Im Kampf gegen die Pandemie lässt Südtirol die beste Waffe einfach mal links liegen. Alle Regionen Italiens sind mit der Schutzimpfung schneller unterwegs. Liegt es am Personalmangel, an Bürokratie und Pannen in der Sanität? Der Virologe Prof. Bernd Gänsbacher sieht den Hauptgrund an anderer Stelle. <BR /><BR /><i><BR /><BR />Interview: Stephan Pfeifhofer</i><BR /><BR /><b>Südtirol ist bei der Verabreichung der Impfdosen italienweit Schlusslicht. Ein wichtiger Grund dafür ist auch die Skepsis gegenüber dem Impfstoff. Warum ist die Skepsis in Südtirol so groß?</b><BR />Prof. Bernd Gänsbacher: Dafür gibt es viele Gründe. Angst, Skepsis, Falschinformationen und fehlendes Wissen über gute Informationsquellen. Hauptgrund der Skepsis ist, dass die Menschen nicht richtig informiert sind – also nicht die volle und richtige Information haben sowohl über den Impfstoff als auch über die Corona-Erkrankung und ihre Folgen. Sonst würden sich die meisten Menschen impfen lassen. Es ist sicherlich nicht so, dass die Südtiroler triftige Gründe haben, um sich nicht impfen zu lassen, die Menschen in anderen Regionen offensichtlich nicht haben.<BR /><BR /><b>Sie bemängeln, dass die Bürger nicht den Zugang zu diesen Informationen haben. Was sind die Gründe?</b><BR />Gänsbacher: Erstens wissen die Leute nicht, wo man sich informiert. Es gibt eine Lawine von Falschmeldungen im Internet, wenn man sich zu diesem Thema informieren will. Die wenigsten kennen die richtigen Quellen. Und zweitens informieren die Verantwortlichen die Bürger nicht richtig, denn sie reden fast nie über das Virus selbst und geben somit den Bürgern nicht die Möglichkeit, selbst mitzudenken. Die Bürger erhalten nicht die Informationen zu Themen wie: Wie breitet sich das Virus aus? Welche Maßnahmen haben in anderen Ländern funktioniert? Was weiß man über die neuen Virusvarianten? Wer trifft welche Entscheidungen und wer übernimmt Verantwortung für diese Schritte? Statt darüber zu informieren, gibt es immer nur Appelle an die Vernunft der Menschen, über Zahlen, die rauf und runter gehen. Man muss jedoch viel mehr in die Substanz des Wissens hineingehen und nicht darüber hinwegreden. Dass man eine Maske aufsetzen muss, ist ja logisch. Man muss den Menschen aber auch erklären können, warum die getroffenen Maßnahmen notwendig sind. Warum Hygiene wichtig ist, warum Abstand halten darüber entscheidet, ob man infiziert wird oder nicht. Auf alle diese Fragen gibt es Antworten und die müssen dem Bürger zugänglich gemacht werden. Antworten auf solche Fragen sind Informationen, die nützlich sind. Wenn dies alles nicht erklärt wird, dann verstehen die Bürger nicht, worum es wirklich geht. <BR /><BR /><embed id="dtext86-47448280_quote" /><BR /><BR /><b>Ein weiterer Grund für die schwache Impfbereitschaft sind die vielen Falsch-Informationen im Internet über die Impfung, die verbreitet werden.</b><BR />Gänsbacher: Es kursieren Informationen, bei denen ich den Eindruck habe, dass bestimmte Menschen absichtlich die Bürger terrorisieren wollen, – etwa, wenn behauptet wird, dass der Impfstoff fötales Gewebe enthält, oder dass Zellen genetisch verändert werden, und dass Frauen unfruchtbar geworden sind. So ein Unsinn! Aber ich kritisiere auch die Bürger, die so was glauben. Man hat eine Verantwortung im Leben und sich gründlich zu informieren gehört dazu. Wer will sich denn schon selbst bewusst anlügen?<BR /><BR /><b>Ist es nicht auch organisatorisch ein Armutszeugnis für den Sanitätsbetrieb, wenn die jetzt zur Verfügung stehenden Impfdosen nicht an den Mann gebracht werden?</b><BR />Gänsbacher: Mit diesem Vorgehen hat sich die Organisationskette der Sanität sicherlich keine Ehre gemacht. Was immer die Gründe und Probleme sind, Probleme sind da, um beseitigt zu werden. Im Englischen sagt man: life is problem solving. Leben ist Probleme lösen. Daran sollten sich alle halten. <BR /><BR />