„In Südtirol haben nur etwa 4 bis 5 Prozent der Menschen eine solche Verfügung verfasst“, sagt Dr. Hartmann Aichner, ehemaliger Primar an der Gynäkologie und Geburtshilfe am Krankenhaus Innichen. Dabei geht es um nichts weniger als den eigenen Willen bis zuletzt. Alles was Sie dazu wissen müssen. <BR /><BR /><b>Herr Dr. Aichner, was ist die Patientenverfügung?</b><BR />Hartmann Aichner: Mit einer Patientenverfügung (ital. testamento biologico) kann jeder vorab festlegen, wie er im Fall einer schweren Erkrankung behandelt werden möchte, wenn er diese Entscheidung krankheitsbedingt nicht mehr selbst treffen oder mitteilen kann. Sie stellt also sicher, dass mein Wille respektiert wird, auch wenn ich ihn nicht mehr äußern kann, zum Beispiel, wenn ich im Koma liege. Das verfassen einer Patientenverfügung ist eine gute Gelegenheit, sich mit diesem Thema bewusst auseinanderzusetzen und tief in sich hinein zu hören, was man in welchem Fall möchte und was nicht. Die Patientenverfügung ist aber nicht nur deshalb so wichtig, weil sie es ermöglicht, künftige medizinische Behandlungen dem Willen der Kranken anzupassen, sondern sie verringert auch das Risiko unzulänglicher oder unnötiger Behandlungen. Zudem vermindert sie den Entscheidungsdruck, der auf den Angehörigen und dem Gesundheitspersonal lastet und beugt Konflikten zwischen den Beteiligten vor. Ist der Wunsch des Sterbenden in der Patientenverfügung festgelegt, dann ist er zu respektieren – und die Entscheidung ist allen Beteiligten abgenommen. Und keine Sorge: Solange jemand selber entscheiden kann, solange gilt auch seine Entscheidung. Erst wenn ich dazu nicht mehr in der Lage bin, greift die Patientenverfügung.<BR /><BR /><b>In jenen Situationen also, wo es keinerlei Hoffnung mehr für mich gibt?</b><BR />Aichner: Genau, eine Patientenverfügung ist etwas für Ausnahmesituationen, in denen es keine Aussicht auf Besserung gibt. In einer Patientenverfügung kann man festlegen, in welchen Fällen man Wiederbelebungsmaßnahmen ablehnt. Explizit ablehnen kann man auch jede andere Art von medizinischen Maßnahmen. Darunter fallen mittlerweile auch künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr. Das bedeutet aber nicht, dass der Patient deswegen vernachlässigt wird. Pflegemaßnahmen sind stets garantiert, Dazu gehörten Maßnahmen gegen das Durstgefühl durch einen trockenen Mundrachenraum, etwa durch Aufbringen öliger Substanzen. Ein Verzicht auf Wiederbelebung bedeutet auch nicht, dass bei einem plötzlichen Herzinfarkt nicht alles getan würde, um das Leben des Patienten zu retten. Aber wenn ein Patient schon mehrere Herzinfarkte hintereinander hatte, eine irreversible schwere Hirnschädigung vorliegt, soll dann jedes Mal wiederbelebt werden? Will ich das für mich?<BR /><BR /><b>Gibt es Grenzen in meinen Entscheidungen?</b><BR />Aichner: Weil es in Italien (noch) verboten ist, kann man den Wunsch nach einer aktiven Sterbehilfe oder einem assistierten Suizid in der Patientenverfügung nicht festlegen. <BR /><BR /><b>Wer kann eine Patientenverfügung verfassen?</b><BR />Aichner: Alle zurechnungsfähigen Volljährigen und auch urteilsfähige Minderjährige in enger Abstimmung mit den Eltern können eine Patientenverfügung verfassen.<BR /><BR /><b>Wie geht man dabei vor?