Muslime hätten es in Südtirol nicht leicht, beobachtet der Beauftragte der Diözese. Es komme immer wieder zu Beschimpfungen, etwa wenn eine Frau Kopftuch trägt.<BR /><BR /><b>Wie viele Muslime leben in Südtirol und woher stammen sie ursprünglich?</b><BR />Giorgio Nesler: Wir schätzen, dass hierzulande mehr als 15.000 Menschen dem Islam angehören. Sie unterteilen sich in 3 Gruppen: in die Gemeinschaften der maghrebinischen Gebiete – z. B. Ägypten, Libyen, Libanon-, aus Pakistan und Afghanistan, sowie in die europäischen Muslime. Letztere stammen aus den Balkanländern, etwa Bosnien oder Albanien. Sie sind weltlicher und europäischer ausgerichtet. Die 3 großen Gruppen schließen sich dann verschiedenen Gemeinden an. <BR /><BR /><b>Der Islam wird vom italienischen Staat nicht als Religion anerkannt...</b><BR />Nesler: Genau, die Prozedur ist lang. Deshalb sprechen wir in Italien von Kulturgemeinschaften. Die Muslime organisieren sich in sogenannten Vereinen. Sie haben den Zweck, ihre Kultur, ihre Sprache und ihre Traditionen zu fördern. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="888425_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie sieht das in der Praxis aus?</b><BR />Nesler: In Südtirol gibt es ungefähr 10 Gemeinden, 5 davon in Bozen. Ihre Mitglieder sind Migranten. Menschen, die aus anderen Ländern kommen, mit einer anderen Sprache und anderen Gepflogenheiten. In der Gemeinde können sie ein Stück Heimat in der Ferne erleben. <BR /><BR /><b>Was zeichnet den muslimischen Glauben aus?</b><BR />Nesler: Der muslimische Glaube ist ein Glaube an einen Gott. Wir sprechen hier von dem gleichen Gott der Christen und der Juden. Dieser Glaube ist sehr tief. Gott ist für das Leben des Menschen zuständig und auch für ihr Schicksal. „Im Leben passiert etwas, weil Gott es so gewollt hat“, sagen sie. Bei uns hingegen gibt es viele Traditionschristen. Manche Menschen gehen in die Kirche, weil es z. B. an Ostern dazugehört. Bei den Muslimen ist der Glaube ein Fundament ihres Lebens. In der Gemeinschaft wird am Freitagmittag gebetet, so ähnlich wie bei uns am Sonntag. <BR /><BR /><b>Wo beten Südtirols Muslime?</b><BR />Nesler: Sie müssen sich kreativ organisieren. Sie mieten beispielsweise Büros oder Hallen. Diese schmücken sie schön mit Teppichen. Das sind dann ihre Gebetsräume. <BR /><BR /><b>Vor Kurzem ist wieder die Diskussion über eine Moschee in Südtirol aufgeflammt. Was halten sie davon?</b><BR />Nesler: Ich wurde öfters in muslimische Gebetsräume eingeladen. Sie sind sehr offen und gastfreundlich. Würdiger fände ich es aber, wenn sie eine richtige Moschee hätten.<BR /><BR /><b>Inwieweit würdiger?</b><BR />Nesler: Wir können auch bei mir zu Hause einen Gottesdienst feiern. Aber es wäre nicht das Gleiche. Warum darf ich als gläubiger und praktizierender Christ in würdigen Gebetsräumen meinen Glauben leben und Muslime müssen z. B. in der Bozner Industriezone in einer Halle im zweiten Stock beten? <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="888428_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie denken die Muslime darüber? Was ist ihr Eindruck?