Er sieht konkrete Möglichkeiten, die Bedingungen für Beschäftigte in der Privatwirtschaft langfristig zu verbessern. <BR /><BR /><b>Herr Tschenett, laut Astat ist die durchschnittliche Jahresbruttoentlohnung der Arbeitnehmer im privaten Sektor von 2013 bis 2023 um satte 8,5 Prozent zurückgegangen. Ist das trotz der jüngst abgeschlossenen Kollektivverträge weiterhin als Trend zu betrachten? <BR /></b>Tony Tschenett: Mit den Kollektivverträgen und jenen auf territorialer Ebene, die erst jetzt greifen, hat man einen Teil dieses Verlusts aufgeholt. Aber das ist sicher noch zu wenig. <BR /><BR /><b>Wo liegt das Problem? <BR /></b>Tschenett: Bei den Kollektivverträgen hinkt Italien hinterher. Zum Beispiel ist jener für den Bereich Handel 2019 verfallen, 2023 auf gesamtstaatlicher Ebene unterzeichnet worden und danach kam erst das territoriale Zusatzabkommen. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-72163476_quote" /><BR /><BR /><b>Was ist die Lösung?<BR /></b>Tschenett: Kollektivverträge sollten wie in Österreich jährlich verhandelt werden. Am Beispiel der großen Inflation von 2022 hat man gesehen: Wenn ich erst im Nachhinein Verträge abschließe, kann ich den Verlust nicht aufholen. <BR /><BR /><b>Tut sich was in Rom? <BR /></b>Tschenett: Für Italiens Haushaltsgesetz 2026 steht der Vorschlag im Raum, eine Steuererleichterung auf Lohnerhöhungen, die mit neuen Kollektivverträgen einhergehen, einzuführen. Das könnte den Abschluss neuer Verträge beschleunigen. Allerdings weiß man noch wenig über den Vorschlag – um langfristig etwas zu bewirken, sollte die Steuererleichterung jedenfalls nicht nur für einen begrenzten Zeitraum gelten. <BR /><BR /><b>Was kann man auf lokaler Ebene tun? <BR /></b>Tschenett: Mein Appell lautet: Verträge zeitig abschließen. Arbeitgeber auf lokaler Ebene sollten bereit sein, einen territorialen Arbeitsvertrag abzuschließen, noch ehe der gesamtstaatliche Kollektivvertrag unterzeichnet wurde. <BR /><BR /><BR /><b>Was tun, wenn später der gesamtstaatliche Kollektivvertrag kommt? <BR /></b>Tschenett: Dann sollte man bereits im territorialen Vertrag vorsehen, dass man sich zu dem Zeitpunkt erneut trifft, um die nötigen Anpassungen vorzunehmen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-72166820_quote" /><BR /><BR /><b>Was bei den Astat-Daten noch ins Auge fällt, ist die Lohnschere zwischen Führungskräften und Angestellten. <BR /></b>Tschenett: Die Schere ist weiterhin groß, wie auch im öffentlichen Bereichen. Ich glaube, da muss man eingreifen. Es kann nicht sein, dass in bestimmten Sektoren, unter anderem im Bereich der Reinigung, teilweise Bruttolöhne von unter zehn Euro pro Stunde gezahlt werden. Es wäre gut, wenn der Staat einen Mindeststundensatz einführen würde, wie in vielen anderen Ländern. <BR /><BR /><b>Warum lohnt es sich, Löhne zu erhöhen? <BR /></b>Tschenett: Niedrige Löhne heißt auch niedrige Renten. Mit dem steigenden Alter der Beschäftigten (der Anteil an Beschäftigten über 50 Jahren ist zwischen 2013 und 2023 von 16 auf rund 20 Prozent gestiegen, Anm. d. Red.) und ohne Lohnerhöhung ist die Armut vorprogrammiert.