Ob den Grundbesitzern rechtliche Konsequenzen drohen oder dem Massentourismus Einhalt geboten wird, ist bislang unklar. Doch wie sieht die Rechtslage aus?<BR /><BR />Ein Anwalt, der namentlich nicht genannt werden möchte, betrachtet die Situation skeptisch. Wenn er sich selbst auch nicht als Experten für diesen Fall versteht, verweist er auf die allgemeinen Grundsätze des Durchgangsrechts, die offenbar auch für Wanderwege und -steige gelten. Zwei Aspekte seien hier besonders relevant: zum einen die Ersitzung eines Grundstücks, zum anderen die stille Zustimmung zur Nutzung. <BR /><BR />„Wenn ein Grundbesitzer jahrelang duldet, dass Menschen über sein Grundstück gehen, symbolisiert er damit sein Einverständnis. Das Gelände wird der Öffentlichkeit ,gewidmet‘ und zugänglich gemacht“, so der Jurist. Seiner Einschätzung nach hätten die betroffenen Grundbesitzer die Situation auf den Wegen lange stillschweigend akzeptiert. Eine nachträgliche Sperre sei daher rechtlich kaum durchsetzbar. <h3> Das Recht kennt keinen Unterschied in den Zahlen</h3>Der Tourismus hat in Südtirol stellenweise, so auch in Gröden, enorme Ausmaße angenommen, so viel steht außer Frage. Dass diese Entwicklung so manchem Grundbesitzer über den Kopf wachse, sei nachvollziehbar, erklärt der Jurist. <BR /><BR />Dennoch mahnt er: „Das Recht kennt keinen Unterschied in den Zahlen. Wie viele Wanderer, Pilzsammler oder Selfie-Touristen vorbeikommen, ist egal – wenn es sich um öffentliches Gelände handelt, kann jeder durchspazieren, der das möchte.“<BR /><BR />Offenbar wird gemunkelt, dass sich die betroffenen Grundbesitzer im Vorfeld anwaltlich über mögliche Konsequenzen beraten lassen haben. Die Einschätzung des anonymen Juristen: Ohne die genauen Gegebenheiten zu kennen, sei die Aktion der Grundbesitzer auf den ersten Blick rechtswidrig, besonders wenn es sich um einen AVS-Steig handle.<h3> Schlichtungsantrag als Lösungsansatz</h3>Ein möglicher Lösungsansatz liegt im Vereinbarungsschreiben zur Aufwertung, Instandhaltung, Verwaltung und Nutzung der Wanderwege in Südtirol, das unter anderem vom Alpenverein Südtirol (AVS), den zuständigen Landesräten und dem Landesverband für Tourismusorganisationen unterzeichnet wurde. Dort werden nicht nur Wanderwege genauestens definiert, sondern auch Pflege und Nutzung geregelt. Artikel 13 des Schreibens sieht bei Streitfällen die Möglichkeit eines Schlichtungsverfahrens vor. <BR /><BR />Die Schlichtungsstelle besteht aus drei Mitgliedern: einem Vertreter des Landes, einem des Südtiroler Bauernbundes sowie einem des betroffenen Wegehalters. Im Fall der Seceda bedeutet dies, dass gleich zwei Vertreter des Landes in der Schlichtung sitzen würden – denn Wegehalter des derzeit heiß diskutierten Weges Nr. 6 ist der Naturpark. Koordiniert wird die Schlichtungsstelle von der Landesabteilung Forstwirtschaft. <BR /><BR />Dessen Direktor Günther Unterthiner erklärt: „Sowohl die Wegehalter als auch die Grundeigentümer selbst können einen Schlichtungsantrag gemäß Artikel 13 stellen.“ Die Gemeinde hingegen sieht er eher in einer vermittelnden Rolle: „Sie soll Brandherde entschärfen und Konflikte beseitigen.