Was gutes Eis ausmacht und was er mit Giancarlo Godio in der persischen Wüste machte, erzählt er uns im Interview.<BR /><BR /><b>Herr Munaretto, ein heißer Junitag beginnt. Genau Ihr Wetter?</b><BR />Antonio Munaretto: Jeder Tag ist ein guter Tag. Ach, wissen Sie, zu mir sagt man immer, ich sei kein Geschäftsmann, denn ich habe die gleichen Preise wie voriges Jahr. Bei mir gibt es das „Pallele“ Eis immer noch um 1,5 Euro, zwei um 2,5 Euro. Daher bin ich bei meinen Kollegen auch nicht so beliebt, weil ich mit den Preisen nicht hinaufgehe.<BR /><BR /><b>Sie heißen Munaretto und sprechen Südtiroler Dialekt. Wie das?</b><BR />Munaretto: Mein Papa stammte aus dem Cadore, meine Mama war aus Graz, ich bin in Meran geboren und zweisprachig aufgewachsen. Mein Vater fand damals Arbeit in der Pobitzer-Mühle, wir waren vier Kinder und daheim hatten wir nicht viel. Da bin ich oft zu den Klosterfrauen am Sandplatz, wo sie mir durch ein Fensterle eine Brotsuppe gereicht haben. Manchmal sagte eine Klosterfrau: ,Tonele, ich tu Dir a Stickl Fleisch hinein, sagst es halt niemandem‘. Da war ich so zehn Jahre alt. Weil ich fast 20 Jahre in Deutschland gearbeitet habe, denke ich oft auf Deutsch und übersetze ins Italienische. <BR /><BR /><b>Ihre Familie stammt aus dem Cadore, mit Zoldo die Wiege der Speiseeismacher. Wieso gerade dort?</b><BR />Munaretto: Vorweg: Leute von zwei Tälern, die sich nicht gut leiden können (schmunzelt). Dort hat man im Winter in Tunnels Schnee gelagert, den man im Sommer mit Honig – Zucker hat es nicht viel gegeben – oder Himbeersaft oder wilden Himbeeren zu einer Granita gemacht hat, das war eigentlich noch gar kein richtiges Eis. <BR /><BR /><b>Sie sind mit 13 Jahren zu Ihrem „Nonno“ nach Köln. Warum?</b><BR />Munaretto: Um ihm in seiner Eisdiele zu helfen. Ich habe alles von meinem „Nonno“ gelernt, ich habe noch sein Rezeptbuch. Er hatte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg eine Eisdiele in Köln. Die Halbgefrorenen-Rezepte sind noch von ihm. Als ich damals zu ihm bin, habe ich 29 Stunden mit dem Zug gebraucht, sechs-, siebenmal musste ich umsteigen. Meine Mutter hatte mir drei Flaschen Wasser mitgegeben, damit ich genug zum Trinken habe. Ich war viele Jahre dort, ich kenne Deutschland besser als Italien. <BR /><BR /><b>1963 sind Sie zurück nach Meran. Und dann?</b><BR />Munaretto: Dann habe ich meine Frau Herta kennengelernt (er nennt sie liebevoll ,Herti‘, eine gebürtige Stilfserin Anm. d. Red.) und wir haben in der Meinhardstraße eine Eisdiele aufgemacht, Cadore hat sie geheißen. Und zwei Jahre später haben wir sie verkauft, sind nach Tirol hinauf und haben die Eisdiele „Sabine“ aufgemacht. Seit 1996 betreiben wir die Eisdiele „Sabine“ hier in Meran, die Eisdiele in Tirol war uns einfach zu groß geworden. Im Schnitt war ich 12 bis 14 Stunden in der Eisdiele. Jetzt natürlich nicht mehr.<BR /><BR /><b>Was macht gutes Eis aus?</b><BR />Munaretto: Natürliche, hochwertige, frische Zutaten. Bio-Heumilch nicht H-Milch, keine Fertigprodukte, keine Bindemittel, keine Farbstoffe, künstliche Aromen oder Konservierungsmittel. Für mich sind das die „Gelaterie della forbice“: Das ,Paktl‘ oder Kuvert aufschneiden, das Pulver mit H-Milch anrühren und fertig. Das ist Chemie, nicht Handwerk. Eismachen ist Handwerk. <BR /><BR /><b>Wie erkennen Sie nicht-handwerklich hergestelltes Eis?</b><BR />Munaretto: Mit 70 Jahren Erfahrung brauche ich es gar nicht zu probieren, ich muss es nur anschauen. Qualität oder eben fehlende Qualität sieht man dem Eis an, schon allein wie es sich in der Vitrine präsentiert.