Im Interview mit s+ spricht Roopa Mehta, Präsidentin der WFTO über die Chancen, die in den aktuellen Krisen liegen, über ihr Vertrauen in die junge Generation und über den Zusammenhang von Klimawandel und der Notwendigkeit, fair zu handeln.<BR /><BR /><b>Seit unserem letzten Interview 2019 ist viel passiert: die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und ein immer spürbarerer Klimawandel mit schon jetzt katastrophalen Folgen. Wie wirkt sich das auf den Fairen Handel aus?</b><BR />Roopa Mehta: Die Corona-Pandemie hat viele Menschen zum Nachdenken gebracht. Sie haben darüber nachgedacht, wie die Klimakrise und die Globalisierung die Ausbreitung der Pandemie möglich gemacht haben. Sie haben darüber nachgedacht, ob wir wirklich alles brauchen, was wir kaufen, ob es eine andere Ethik braucht. Das Bewusstsein dafür ist gestiegen, dass der Lebensstil einiger weniger verheerende Auswirkungen gerade auf die Schwächsten hat. Und so ist die Zahl derjenigen gestiegen, die sich bemühen, ethisch korrekt einzukaufen. Wenn es an der Corona-Pandemie irgendetwas Gutes gibt, dann das. <BR /><BR /><b>Gleichzeitig steigen jedoch die Preise – nicht nur für Energie, sondern für so ziemlich alles. Und immer weniger Menschen kommen auch in den reichen Ländern mit ihrem Einkommen aus. Schlägt sich das nicht auf das Kaufverhalten nieder? Ethisch korrekt einkaufen muss man sich leisten können.</b><BR />Mehta: Natürlich haben die Inflation und teilweise zunehmende Arbeitslosigkeit darauf einen Einfluss. Alles wird immer teurer, und die Sorgen der Menschen sind sehr real. Aber erstens ist ein Trend zu spüren, dass man für Essen, Wellness, Geschenke etc. weniger ausgibt, aber dafür ethisch korrektere Kaufentscheidungen trifft. Wir kaufen weniger, aber nachhaltiger. Und zweitens ist man weltweit auf der Suche nach Alternativen, die Produkte wieder günstiger machen. Nicht im Sinne von das Gleiche, aber billiger. Es geht darum, teure Rohstoffe durch günstigere zu ersetzen, lokale Ressourcen besser zu nutzen, und so die Produktion günstiger zu machen. Dafür auch weniger Energie zu benötigen – und neue Technologien im Sinne von mehr Nachhaltigkeit einzusetzen. <BR /><BR /><b>Hehre Ziele, die aber gerade in den ärmeren Ländern derzeit von der Realität, nämlich einer drohenden Hungersnot – unter anderem durch den Ukraine-Krieg und die verhinderten Weizen-Exporte – eingeholt werden.</b><BR />Mehta: Das stimmt. Und gerade deswegen ist der Faire Handel um so wichtiger. Denn „fair trade“ bedeutet nicht nur faire Preise. Es bedeutet auch, die kleinen Landwirte zu stärken, ihnen die Mittel an die Hand zu geben, von ihrem eigenen Land auch leben – sprich essen – zu können. Das senkt die Abhängigkeiten von einem globalen – und zumeist unfairen – Markt. Wir haben keine Ressourcen-Knappheit, wir haben „nur“ keinen fairen Zugang. <BR /><BR /><b>Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos sind heuer erstmals vage Stimmen zu hören, die das aktuelle Wirtschaftssystem und die bisherige Wachstums-Gläubigkeit in Frage stellen. So war Nato-Chef Jens Stoltenberg mit so überraschenden Aussagen zu hören, Freiheit sei wichtiger als Freihandel und Werte zählten mehr als Profit. Gibt das Hoffnung?</b><BR />Mehta: Absolut. Das sind in der Tat neue Töne auf diesem Gipfel. Viele Organisationen aus den ursprünglich unterschiedlichsten Bereichen haben sich in der jüngsten Vergangenheit zu einem Netzwerk zusammengefunden. Alles hängt mit allem zusammen, so auch der faire Handel mit dem Umweltschutz. Wir haben unsere Stimmen gebündelt, und zusammen sind wir lauter und hörbarer. Das hat auch Auswirkungen auf die Diskussionen etwa in Davos. Das gibt mir eine große Hoffnung. Die aktuellen Krisen haben diese Erkenntnisse noch vertieft, die Zahl der dafür sensiblen Menschen hat sich erhöht. Und es wächst die Gewissheit, dass wir den Schutz unserer Umwelt und die Sicherheit für unsere Welt nur dann erreichen, wenn alle Menschen ausreichend haben, und nicht 10 bis 20 Prozent übermäßig. Das kommt etwa in der viele Länder umspannenden Bewegung „Climate justice“ (Klimagerechtigkeit) zum Ausdruck. <BR /><BR /><b>Hinter den meisten dieser Bewegungen, so wie etwa auch hinter Fridays for Future, stehen viele junge Leute. Hat die nächste Generation besser begriffen, was auf dem Spiel steht?</b><BR />Mehta: Ich setze in der Tat große Hoffnung auf diese junge Generation, auf die Kraft der Jugend. Sie treffen andere Entscheidungen, und sie werden die Macht haben, sie durchzusetzen. Wir werden sie ihnen geben. <BR /><BR />