„Momentan brauchen die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Ukraine Baumaterialien oder Mittel für deren Kauf, um Häuser zu renovieren oder Wohnungen für Binnenflüchtlinge zu mieten“, sagt Wladimir Leysle, den die „Dolomiten“ in Berlin trafen. <BR /><BR />„Wir leben im achten Jahr im Krieg, denn er begann 2014 mit der Annexion der Krim“, betont Leysle. Die am härtesten vom Krieg getroffene Ostukraine sei bekannt für ihr deutsches Kulturerbe. „Viele Häuser und Kulturdenkmäler sind nun zerstört“, sagt Leysle. Er kenne viele Leute, die vor dem Krieg reich waren, mehrere Wohnungen und Häuser hatten, Fabrikbesitzer waren – und nun alles verloren haben, bettelarm geworden sind. <BR /><BR />Was kann der Rat für die deutsche Minderheit tun? „Wir helfen, wo wir können, versuchen Rat zu geben, wo es Unterstützung gibt“, sagt Leysle. „Wir haben zum Glück viele Kontakte in Europa. Es hat eine große Welle der Solidarität gegeben: Die deutschen Minderheiten in Polen und Rumänien haben sofort geholfen; 200 Familien wurden in Privatautos von FUEN-Mitgliedern nach Deutschland gebracht. Und natürlich gab es noch viel andere Hilfe, vor allem auch aus Deutschland“, sagt Leysle. <h3> Flucht in andere Landesteile</h3>Die meisten Minderheitenangehörigen blieben aber in der Ukraine; viele flohen allerdings – wie unzählige andere Ukrainer auch – aus ihrer Heimat in andere Gebiete in der Ukraine.<BR /><BR />In Transkarpatien, dem Gebiet an der Grenze der Ukraine zu Rumänien und der Slowakei, wo auch eine mit 160.000 Angehörigen recht starke ungarische Minderheit siedelt, leben inzwischen 3 Mal mehr Leute als vor Kriegsbeginn, schildert Leysle. Sie sind seit Monaten in Turnhallen und Kindergärten untergebracht; wer mehr Glück hatte, fand eine Mietwohnung. Aber die Preise steigen, und Geld kommt keines mehr herein.<BR /><BR /> Manche Binnenflüchtlinge mussten inzwischen wieder in ihre Heimat im Osten zurückkehren, zum Beispiel nach Charkiw: „Trotz der Bomben und obwohl es gefährlich ist: Sie haben keine Existenz gefunden im Westen. Das sind Familien mit Kindern!“ <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="823883_image" /></div> <BR /><BR />Der Rat der Deutschen will sich nicht unterkriegen lassen. „Fast alle Zentren arbeiten weiter“, sagt Leysle. Jenes in Mariupol allerdings wurde von russischen Bomben und Granaten vollkommen zerstört; es war nach einer Sanierung erst 2021 neu eröffnet worden mit einer großen Feier. Auch in Charkiw und Cherson ist es praktisch nicht möglich weiterzuarbeiten.<BR /><BR />Leysle denkt schon an die Zeit nach dem Krieg, der hoffentlich bald zu Ende sein möge: „Der Wiederaufbau ist wichtig, das müssen wir schon heute vorbereiten. Wir müssen den Menschen eine Zukunftsperspektive geben.“ Dabei könne die deutsche Minderheit eine wichtige Rolle spielen. „Wir verstehen uns als Brückenbauer. Die deutsche Minderheit ist nicht nur Folklore, sie ist konkrete Wirtschaft“, sagt Leysle. Niemand wisse, wann und wie der Krieg zu Ende gehe. „Aber wir haben schon Pläne für die Zukunft“, sagt Leysle: „Wir wollen die Familienunternehmen unterstützen, Maschinen beschaffen.“ <BR /><BR /><embed id="dtext86-56577825_quote" /><BR /><BR />Leysle reist derzeit durch Europa und spricht bei Ministerien und Politikern vor, wie es weitergehen könnte und wo Hilfe möglich ist. Eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine lebt allein in Deutschland, und 75 Prozent wollen zurück. „Die Kinder wollen aber weiter Deutsch lernen“ schildert Leysle, „wir brauchen also mehr Lehrkräfte, um diese Kompetenz zu unterstützen. Das ist nicht nur ein Thema für die Minderheit, sondern für alle.“ <BR /><BR />Damit sind die Minderheiten angesprochen, die bislang in der Ukraine kaum Rechte hatten. „Durch den Status als EU-Beitritts-Kandidat hat die Ukraine 7 Aufgaben: Eine davon ist, das Minderheitenrecht auf den geforderten Stand zu bringen“, schildert Leysle. Dazu will der Rat der Deutschen beitragen, und auch in dieser Sache ist Leysle im Moment unterwegs: „Wir wollen aktiv dazu beitragen und Best-Practice-Beispiele einbringen.“<BR /><BR /><BR />Der Rat der Deutschen vertritt die Interessen der rund 33.000 Deutschen in der Ukraine. In mehr als 60 Städten und Dörfern gibt es Begegnungszentren, in denen deutsche Sprache und Geschichte unterrichtet wird. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten auf dem Gebiet der heutigen Ukraine 800.000 Menschen mit deutschen Wurzeln. Fast alle wurden während der sowjetischen Zeit nach Kasachstan und Sibirien deportiert; nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wanderte der Großteil in den Westen aus. Nur 5 Prozent sind geblieben. <BR /><BR />Das Ansehen der deutschen Sprache ist sehr hoch in der Ukraine; 600.000 Menschen lernen sie in der Schule als Fremdsprache. Muttersprachlichen Unterricht gibt es nicht.<BR />