<BR /><BR /><b>Wie schaute es in Meran mit Eisdielen aus, als Sie 1963 zurückkamen?</b><BR />Munaretto: Bis auf das Costantin, Fain und Vecellio gab es keine Eisdielen, auch nicht in den umliegenden Dörfern wie Schenna, Tirol, Algund oder hinauf bis Naturns und Prad. Die haben alle bei mir gelernt. Ich habe mindestens 100 Leute ausgebildet. Das Wichtigste, was ich meinen Lehrlingen immer mitgegeben habe, war mit natürlichen Zutaten zu arbeiten, auch wenn man mit dem Pulver aus dem ,Sackl‘ schneller ist, manche sind dem gefolgt, manche nicht.<BR /><BR /><b>Wie viel Liter Milch verbrauchen Sie pro Tag?</b><BR />Munaretto: 300 bis 400 Liter Milch und 100 bis 120 Liter Sahne. Wir machen drei-, viermal am Tag insgesamt 400 Kilo Eis. Denn Eis muss immer tagfrisch sein. Der Direktor des Südtiroler Milchhofs, von dem ich die Bio-Heumilch bekomme, kam einmal bei mir vorbei und meinte: ,Ich will sehen, wo Sie die Milch hinschütten, niemand braucht so viel Milch wie Sie.‘ An einem Tag hatte ich nicht genau jene Milch benutzt. Da kam eine Kundin zu mir, die jeden Tag kommt und immer eine Kugel Vanille-Eis isst, und sagte: ,Das ist nicht so cremig. Fängst du jetzt an zu sparen?‘ Da war ich baff. <BR /><BR /><b>Gönnen Sie sich auch jeden Tag ein Eis?</b><BR />Munaretto: Ja, jeden Tag zu Mittag ein ,Pallele‘ Schoko und ein ,Pallele‘ Zitrone oder Nuss.<BR /><BR /><b>Was tut ein Eismacher im Winter?</b><BR />Munaretto: Früher war ich da viel unterwegs. Ich war sicher 30 Winter in Südamerika in Hotelfachschulen unterwegs, meistens in Santiago de Chile, Buenos Aires oder Lima. Ich spreche Spanisch. Ich war aber auch in China, dort ging es mehr um Hygiene bei der Speiseeisherstellung. Ich war auch in Indien. Da hatte ich ein besonderes Erlebnis. Ich saß in einem Restaurant und aß und zwei kleine ,Mädelen‘ haben mich von der Tür aus angeschaut. Ich wollte sie zum Essen einladen. Aber der Kellner verneinte und meinte, die dürften nicht herein, weil sie von einer unteren Kaste wären. Also habe ich den Tisch nach draußen tragen lassen und wir haben gemeinsam gegessen. <BR /><BR /><b>Stimmt es, dass Sie dem Schah von Persien und seiner Frau begegnet sind?</b><BR />Munaretto: Ja, als der Schah Anfang der 1970er Jahre ein großes Fest zu 2.500 Jahren Persien mit 20.000 Leuten in der Wüste feierte, war auch Giancarlo Godio als Koch dabei und er hat mich mitgenommen. Da kam Kaiserin Farah Pahlavi zu mir und fragte, ob es denn kein Kastanienparfait mehr gebe – sie hat besser Deutsch gesprochen als ich, auch der Schah sprach übrigens sehr gut Deutsch. Ich erklärte ihr, dass ich keine Kastanienpaste mehr hätte. Worauf sie wissen wollte, wo genau in Frankreich man diese kaufen könne. Und schon am nächsten Tag hatte ich wieder Kastanienpaste fürs Parfait. Ich glaube, sie wurde gar mit einer Concorde eingeflogen. Godio war für kleine Fleischspieße zuständig. <BR /><BR /><b>Und woher kennen Sie Starkoch Alfons Schuhbeck?</b><BR />Munaretto: Ach, Schuhbeck, der arme Teufel, war ja im Gefängnis. Ich habe erst letzte Woche mit ihm telefoniert, wir sind befreundet. Also das war so: Als er einmal nach Meran kam, kam er zu mir in die Eisdiele und meinte: ,Das Eis draußen in Deutschland kann man nicht essen und ich kenn’ mich beim Eis nicht aus.‘ Also bin ich hinaus nach München und hab einer seiner Köchinnen das Eismachen beigebracht, die hat es dann verdammt gut gemacht. Danach meinte Schuhbeck: ,Toni, was kriegst jetzt dafür?‘ Und ich sagte: Nichts, denn ich lebe ja nicht davon. Mein „Nonno“ hat immer gesagt: Wer etwas kann, bringt es dir umsonst bei. Wer nichts kann, der verlangt Geld dafür. Da war Schuhbeck baff.