Sparber arbeitet derzeit selbst an einem neuen Entwicklungsprogramm für die Landeshauptstadt Bozen mit. <b><BR /><BR />Wohin geht die Reise in Sachen Mobilität?</b><BR />Wolfram Sparber: Das große Ziel ist eine Mobilität mit null Emissionen, weg von fossilen Brennstoffen. Aber nicht nur. Es geht auch darum, vor allem in den Städten, den Bürgern Fläche zurückzugeben und dabei trotzdem einen flüssigen Verkehr zu garantieren. Um beides zu erreichen, müssen wir künftig Mobilität anders denken als bisher. <BR /><BR /><b>Mehr Fläche für den Bürger – was bedeutet das konkret?</b><BR />Sparber: Bisher waren unsere Städte stark auf das Auto ausgerichtet: möglichst viele Straßen und viele Parkplätze. Das fördert nicht nur mehr Verkehr, es nimmt auch jede Menge Fläche in Anspruch, die uns für andere Dinge – etwa Parkanlagen, Fußgängerzonen, Fahrradwege, Grünflächen und vieles mehr – fehlen. <BR /><BR />Solche Flächen sind aber gut für die Lebensqualität – und erfüllen zudem Aufgaben, die gerade angesichts des Klimawandels immer wichtiger werden. Denn es muss zum Beispiel auch darum gehen, Flächen zu entsiegeln, damit auch große Regenmengen aufgenommen werden können. Und ein ganz großes Thema, das mit dem Klimawandel auf uns zukommt, ist die Hitze. Grünflächen und schattenspendende Bäume sorgen für Abkühlung. Das wird immer wichtiger werden, damit unsere Städte auch im Sommer noch Lebensqualität bieten. <BR /><BR /><embed id="dtext86-70386742_quote" /><BR /><b><BR />Sie sagten auch, es geht um mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer?</b><BR />Sparber: Ja, absolut. Strecken zu Fuß oder per Rad zurückzulegen, muss attraktiver werden. Und wir müssen auch der zunehmenden Vielfalt Rechnung tragen. Denn mittlerweile gibt es viel mehr als nur das Rad. Angefangen vom Roller – der den großen Vorteil hat, dass er sehr bequem auch in den Öffis mitgenommen werden kann – über das E-Bike bis hin zu sogenannten Cargo-Bikes wird die Bandbreite immer größer. <BR /><BR />Die Ansprüche an die Infrastrukturen ändern sich damit. So kann man mit E-Bikes zum Beispiel längere Strecken und mehr Höhenmeter zurücklegen, ohne ins Schwitzen zu kommen – und so auch weitere Anfahrten zum Arbeitsplatz mit dem Rad erledigen. Cargo-Räder wiederum passen in keine „normalen“ Fahrradständer, können aber in vielen Fällen ein Kleinauto ersetzen. Sollen sie künftig vermehrt für Transporte – nicht nur der Kinder, sondern auch kleinerer Gegenstände – genutzt werden, braucht es Abstellmöglichkeiten. <BR /><BR /><embed id="dtext86-70386748_quote" /><BR /><b><BR />Werfen wir einen Blick auf die Öffis. Was tut sich da?</b><BR />Sparber: Bereits voll im Gange ist die Digitalisierung der Informationen. So lässt sich mit einem Klick bequem herausfinden, wann man mit welchem öffentlichen Verkehrsmittel am schnellsten von A nach B kommt. Das macht die Nutzung der Öffis unkomplizierter. Zudem gibt es jede Menge innovativer Konzepte über die herkömmlichen Öffis hinaus: den verstärkten Einsatz von Kabinenbahnen, Kleinbusse im ländlichen Raum, fahrerlose Taxis, die in einigen Ländern der Welt bereits im Betrieb sind, oder – etwas futuristischer – autonom fahrende und hochflexibel gesteuerte Fahrzeugkapseln, die sich beliebig miteinander koppeln lassen und nachfragebasiert zur Verfügung stehen: von der einzelnen Kapsel bis zum gekoppelten Zug. Und das Ganze kann dann noch ergänzt werden durch „Share-Mobility“ für Auto, Fahrrad, Roller ... Das ist gut für den Geldbeutel der Bürger und hilft wieder, (Park-)Fläche zu sparen. Es gibt also jede Menge Entwicklungspotenzial. <BR /><BR /><b>Alles zusammen macht Verkehrsplanung dann aber sehr komplex. An welchen Modellen kann man sich schon orientieren?</b><BR />Sparber: Verkehrsplanung vernetzt sich immer stärker mit Landschaftsplanung und Energieplanung. Innovative Verkehrsplanung gestaltet Städte (und wo es geht, Gemeinden) so, dass es attraktiver ist, das Auto nicht zu nutzen – und wenn es doch sein muss, dann eines mit E-Antrieb. <BR /><BR />Einige Städte machen es schon vor, etwa Barcelona. Hier hat man versucht, jede zweite Straße für den Verkehr zu sperren und den Bürgern zurückzugeben. Man hat also Platz geschaffen für mehr Grün und mehr sanfte Mobilität. Auch das Konzept der 15-Minuten-Stadt nimmt Fahrt auf. Die Idee: Alles, was man braucht, ist in maximal 15 Minuten per Fuß, Fahrrad oder den Öffis – und eben ohne Auto – zu erreichen, egal ob Kindergarten, Supermarkt oder Apotheke, Sportplatz oder Café.<BR /><BR /><embed id="dtext86-70386792_quote" /><BR /><b><BR />Wird es dann keinen Individualverkehr mehr geben?</b><BR />Sparber: Doch, ein Teil wird immer individuelle Mobilität sein. Und auch den Warenverkehr auf der Straße werden wir nur bedingt reduzieren können. Aber er muss und er wird mit null Emissionen stattfinden. Für das Auto ist die Lösung die E-Mobilität und auch für Lkw gibt es bereits emissionsfreie Alternativen, jedenfalls vonseiten der Fahrzeugbauer. Was noch in vielen Fällen fehlt, ist die entsprechend ausreichende Ladeinfrastruktur und die ökonomische Rentabilität. <BR /><BR />Die Rahmenbedingungen müssen derart verändert werden, dass Null-Emissions-Transporte die natürliche Wahl werden. Diese neuen Antriebe haben dabei übrigens noch weitere Vorteile: Sie machen weniger Lärm, sorgen für eine bessere Luftqualität und geben keine Hitze ab. <BR /><BR /><b>Ist Letzteres relevant?</b><BR />Sparber: Und ob. Jeder Verbrenner steckt nur einen Teil der Energie in den Antrieb, der Rest verwandelt sich in Wärme. Es fahren auf unseren Straßen also unzählige „Heizungen“ spazieren und heizen die Städte zusätzlich auf. In welchem Ausmaß, ist derzeit übrigens Inhalt einer Forschungsarbeit von Eurac Research.