unten, während mein Bewusstsein sich darüber befand und auf sich selbst herabsah.“</i><BR /><BR />Um sie herum war ein flimmerndes Licht in Regenbogenfarben. Sie empfand ein Gefühl grenzenloser Freiheit und Glück und konnte sich bewegen, wohin sie wollte, spürte aber gleichzeitig, dass sie keine physischen Sinne mehr hatte, sondern stattdessen eine andere, viel stärkere Form der Wahrnehmung. <BR /><BR />Sie konnte Gedanken lesen und wusste einfach alles. In diesem Zustand hörte sie Musik, die sie als Tschaikowski erkannte, ohne zu wissen, warum. Für sie fühlte es sich an, als würde Tschaikowski für eine höhere Macht spielen. Das Sterben war in diesem Moment etwas Süßes, das schönste Erlebnis, das sie je hatte. Sie wollte nicht zurück, wollte hierbleiben. <BR /><h3> „Du kannst hier nicht blieben.“</h3>Es erklang eine Stimme. Die Stimme war sehr klar und gesetzt, eher streng, wie von einem Richter. Jemand sagte ihr, sie könne hier nicht bleiben. Sie habe ihre Aufgabe noch nicht erfüllt. Als sie erkannte, dass es eine Wiedergeburt gibt, war ihr erster Gedanke: „<b><i>Scheiße, das gibt es also wirklich!“.</i></b><BR /><BR /> Es war keine Vorstellung, sondern eine unumstößliche Wahrheit. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie viel Glück sie hatte, in Südtirol geboren zu sein. Trotz aller Konflikte mit ihren Eltern wusste sie, dass sie dorthin zurückwolle. An den Ort, wo sie aufgewachsen war, wo sie unterstützt wurde und alle Möglichkeiten hatte.<BR /><BR />Dann kam der Moment der Rückkehr. Sie verstand, dass sie in ihren Körper zurückmusste. Sie dachte daran, dass ihr alle Wege offenstanden, dass sie alles werden konnte, selbst Astronautin, wenn sie wollte. Doch die Rückkehr würde sehr schmerzhaft werden, auch das wurde ihr in diesem Moment bewusst.<BR /><BR />Es fühlte sich an, als würde sie mit offenen Wunden und ohne Beine über scharfe Kieselsteine kriechen, was mit den unglaublichsten Schmerzen verbunden war, die Katya je verspührt hatte. In ihrer Wahrnehmung musste sie einen reißenden Fluss überqueren, um ans andere Ufer zu gelangen. Ihr war klar: Sobald sie auf der anderen Seite ankam, war es vorbei. <h3> Tagelang im Koma bei vollem Bewusstsein</h3>Nachdem sie es geschafft hatte, verlor sie jegliches Zeitgefühl. Das Nächste, woran sich Katya erinnert, ist, dass sie sich plötzlich wieder in ihrem Körper befand – auf der Intensivstation. In den ersten Tagen nahm sie zwar Stimmen wahr, konnte sich aber nicht bewegen. Sie spürte, dass Menschen um sie waren, doch niemand erkannte, dass sie bei Bewusstsein war. <BR /><BR />Das Einzige, was sie tun konnte, war jenen Finger zu bewegen, an dem der Pulsmesser angeschlossen war. Und dies war mit unglaublicher Anstrengung verbunden – jedes Mal, wenn sie das tat, piepste das Gerät und jemand kam zu ihr. <BR /><BR />Erst später erfuhr sie, dass ihre Eltern lange nicht wussten, wie ernst ihr Zustand wirklich war. Ihr Vater wurde zwar vom Krankenhaus informiert, dass Katya einen Unfall hatte, man sagte ihm zunächst aber nur, dass es sich um eine Beinverletzung handle. Erst als ihre Mutter ins Krankenhaus kam und sie nicht in ihrem Zimmer vorfand, wurde ihr klar, dass etwas nicht stimmte. Eine Krankenschwester begleitete sie zu jenem Arzt, der Katya gerade wiederbelebt hatte. Ihm rann der Schweiß über die Stirn.<h3> Die klare Botschaft </h3>Sechs Tage lang lag Katya im Koma. Ihre Familie war die ganze Zeit bei ihr – am stärksten spürte sie die Präsenz ihres Bruders und ihrer besten Freundin. Beide zweifelten nicht daran, dass Katya aufwachen und zurückkommen würde. „Dafür ist sie viel zu stur. Wenn sie nicht will, dann geht sie nicht“, so ihr Bruder. Sie erinnert sich an viele Details, hörte die Gespräche der Krankenschwestern und konnte nicht fassen, warum keiner verstand, dass sie bei vollem Bewusstsein war. <BR /><BR />Heute findet sie dafür klare Worte und richtet eine Botschaft an alle Angehörigen von Patienten im Koma.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1134144_image" /></div> <BR /><i>„Ich möchte allen Menschen Mut und Zuversicht zusprechen, die Angehörige oder Bekannte im Koma haben. Auch wenn diese oft keine Worte oder Gesten zeigen können, bin ich überzeugt, dass sie die Liebe und den Glauben, der ihnen entgegengebracht wird, spüren. Gebt die Hoffnung nicht auf – eure Nähe, eure Zuwendung und eure guten Gedanken erreichen sie auf eine Weise, die wir vielleicht nicht immer sehen, aber die dennoch da ist.</i>“<BR /><BR />Als sie aufwachte, begann der Weg zurück ins Leben.<BR /><BR /> <a href="https://www.stol.it/artikel/chronik/zurueck-im-leben-wie-die-heimat-suedtirol-und-schokolade-innere-kraft-schenkten" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Fortsetzung folgt in Teil 3 der Reportage.</a>