</b><BR />Aichner: Patientenverfügungen können unterschiedliche Formen haben. Entweder man schreibt seinen Willen frei auf ein Blatt Papier oder – was ich empfehle – man verwendet das vorgedruckte Formular des Landes-Ethikkomitees des Landes (siehe Anhang). Körperlich Behinderte können ihre Wünsche auch als Videoaufnahme oder mittels anderer Hilfsmittel festhalten. Was ganz wichtig ist: Laut Gesetz muss zuvor eine ausführliche ärztliche Aufklärung stattgefunden haben. Dies kann der (Haus-)Arzt übernehmen und auf der Patientenverfügung mit seiner Unterschrift bestätigen. Ohne die Dokumentation über die erfolgte Aufklärung könnte die Patientenverfügung nämlich im Fall der Fälle angezweifelt oder angefochten werden. Beim Ausfüllen der Verfügung selbst, muss der Arzt nicht anwesend sein.<BR /><BR />Hier gibt es das Formular zum Ausdrucken.<BR /><BR /><div class="img-inline inline-file"><hr><a target="_blank" href="https://s3-images.stol.it/pdf/2022/10/formular-patientenverfuegung-de-03-2020.pdf"><img class="uk-img-preserve" src="https://s3-images.stol.it/pdf/2022/10/formular-patientenverfuegung-de-03-2020.jpg" /></a><br><a target="_blank" href="https://s3-images.stol.it/pdf/2022/10/formular-patientenverfuegung-de-03-2020.pdf" title="formular_patientenverfuegung_de-03-2020"><span class="uk-icon" uk-icon="icon: cloud-download;"></span> formular_patientenverfuegung_de-03-2020 <small>(pdf)</small></a><hr></div><BR /><BR /><b>Wo bewahre ich meine Patientenverfügung am besten auf?</b><BR />Aichner: Man kann einer Vertrauensperson mitteilen, wo man das Dokument aufbewahrt, zusätzlich kann man die Verfügung aber auch im Standesamt der Gemeinde abgeben. Denn im Zweifelsfall (zum Beispiel wenn weder Angehörigen noch eine Vertrauensperson vorhanden sind) wenden sich die Krankenhäuser/Pflegeeinrichtungen an diese Stelle, um zu erfahren, ob eine Patientenverfügung verfasst wurde. Geplant ist ein italienweites Register über die Patientenverfügungen und in Zukunft wird diese auch über den Chip auf der Gesundheitskarte abrufbar sein.<BR /><BR /><b>Kann ich die Patientenverfügung jederzeit ändern?</b><BR />Aichner: Ja, natürlich. Es ist wie beim Testament: Das aktuellste Datum gilt. Zu beachten ist hier, dass Sie das aktualisierte Dokument dann auch neu an die Gemeinde und/oder Ihre Vertrauensperson übermitteln. In Not- oder Dringlichkeitsfällen kann der Patient die Patientenverfügung aber auch durch eine einfache mündliche Erklärung widerrufen.<BR /><BR /><b><BR />Fortführende Informationen</b> zur Patientenverfügung finden Sie in folgender Broschüre des Landesethikkomitees.<BR /><BR /><div class="img-inline inline-file"><hr><a target="_blank" href="https://s3-images.stol.it/pdf/2022/10/infospatientenverfuegung.pdf"><img class="uk-img-preserve" src="https://s3-images.stol.it/pdf/2022/10/infospatientenverfuegung.jpg" /></a><br><a target="_blank" href="https://s3-images.stol.it/pdf/2022/10/infospatientenverfuegung.pdf" title="infospatientenverfügung"><span class="uk-icon" uk-icon="icon: cloud-download;"></span> infospatientenverfügung <small>(pdf)</small></a><hr></div><h3> Zur Person</h3><div class="img-embed"><embed id="820622_image" /></div> <BR />Dr. Hartmann Ludiwg Aichner war Primar der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung des Krankenhauses von Innichen. Seit seiner Pensionierung 2012 hielt er zahlreiche Vorträge, seit 2018 vor allem zum Thema Patientenverfügung. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR />