Die Flammen in den Redaktionsräumen des französischen Satire-Blattes „Charlie Hebdo“ züngelten fast zeitgleich mit der Auslieferung der druckfrischen Exemplare des Sonderheftes.Für eine Titelstory über den Wahlerfolg der Islamisten in Tunesien war es in „Scharia Hebdo“ umbenannt worden – mit einer Beilage namens „Scharia Madame“.Neben dem Titel prangte ein bärtiger Turbanträger mit der französischen Inschrift: „Chefredakteur Mohammed“. Die gleiche Comic-Figur versprach auf der Titelseite des für seine bissigen Artikel bekannten Wochenblattes: „100 Peitschenhiebe, wenn Sie nicht vor Lachen tot umfallen.“Brandanschlag auf RedaktionsräumeChefredakteur und Zeichner Charb blieb das Lachen im Halse stecken. Während an den Kiosken rund um die Pariser Oper alle Exemplare des Heftes nach Verkäuferberichten schon vor 0800 Uhr ausverkauft waren, stapelten sich zur gleichen Zeit vor der verkohlten Fassade des Verlagsgebäudes Säcke mit Aktenordnern und anderem Büromaterial.Im Innern der Redaktionsräume waren nach einem nächtlichen Brandanschlag nur noch geschmolzene Kopierer oder verkohlte Monitore übriggeblieben.Auch die Website des Blattes wurde von Internet-Piraten gestört. Vor laufender Fernsehkamera beklagte Charb die Intoleranz von Leuten, die vom Heft gerade mal die am Vorabend im Internet verbreitete Titelseite gesehen haben konnten.Solidarität von allen Seiten Bei den Vertretern des französischen Blätterwalds herrschte ebenso wie bei den Politikern der großen Parteien Einigkeit. Ob man den bösen Humor des Satireblattes mag oder nicht: Gewalt gegen Medien ist absolut inakzeptabel.Während der sozialistische Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë von einem schweren Anschlag gegen die Meinungsfreiheit sprach und dem Blatt Hilfe bei der Suche nach Ersatzräumen versprach, kam die erste Geste der Solidarität von der linksliberalen Zeitung „Libération“.Man werde zusammenrücken und den Kollegen für die Produktion ihres nächsten Heftes Unterschlupf gewähren, verkündete die Chefredaktion nach TV-Angaben.Politiker aus dem linken wie dem bürgerlichen Spektrum verurteilten den Anschlag, dessen genaue Hintergründe von der Polizei noch geklärt werden müssen.Premierminister François Fillon zeigte sich empört, Innenminister Claude Guéant rief alle Franzosen zur Solidarität auf.Es gelte, zwischen Muslimen zu unterscheiden, die friedlich ihren Glauben lebten, „und solchen, die aus dem Islam ein Element der Eroberung, des intellektuellen Imperialismus“ machen wollen.Ein Mitarbeiter des Blattes, der sich nur als Luz vorstellte, betonte trotzig in die TV-Kameras: „Das war das Werk von zwei oder drei Dummköpfen, die in keiner Weise die moslemische Gemeinschaft repräsentieren. Ich werde den Schwachköpfen zeigen, dass sie isoliert sind.“ Keinen Millimeter seiner Meinungsfreiheit werde er abtreten.Das Satire-Blatt: Stammgart vor den GerichtenDem 1970 gegründeten respektlosen Satireblatt mangelt es dabei wirklich nicht an Kritikern. Hervorgegangen aus dem von den Behörden verbotenen Vorgängerblatt „Hara-Kiri“ scherte es sich nie um politische Korrektheit, wenn es seine Attacken gegen die Mächtigen aus Politik und Wirtschaft, aber auch gegen Sekten, Rechsextreme oder religiöse Eiferer ritt.Im jüngsten Heft nimmt das Blatt christliche Fundamentalisten ebenfalls aufs Korn. Die wegen Geldmangels zwischen Ende 1981 und 1992 vorübergehend eingestellte streitbare Wochenzeitung ist Stammgast vor den Gerichten des Landes.„Charlie Hebde“ hat sich immer wieder Klagen eingehandelt – unter anderem auch wegen einer bitterbösen „Papst-Sonderausgabe“. Auch diese Klage ließ die Satiriker jedoch nicht verstummen – ebensowenig wie das gerichtliche Nachspiel für den Nachdruck der dänischen Mohammed-Karikaturen.Eine regelrechte Kampfansage in Richtung Islam sahen die klagenden islamischen Verbände darin – vom Gericht gab es jedoch Flankenschutz: Es sah darin keinen Angriff auf Muslime, sondern klar auf eine kleine Minderheit, die Terroristen.Bei der Redaktion des Satire-Blattes denkt man nach dem Anschlag bereits an den Titel der nächsten Ausgabe. „Même pas peur- nous sommes toujours là“ – „Nicht mal Angst – wir sind immer noch da“ wurde nach TV-Angaben bereits als trotziger Arbeitstitel erwogen.apa/dpa