Ursprünglich wollten Kiems Verteidiger Flavio Moccia und Loredana Pistoia mit der Anhörung von vier Zeugen belegen, dass ihr Mandant nicht zurechnungsfähig war, als er am 31. Oktober 2010 seine Schwiegermutter Rosa Reiterer (75) tötete. Gestern gab Richter Carlo Busato ihrem Ansuchen auf ein verkürztes Verfahren mit Zeugeneinvernahme statt. Allerdings einigte man sich darauf, nur zwei der von der Verteidigung benannten Experten anzuhören: nämlich Claudio Fabbrici und Elda Toffol, die sich um Kiems psychologische Betreuung kümmern. Die Einvernahme soll am 15. November beginnen. Dabei wird Richter Busato aber auch den neuen Sachverständigen vereidigen, der ein zusätzliches psychiatrisches Gutachten von Stefan Kiem anfertigen soll. Obwohl schon zwei Gutachten zu Kiems Zustand zum Tatzeitpunkt vorliegen, möchte der Richter eine weitere Expertenmeinung einholen. Wie berichtet, waren sowohl der Parteiengutachter als auch der Gerichtssachverständige zum Schluss gekommen, dass Kiem zum Tatzeitpunkt nicht einsichts- und willensfähig gewesen sei. Bei Kiem hätten verschiedene schwere Stressfaktoren – familiärer, gesundheitlicher und finanzieller Natur – ihren Höhepunkt erreicht, und in der Folge habe er vorübergehend völlig die Kontrolle verloren. Springender Punkt ist aber, ob dieser Kontrollverlust auf aufwallende Emotionen zurückzuführen ist oder auf einen Zustand, der als Krankheit eingestuft werden kann. Nur in letzterem Fall würde Kiem vor dem Gesetz als nicht schuldfähig gelten, das Verfahren gegen ihn müsste eingestellt werden. Am 15. November wird der Richter auch einen Experten der Spurensicherung des RIS in Parma anhören. Für Staatsanwalt Markus Mayr hatten die Carabinieri-Fachleute die Kleidung untersucht, die Kiem in der Nacht des 31. Oktober getragen hat und festgestellt, dass es sich bei den Flecken um Blutspuren handelt. Richter Busato will aber mehr wissen. Er wird die Spurensicherer mit einer Erweiterung der Expertise beauftragen.Bei den Tests sollen Kiems Hosen und sein Hemd erneut untersucht werden. Aus der Form, Menge und Anordnung von Blutstropfen können die Experten u. a. auf die Richtung schließen, aus der das Blut auf die Kleidung geraten ist. Diese Information kann dabei helfen, den genauen Tathergang zu rekonstruieren bzw. festzustellen, ob Kiems Schilderung der Ereignisse mit den objektiven Spuren völlig kompatibel ist. Vorbehalten hat sich der Richter gestern die Entscheidung über den Antrag der Verteidigung, Kiems Hausarrest aufzuheben. Bekanntlich darf er derzeit den Hausrrest nur verlassen, um zur Arbeit zu gehen. Mit einer Aufhebung der Sicherungsmaßnahme könnte er den Ausgang des Verfahrens auf freiem Fuß abwarten.rc/D