Allein im Jahr 2022 wurden vom Bozner Landesgericht 234 Annäherungsverbote oder Wohnungsverweise erlassen. „Die Erwartung, dass solche Straftaten völlig verhindert werden könne, ist aber reine Utopie“, sagt Staatsanwalt Bisignano.<BR /><BR />Der Mord an der 21-jährigen Celine Frei Matzohl wirft nach wie vor Fragen auf. Vor allem der Schutz der Opfer in solchen Fällen von Gewalt an Frauen wird immer wieder in Frage gestellt. <BR /><BR />Dabei steigt die Zahl der Ermittlungen, die die „Arbeitsgruppe Schutz der Personen und Gesundheit“ der Bozner Staatsanwaltschaft einleitet, von Jahr zu Jahr. Waren es 2020 noch 587 Fälle von Misshandlung, Stalking oder Sexualdelikten denen man nachging und in den allermeisten Fällen auch tätig wurde, ist die Anzahl der Ermittlungen und Verfahren gegen mutmaßliche Stalker und Misshandler im Vorjahr auf 630 gestiegen.<h3> Opfer muss Aussage machen</h3>„Solche Straftaten haben oberste Priorität“, sagt Axel Bisignano, stellvertretender Leitender Staatsanwalt in Bozen und Leiter der Arbeitsgruppe, die es seit nunmehr rund 15 Jahren gibt. Der vom Gesetz vorgesehene Iter ist in solchen Fällen ein klarer. „Bei einer Anzeige von Misshandlung, Stalking oder eines Sexualdeliktes wird der Fall schon von den Polizeiorganen sofort als Codice Rosso eingestuft und als solcher gleich an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet“, erklärt er. Dort wird sofort ein Ermittlungsakt eröffnet. <BR /><BR />„Voraussetzung ist aber immer, dass das Opfer bereit ist, eine Aussage zu machen“, richtet Bisignano einen Appell an die Frauen. Vielfach würden Anzeigen wieder zurückgezogen oder weitere Episoden gar nicht mehr zur Anzeige gebracht, wie im Fall der 21-jährigen Celine Frei Matzohl. Auch sie hatte gegen Omer Cim Anzeige erstattet, seine folgenden Stalking-Aktionen aber nicht mehr gemeldet. Vom Gesetz her hätte aber nur in dem Fall eine Vorbeugemaßnahme getroffen werden können.<h3> „Diese Erwartung ist Utopie“</h3>Ob Celine Frei Matzohl dadurch gerettet hätte werden können, bleibt fraglich. Im Schnitt dauere es laut Bisignano eineinhalb bis 2 Monate zwischen Antrag und Erlass einer solchen vorbeugenden Maßnahme. Fakt ist, dass die Anzahl der vom Bozner Landesgericht verhängten Vorbeugemaßnahmen, die vom Annäherungsverbot über Hausarrest bis hin zu Haft reichen, deutlich angestiegen ist: von 165 im Jahr 2020 auf 234 im Vorjahr.<BR /><BR />„Die Erwartung von Gesellschaft und Politik, dass all diese Straftaten verhindert werden können, ist dennoch reine Utopie“, sagt Bisignano und nennt den Mordfall Barbara Rauch als Paradebeispiel. Gegen den inzwischen verurteilten Täter Lukas Oberhauser sei zunächst ein Annäherungsverbot verhängt worden. Als er gegen dieses verstoßen hatte, wurde er unter Hausarrest gesetzt. <BR /><BR />Aus dem sei er entlassen worden, nachdem ein psychologisches Gutachten bei Oberhauser eine Besserung bescheinigt hatte. Über Monate hinweg habe sich Oberhauser ruhig verhalten, bis die Lage dann plötzlich eskaliert sei. Der Druck, der auf Justiz und Staatsanwaltschaft laste, sei in solchen Fällen jedenfalls enorm.<BR /><BR />Und der dürfte noch weiter steigen. Vor allem, weil man in der Bozner Staatsanwaltschaft inzwischen vor einem veritablen Personalproblem steht. Zu Spitzenzeiten waren es 5 Staatsanwälte, die sich in Bozen in der sogenannten „Roten Arbeitsgruppe“ im Speziellen um solche Fälle gekümmert haben. Eine solche Arbeitsgruppe wird es aber ab Dezember nicht mehr geben. Anstelle der für Bozen vorgesehenen 12 ordentlichen bzw. leitenden und 12 ehrenamtlichen Staatsanwälte werden es dann nur mehr deren 5 plus einem einzigen ehrenamtlichen Staatsanwalt sein. „Solche Fälle werden trotz allem aber auch weiterhin alleroberste Priorität haben“, unterstreicht Bisignano.<BR />