In dieser Woche wird unter anderem ein Wald mit 500 Lärchen plattgemacht. Auch die Vergabe des Auftrags zum Bau sei eine unglaubliche Geschichte, sagt Albert Willeit. <BR /><BR /><b>Herr Willeit, am Montag war offizieller Baubeginn der Bobbahn in Cortina. Wird schon gebaut?</b><BR />Albert Willeit: Am Montag haben wir gegen den Bau protestiert und am Dienstag sind dann die Baumaschinen aufgefahren. Es wurde damit begonnen, einen Lärchenwald mit 500 Bäumen auf einer Fläche von etwa 2 Hektar zu fällen, wo die Bobbahn entstehen soll.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="999022_image" /></div> <BR /><BR /><b>Die Ausschreibung und die Vergabe der Arbeiten bezeichnen Sie als „Farce“. Warum?</b><BR />Willeit: Die Auftragsvergabe ist eine wirklich unglaubliche Geschichte. Die Arbeiten wurden ja im Juni und September 2023 bereits 2-mal ausgeschrieben. Damals hatte keine Firma ein Angebot abgegeben – wohl weil die Kosten zu hoch und die Zeit zu knapp bemessen waren, um den Bau noch ausführen zu können. Es folgte dann das – leider nur – vorübergehende Aus für das Projekt, ehe Matteo Salvini und Luca Zaia von der Lega aus populistischen, nationalistischen und parteipolitischen Gründen die Bobbahn wieder zum Thema machten. Und da klappte es plötzlich dann auch mit der Vergabe der Arbeiten, obwohl die Firmen nicht einmal 3 Wochen Zeit für die Abgabe des Angebotes hatten. Die Ausschreibung umfasste 2080 Dokumente, davon 1700 technische Pläne und etwa 10.000 Textseiten. Es handelt sich dabei also um eine hochkomplexe Geschichte. Da stellt sich dann schon die Frage: Wer konnte in so kurzer Zeit das alles studieren und dann ein Angebot erstellen?<BR /><BR /><b>Undurchsichtig sind auch die Kosten für die Bahn. Während die offizielle Seite von 82 Mio. Euro spricht, kommen Sie auf 120 Mio. Euro. Wie das?</b><BR />Willeit: 82 Mio. Euro sind eine falsche Angabe. Damit sind nur die reinen Baukosten beziffert. Samt Nebenspesen und Mehrwertsteuer belaufen sie sich auf 120 Mio. Euro. Salvinis neue „Light“-Version spricht auch von 82 Mio. Euro, obwohl darin Arbeiten gestrichen wurden, die in der ersten Ausschreibung noch enthalten waren. Diese Arbeiten werden dann einfach mit einer Zusatzfinanzierung im Nachhinein gemacht, womit die Gesamtkosten noch weiter in die Höhe wachsen werden.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="999025_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie steht eigentlich die Gemeinde Cortina zum Projekt? Schließlich hat sie ja die Folgekosten zu tragen, also die Betriebs- und Instandhaltungskosten.</b><BR />Willeit: Bürgermeister Gianluca Lorenzi steht mittlerweile voll und ganz hinter dem Projekt, obwohl er noch im Dezember gesagt hat, dass ihm die Bobbahn und die Folgekosten schlaflose Nächte bereiten würden. Wie dieser Sinneswandel vonstatten ging, kann ich nicht sagen.<BR /><BR /><b>Jetzt könnten wir in Südtirol sagen: Was geht uns das alles an? Sollen sie in Cortina halt bauen. Ist ja nicht unser Geld!</b><BR />Willeit: Das stimmt nicht. Denn zum einen sind die 120 Mio. Euro ja Steuergelder von ganz Italien, also auch von uns, und zum anderen sollen die geschätzten Folgekosten für den Betrieb und die Instandhaltung von einer bis 1,5 Mio. Euro u.a. auch über den Grenzgemeindenfonds finanziert werden, also mit Geldern aus Südtirol und dem Trentino.<BR /><BR /><embed id="dtext86-63554785_quote" /><BR /><BR /><b>Für die Olympischen Winterspiele in Turin 2006 wurde in Cesana ein neuer Eiskanal gebaut, der mittlerweile eine Ruine ist. Warum wurde diese Bahn nicht renoviert?</b><BR />Willeit: Eine Renovierung dieser Bahn war eine Zeitlang im Gespräch. Damals sprach man von 13 bis 15 Millionen, die investiert werden müssten. Doch dann wurde die Idee fallen gelassen. Dabei wäre das nur ein Zehntel der Kosten des Neubaus in Cortina gewesen.<BR /><BR /><b>Rodelstar Armin Zöggeler hat das zwischenzeitliche Nein zum Bau des Eiskanals in Cortina im Herbst bedauert. Zum einen brauche eine Sportart auch Trainingsmöglichkeiten und Wettkampfstätten, zum anderen könne man mit einer neuen Bahn etwas Großes aufbauen. Was sagen Sie dazu?</b><BR />Willeit: Man muss sich fragen, ob eine solch teure und umweltschädigende Anlage für so wenige Athletinnen und Athleten heute noch moralisch vertretbar ist. Italienweit sind es vielleicht 100 Personen, die Bob, Rodel und Skeleton fahren. Es ist also ein elitärer Sport und kein Familien- oder Massensport – und er ist auch kein Publikumsmagnet. Das viele Geld sollte besser für die vielen Probleme in den umliegenden Dörfern dieser teils ärmeren Region investiert werden. Damit wäre der dortigen Bevölkerung wesentlich mehr geholfen als mit einer Bobbahn für einige wenige.<BR /><BR /><b>Ist der Bau der Bobbahn in Cortina überhaupt noch machbar?</b><BR />Willeit: Fachleute bezweifeln das ernsthaft – auch dann, wenn – wie angekündigt – ab sofort rund um die Uhr und an allen Tagen gearbeitet wird. Und selbst wenn der Bau fertiggestellt werden kann, muss man sich fragen, in welcher Qualität das gelingen kann. Und fehlende Qualität bedeutet bekanntlich ja viel höhere Folgekosten.<BR /><BR /><b>Stehen Sie Olympischen Spielen grundsätzlich skeptisch gegenüber?</b><BR />Willeit: Nein, im Gegenteil: Olympische Spiele begeistern mich von klein auf. Sie sind bis heute außergewöhnliche Veranstaltungen – für die Athleten und auch für das Publikum. Ihre derzeitige Form ist aber überholt. Wir brauchen weniger nationale Spiele, sondern vielmehr Bewerbe über Länder hinweg auf bereits bestehenden Anlagen. In der heutigen Zeit angesichts von Kriegen sowie Umwelt-, Klima- und sozialer Krise ist es völlig unverantwortlich, eine solch unnütze Kathedrale in der Wüste zu bauen, die wohl als Ruine enden wird.