Am Donnerstag hätte das Auftauen des Eises, das Südtirols Berge zusammenhält, beinahe drei weitere Opfer gefordert. Drei Kletterer - ein Grödner aus Urtijëi/St. Ulrich und ein bundesdeutsches Touristenpaar - waren kurz nach Mittag am Oskar-Schuster-Steig unterwegs, als nur wenige Meter von ihnen entfernt eine gewaltige Steinlawine niederdonnerte und den Steig verlegte. Wären sie nur ein paar Schritte weiter gewesen, hätte es für die drei wohl keine Chance gegeben. So blieben sie unverletzt.Dass der auftauende Permafrost am Steinschlag Schuld war, hat Landesgeologe Ludwig Nössing auf Anfrage bestätigt.In vielen Teilen des Landes müssen Alpinisten also künftig noch vorsichtiger sein. Grobblockiges Material ist nicht mehr durch das Eis an den Untergrund gefestigt, sondern liegt nur mehr auf dem Schutt auf. Was bislang Bergsteigern zur Sicherung diente, kann schnell zur Todesfalle werden. Dieses Phänomen tritt in Südtirol vor allem im Kristallin entlang des Alpenhauptkamms auf. Aber auch das ohnehin äußerst brüchige Dolomitgestein im gesamten Ortlergebiet ist vom auftauenden Permafrost betroffen. Und das Problem der bröckelnden Berge nimmt weiter zu, weiß Volkmar Mair, Geologe im Landesamt für Geologie und Baustoffprüfung und Leiter des Interreg-Projektes „Permanet“. Im Zuge dieses Projektes werden alle Permafrost-Areale im Alpenbogen untersucht und überwacht. So auch an der Nordseite der Grawand im Schnalstal. Hier hat man waagrechte Bohrungen vorgenommen. Die Bohrlöcher wurden mit Sonden ausgestattet, welche die Temperaturen an die Oberfläche übermitteln, die im Berg herrschen. „Bis in eine Tiefe von acht Metern reicht die aktive Zone, in der sich die Temperaturschwankungen auswirken, die an der Oberfläche herrschen“, erklärt Mair. Schwankungen von knapp 40 Grad wurden oberflächlich auf dieser Höhe zwischen Dezember (-27 Grad) und Juli (12 Grad) gemessen. Die Auswirkungen: Bis in acht Meter Tiefe herrscht Frost-Tau-Wechsel. Das Wasser dringt in die feinsten Risse im Fels ein, gefriert und dehnt sich aus. Zudem zieht sich auch der Fels selbst durch die Temperaturschwankungen zusammen, dehnt sich wieder aus. Anhaltende Wärme bringt Oberfläche zum SchwitzenAuf der Südseite dürften die Auswirkungen der Temperaturschwankungen an der Oberfläche sogar noch weiter in den Berg reichen. „Hier dürfte es wohl rund zehn bis zwölf Meter ausmachen“, sagt Mair. Dass dadurch die gesamte Oberfläche, die bislang vom Eis gebunden war, in Bewegung gerät, versteht sich von selbst – besonders, wenn die Temperaturen über Tage hinweg über der Null-Grad-Grenze liegen. In den Dolomiten und in den Westalpen müssen Alpinisten auf diese Dinge weniger achten, weiß Mair. „Was in diesen Gegenden steht, hält im Normalfall auch“, sagt er. Das Phänomen Permafrost sei hier kaum bekannt. Abbrüche, die auf Frost-Tau-Wechsel zurückzuführen sind, gibt es aber natürlich auch hier.em/rb