Begonnen haben die Ermittlungen im Jahr 2006 nach der Routinekontrolle eines LKW auf der Brennerautobahn, drei Jahre später haben die Bozner Finanzwache und die Bozner Staatsanwaltschaft die Beschlagnahmung von drei Millionen Kleidungsstücke angeordnet und einer Organisation, die mit gefälschter Bekleidung gehandelt haben soll, das Handwerk gelegt. Da bei der LKW-Kontrolle Kleider der Marke “Baci & Abbracci” entdeckt wurden, erhielten die Ermittlungen den Namen „Küssen“. Drei Jahre lang zeichneten die Ermittler die Wege der gefälschten Markenware minutiös nach. Der Transport, der an der Sterzinger Mautstelle von Finanzbeamten gestoppt wurde, kam aus Deutschland. Die Ware, die nach Italien und San Marino geliefert werden sollte, wurde beschlagnahmt, der Fahrer angezeigt. Daraufhin begannen Ermittlungen, die sich auf Deutschland, Frankreich, Österreich und San Marino erstreckten: Telefone wurden abgehört, Beschlagnahmungen durchgeführt und internationale Rechtshilfeersuchen gestellt, um der international agierenden Organisation das Handwerk zu legen. Diese hatte sich laut Finanzpolizei darauf spezialisiert, gefälschte Markenprodukte – u.a. Calvin Klein und Guess – zu produzieren und zu importieren, ohne Zölle und die Mehrwertsteuer zu zahlen. Anschließend wurde die Ware in mehreren Ländern auf dem Schwarzmarkt unversteuert verkauft. Produziert wurde sie in der Türkei. Von dort wurde die Bekleidung dann – durch Lücken im Zollsystem – in die EU exportiert, ohne dass Zölle oder Abgaben entrichtet wurden, die für Produkte aus einem Nicht-EU-Land zu zahlen sind. „Um die Spuren ihrer illegalen Aktivitäten zu verwischen, nutzte die Organisation vorübergehend Lagerhallen an ungewöhnlichen Orten, unter anderem auch in Privatwohnungen und in Logistikzentren. Zudem wurden oft Leih-LKW verwendet, um den Behörden die Herkunft der Ware zu verschleiern“, so die Finanzpolizei heute auf einer Pressekonferenz in Trient. Ein Teil der gefälschten Bekleidung der Marken Calvin Klein und Guess wurde in Italien von 16 Unternehmen in den Provinzen Mantua und Modena hergestellt. In den Fabriken beschäftigt wurden vor allem Chinesen, die zudem illegal angestellt waren. Verkauft wurde die Ware dann vor allem in Frankreich und in San Marino. Insgesamt sind in die Produktion, den Vertrieb und den Verkauf im In-und Ausland 99 Personen verwickelt. Sie wurden angezeigt. Zwölf Personen wurden verhaftet. Insgesamt wurden drei Millionen Bekleidungsstücke beschlagnahmt, die ca. 800.000 Euro wert sind. Beschlagnahmt wurden auch Maschinen, die für die Fälschungen verwendet wurden. Die Bozner Finanzpolizei hat im Lauf der Ermittlungen mit Europol, Eurojust und Interpol zusammengearbeitet. „‘Küssen‘ war die größte Aktion gegen die Produktion und den Vertrieb gefälschter Markenware in Europa. Beim ‚Fünften Weltkongress gegen die Produktpiraterie‘ in Cancun in Mexiko wurde ‚Küssen‘ als vorbildliche Aktion präsentiert“, so die Finanzpolizei abschließend. stol