In Deutschland wird bereits offen von einem Justizskandal gesprochen. Der Nürnberger Gustl Mollath hatte Ex-Mitarbeiter der HypoVereinsbank (HVB) mit Schwarzgeldvorwürfen überzogen und sitzt seit sieben Jahren in der Psychiatrie. Die HVB selbst hat in einem Verschluss-Bericht eingeräumt, dass an den Vorwürfen einiges dran ist. Der interne Bericht wurde in Deutschland vor wenigen Wochen publik.Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) will den Fall nun doch komplett neu aufrollen lassen. Sie veranlasste bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg, dass beim zuständigen Gericht ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt wird. Ein Ministeriumssprecher bestätigte am Freitag Informationen der „Augsburger Allgemeinen“. Anlass sind neue Hinweise auf mögliche Ungereimtheiten in dem Fall.Mollath selbst freut sich über die Wiederaufnahme seines Verfahrens. „Das hört sich natürlich sehr gut an“, sagte Mollath am Freitag dem Bayerischen Rundfunk. Denn das sei für ihn die einzige Möglichkeit, „eine wirkliche Freiheit letztendlich zu erreichen“. „Ich hab darum gekämpft vom ersten Tag letztendlich.“ Nur so könne er aus dem Teufelskreis herauskommen, in dem er sich befinde. Er sagte aber auch, dass er trotz der positiven Nachricht keinen Freudenschrei loslassen könne. Er wisse, dass noch ein langer, harter, umständlicher Weg vor ihm liegen werde. Er mache sich keine Illusionen, dass das Ganze ein „Wohlfühlprogramm“ werde. „Ich schaue da immer ein paar Kurven vorwärts, die man noch nehmen muss.“Unter welchen Voraussetzungen ein „durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenes Verfahren“ wieder aufgenommen werden kann, ist in der deutschen Strafprozessordnung klar geregelt. Einer der möglichen Punkte ist laut §359, dass es „neue Tatsachen oder Beweismittel“ gibt, die geeignet sind, ein milderes Urteil zu begründen. Eine Wiederaufnahme ist demnach auch möglich, wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich „einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat“.Die „Nürnberger Nachrichten“ berichteten am Freitag, dass die Anzeige Mollaths gegen seine Frau und weitere Mitarbeiter der HypoVereinsbank (HVB) 2004 auch bei den Nürnberger Finanzbehörden landete, dort aber relativ schnell als „erledigt“ zu den Akten gelegt wurde. Grund dafür sei ein Anruf aus der Justiz gewesen. Unter Berufung auf Behördenkreise schrieb das Blatt, der Richter, der damals im Fall Mollath urteilte, habe selbst bei den Finanzbehörden angerufen und darauf hingewiesen, dass Mollath nicht klar bei Verstand sei. Zu dem Zeitpunkt gab es allerdings das psychiatrische Gutachten noch gar nicht, das Mollath später unter anderem ein „paranoides Gedankensystem“ und Gemeingefährlichkeit attestierte.Mollath ist seit 2006 in der Psychiatrie untergebracht, weil er seine Frau misshandelt und Reifen zerstochen haben soll. Mehrere Gutachter haben ihm inzwischen Gefährlichkeit bescheinigt. Brisant ist der Fall, weil Mollath 2003 – nachdem er bereits angeklagt war – seine Frau, weitere HVB-Mitarbeiter und 24 Kunden beschuldigte, in Schwarzgeldgeschäfte verwickelt zu sein. Doch während die Nürnberger Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen einleitete, hat ein vor kurzem bekanntgewordenes HVB-Papier manche Vorwürfe Mollaths bestätigt.Der Sprecher der bayerischen Ministerin betonte, dass allein der neue Bericht der „Nürnberger Nachrichten“ Anlass für Merk gewesen sei, einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu veranlassen. Dieser Antrag wird von der Regensburger Staatsanwaltschaft beim dortigen Landgericht gestellt, das dann über eine mögliche Wiederaufnahme entscheidet. Bei derartigen Verfahren ist die Regel, dass die Justiz in einer anderen Stadt zuständig ist – verurteilt worden war Mollath in Nürnberg.Merk war wegen des Falls Mollath zuletzt massiv unter Druck geraten, es gab Rücktritts- und Rauswurf-Forderungen der Opposition. Eine Neubegutachtung des heute 56-Jährigen nach Bekanntwerden des HVB-Papiers hatte Merk bis vor kurzem als unnötig abgelehnt. Nun soll es aber auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein neues psychiatrisches Gutachten über Mollath geben – mit dem heutigen Wissen, dass dessen damalige Vorwürfe zumindest in vielen Teilen zutreffend waren.Die Landtags-Opposition nannte Merks Entscheidung überfällig. „Es ist höchste Zeit, dass damit wieder Bewegung in den Fall Mollath kommt“, sagte SPD-Fraktionsvize Inge Aures. „Es stellt sich schon sehr die Frage, wieso die Justizministerin ein Jahr wartet, bis sie jetzt unter dem wachsenden und inzwischen massiven politischen und öffentlichen Druck endlich aktiv wird.“ Die Rechtsexperten von Grünen und Freien Wählern, Christine Stahl und Florian Streibl, äußerten sich ähnlich. Streibl sagte: „Am Ende haben die Medien und die bayerische Opposition über das unerträgliche Verhalten der Ministerin gesiegt.“ Zugleich wiederholte Streibl seine Forderung nach einem Rücktritt. „Frau Merk muss jetzt ihren Hut nehmen – und zwar sofort.“apa