“<BR /><BR />In der Vergangenheit konnten über dieses Verfahren bereits mehrere Konflikte beigelegt werden, die anfangs noch unlösbar erschienen – beispielsweise in Luns bei Percha, wo durch einen direkten Austausch eine einvernehmliche Lösung gefunden wurde. Auch gab es bereits ähnliche Diskussionen, die einvernehmlich in Abstimmung mit den Grundbesitzern in einer Verlegung von Wanderwegen oder auch dem Schaffen von Alternativrouten rund um Hofstellen resultierten. <h3> Situation auf der Seceda schwierig</h3>Den aktuellen Fall auf der Seceda bewertet Unterthiner als schwierig: „Wie es weitergeht, kann ich nicht sagen – ich kenne die Hintergründe zu wenig und weiß nicht, wie zugespitzt die Lage ist.“ <BR /><BR />Geld für den Zutritt eines Weges hatte bisher noch niemand verlangt. Ob sich also auf der Seceda ein langfristig tragfähiger Kompromiss ergibt, bleibt weiter offen. <h3> Seceda: Traumlandschaft oder Albtraumkulisse?</h3>Was einst als naturbelassenes Paradies für Alpinisten galt, hat sich heute zu einem der größten Touristenmagneten in Südtirol entwickelt. Besucher aus aller Welt strömen in die Dolomiten, vor allem, um Schnappschüsse zu knipsen und diese in den Sozialen Netzwerken zu teilen. Zwar hat der Tourismus der Region zweifellos wirtschaftlichen Aufschwung und Wohlstand gebracht, doch in den letzten Jahren häufen sich die kritischen Stimmen zu seinen Schattenseiten. <BR /><BR />Einer der betroffenen Grundbesitzer, der namentlich nicht genannt werden möchte, beschreibt in einem Brief an die Redaktion die offenbar untragbare Lage auf der Seceda. Wie der Grödner Bauer klarstellt, führt der aktuell heiß diskutierte Weg Nummer 6 auf die inzwischen wegen Steinschlag- und Murengefahr gesperrte Panascharte. Den ursprünglichen Zweck habe er durch die Sperrung verloren und diene „nur noch zur Belustigung und Unterhaltung von Foto-Touristen“. <BR /><BR />Wörtlich heißt es dann: „Wir sind seit mehreren Generationen Bergbauern im Nebenerwerb und bearbeiten mit viel Mühe seit Jahrzehnten die steilen Wiesen zwischen 2.300 und 2.400 Metern Meereshöhe.“ Die Heuernte erfolge aufgrund des unwegsamen Geländes bis heute in mühsamer Handarbeit. Nur dank des starken Zusammenhalts und der unschätzbaren Hilfsbereitschaft in den Familien sei die Bewirtschaftung der Flächen weiterhin möglich. <BR /><BR />Der respektlose Umgang seitens der Touristen habe bei einigen Grundeigentümern nun das Fass zum Überlaufen gebracht. „Sie machen sich auf unseren Flächen breit, durchqueren unsere Wiesen, nehmen Abkürzungen, wo es nur möglich ist, hinterlassen Müll und vieles mehr“, klagt der Bauer. <BR /><BR />Teilweise seien sogar Steinbrocken gelöst worden und manche Grünflächen derart zertrampelt, dass kein Grashalm mehr wachse. Auch Drohnen, die ständig über den Köpfen der Einheimischen fliegen, beeinträchtigten massiv deren Privatsphäre. In seiner Stellungnahme kritisiert der Bauer zudem die Betreiber der Aufstiegsanlagen. Die Öffnungszeiten seien bewusst verlängert worden, um die Profite zu steigern. <BR /><BR />„Seilbahnbetreiber, Almwirtschaften und alle Tourismustreibenden im Tal nutzen das zweifelhafte und nicht mehr zeitgemäße ,Betretungsrecht‘ in vollem Maße aus – und der Gesetzgeber steht leider auf ihrer Seite“, so der Grundbesitzer weiter. <BR /><BR />Ob das von einigen Grundbesitzern errichtete Drehkreuz rechtlich zulässig war, wird derzeit von der Gemeinde geprüft. Die Debatten zum nachhaltigen Umgang mit dem Tourismus und dem Schutz der Naturräume sind aktueller denn je.