Am Tag nach dem Unglück erreichte die Redaktion von „Il Gazzettino“ Alessandro, der wie sein Vater aus San Pietro in Gu in der Provinz Padova<BR /> stammt, telefonisch im Leichenschauhaus. Seine Stimme ist leise, erschüttert – es ist die Stimme eines Menschen, der gerade einen Albtraum erlebt hat, aus dem es kein Erwachen gibt.<h3> Ein erfahrener Bergsteiger, eine bekannte Route</h3>Giuseppe Tararan war alles andere als ein unerfahrener Kletterer. Im Gegenteil: Er war äußerst bekannt in der norditalienischen Alpinistenszene, war Ausbildungsleiter beim CAI Cittadella, hatte Expeditionen in die Anden, den Himalaya und auf 7000-Meter-Gipfel bestritten. Mit seinem Sohn Alessandro und einem engen Freund war er an diesem Tag auf der Route „Albiero-Dolcetta“ an der Cima dei Lastei (2846 m) in der Val Canali unterwegs – im südöstlichen Teil der Pale di San Martino, tief in den Dolomiten des Trentino.<BR /><BR />„Wir waren auf dem drittletzten Seillängenabschnitt. Die Route ist technisch fordernd, hat Stellen im fünften Schwierigkeitsgrad – aber sie war nichts Außergewöhnliches für uns. Wir hatten bereits den als kritisch geltenden Teil hinter uns“, erklärt Alessandro. „Wir waren vorsichtig unterwegs.“<h3> Der Sturz – und das Entsetzen</h3>Was genau geschah, ist unklar. „Wir wissen nicht, ob meinen Vater ein Stein traf oder ob ein Griff ausbrach. Es ging alles so schnell. Es gab keine Zeit zu reagieren“, sagt Alessandro. „Wir sahen ihn nicht, weil er in einem Kamin voraus war – einem engen, schräg verlaufenden Felsschacht. Plötzlich hörten wir, wie Steine herabrollten. Vielleicht hörten wir auch einen Schrei – dumpf, von den Felswänden verschluckt. Und dann sahen wir ihn fallen. Es war erschütternd, irreal, einfach nur furchtbar.“<BR /><BR />Giuseppe stürzte rund 30 Meter tief – und blieb im Seil hängen, das ihn mit seinem Sohn und dem Begleiter verband.<BR /><BR />„Wir haben sofort versucht, ihn zu halten, mit aller Kraft. Wir riefen seinen Namen, wieder und wieder. Aber er antwortete nicht. Vielleicht war er bewusstlos, vielleicht war es schon zu spät.“<h3> Vergebliche Rettung</h3>Die beiden Männer alarmierten sofort die Rettungskräfte. Doch dichter Nebel machte einen sofortigen Einsatz des Helikopters unmöglich. Stunden vergingen. Giuseppe hing reglos in der Wand, während Wetter und Sichtverhältnisse immer schlechter wurden.<BR /><BR />„Wir konnten ihn selbst nicht erreichen. Also sicherten wir ihn an der Felswand, lösten uns vom Seil, das uns verbunden hatte, und stiegen eine leichtere Passage ab“, erzählt Alessandro. „Schließlich, als sich der Nebel etwas lichtete, entdeckten uns die Retter.“<BR /><BR />Bei besseren Wetterbedingungen stiegen die Einsatzkräfte zu Giuseppe ab. Als sie ihn erreichten, atmete er noch – schwer verletzt, aber am Leben. Doch kurz darauf starb er.<BR /><BR />„Es hätte ein schöner Tag werden sollen. So wie so viele zuvor, die wir gemeinsam in den Bergen verbracht haben“, sagt Alessandro. „Und stattdessen habe ich meinen Vater verloren.“<h3> Ein stiller Abschied</h3>Giuseppe Tararan war mehr als ein erfahrener Alpinist. Er war Lehrer, Mentor, leidenschaftlicher Bergfreund – und Vater. Für viele in der Bergsteiger-Community war er eine Institution. Für seine Familie war er der Mittelpunkt.<BR /><BR />Sein Tod reißt eine Lücke – in der Seilschaft seines Lebens und in den Herzen derer, die ihn liebten.