</b><BR />Nesler: Die Muslime wären froh um einen würdigen Raum. Sie fragen danach, aber sie drängen nicht. Vor 30 Jahren sind die ersten Muslime nach Südtirol gekommen, mittlerweile lebt die zweite und dritte Generation hier. Sie arbeiten, zahlen Steuern und fühlen sich als Bürger Südtirols. Sie haben hier Wurzeln geschlagen. Oft redet man in der Familie auch in einer der Landessprachen. <BR /><BR /><b>Das Thema ist sehr aufgeladen. Der Islam gehört nicht zu unserer Kultur und passt nicht hierher, sagen viele...</b><BR />Nesler: Das Thema ist emotional schwierig. Stört es uns? Stört es uns nicht? Ich z. B. kann mit dem japanischen Gericht Sushi nichts anfangen. Was hat Sushi in Südtirol zu suchen? Am Anfang ist man immer skeptisch. Der Glaube sollte respektiert werden und man sollte sich auch mit anderen Formen des Glaubens anfreunden. Beim Islam gibt es auch viele Vorurteile und Ängste. <BR /><BR /><b>Eine Moschee würde mit Minarett, dem Turm, das Landschaftsbild verändern. Dazu noch die Rufe des Muezzins, fünfmal am Tag...</b><BR />Nesler: Die Moschee ist ein Gebetsraum. Das würde nicht automatisch bedeuten, dass ein Minarett gebaut wird oder laut zum Gebet gerufen wird. Darüber müsste man erst diskutieren. Viele Südtiroler sagen z. B., dass sie das Glockenläuten stört. Das ist immer eine persönliche Sichtweise. Die Frage ist: Müssen die Muslime nach so vielen Jahren weiterhin in einer Garage oder einer Halle beten oder bekommen sie einen eigens dafür geplanten Raum?<BR /><BR /><b>Warum plädieren sie für eine Moschee in Südtirol?</b><BR />Nesler: Sie würde für Muslime ein Stück Heimat in der Ferne bedeuten. Man kann von Muslimen nicht verlangen, auf ihre eigene Religion zu verzichten. Sie verzichten bereits auf ihre Sprache, ihre Gesetze und Gepflogenheiten. Anpassung ja – aber nicht um jeden Preis. Nachdem sie seit so vielen Jahren in Südtirol leben, haben sie nicht ein Recht auf ein würdiges Erleben ihres Glaubens? Wir müssen großzügiger werden und weniger Ängste haben. <BR /><BR /><b>Wie finden sich die Muslime in Südtirol zurecht?</b><BR />Nesler: Leicht haben sie es nicht hierzulande. Es kommt immer wieder zu Beschimpfungen, wenn eine Frau Kopftuch trägt. Manche entscheiden sich dann gegen das Kopftuch, weil sie den Druck nicht aushalten. Damit geben sie auch ein bisschen etwas von sich selbst auf. Ich hoffe, dass sich die Gesellschaft mehr öffnet und toleranter wird. <BR /><BR /><b>Aber es gibt auch Südtiroler, die Muslime unterstützen?</b><BR />Nesler: Viele Muslime leben in einem kleinen Netz und haben auch Südtiroler Bekannte, die ihnen helfen und zu denen sie eine gute Beziehung haben. Sie bekommen Unterstützung, aber sie werden als Gäste gesehen und das lässt man sie auch fühlen und spüren. Da haben wir noch Nachholbedarf. <BR /><BR /><b>Dann gibt es Vorurteile, etwa zur Stellung der Frauen im Islam...</b><BR />Nesler: Der Islam hat gegenüber den Frauen eine respektvolle Haltung. Wenn eine Frau z. B. krank ist oder ihre Kinder betreuen muss, dann ist es ihr etwa erlaubt, einmal am Tag zu beten statt fünfmal. Die Stellung der Frauen ist viel mehr kulturell, nicht glaubensmäßig bedingt. Da braucht es Zeit. Wir sehen das an den zweiten Generationen, die hier aufgewachsen sind. Junge Paare teilen sich ihre Aufgaben, die Frau darf arbeiten. Sie sehen die Dinge so ähnlich wie wir. <BR /><BR />