Das Gutachten der Amtssachverständigen eröffnet im bevorstehenden Prozess gegen Benno Neumair ein unerwartetes Szenario. <BR /><BR /><BR /><BR />Gestern haben die von U-Richterin Carla Scheidle beauftragten Amtssachverständigen ihr Gutachten hinterlegt. Der Psychiater Dr. Eraldo Mancioppi aus Ala, der auf Psychodiagnostik spezialisierte Psychologe Marco Samory aus Padua sowie die Psychologin und Kriminologin am Departement für biometrische Wissenschaft Mailand, Isabella Merzago sind darin zum Schluss gekommen, dass Benno Neumair an einer akuten und schweren Störung leidet. Und diese könnte einen Einfluss darauf gehabt haben, wie er infolge des Streits mit seinem Vater Peter Neumair reagiert hatte. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="659969_image" /></div> <BR /><BR />Benno Neumair hatte selbst ausgesagt, dass ihm sein Vater wie schon oft Vorhaltungen gemacht habe, nichts wert zu sein, im Vergleich zu seiner Schwester, die alles sei, was Eltern sich wünschen könnten. Da habe er Rot gesehen, habe zu dem Seil gegriffen, das in einem Behälter in Reichweite lag, und seinen Vater stranguliert. <BR /><BR /><b>Stimmt Benno Neumairs Version?</b><BR /><BR />Obwohl es keine objektiven Beweise gibt, dass der Streit so stattgefunden hat, glauben die Amtssachverständigen offensichtlich, dass die Version des 30-Jährigen stimmen dürfte. Bei den psychologischen Tests, die sie mit ihm durchgeführt haben, hätten sich keine Hinweise ergeben, wonach er versucht habe, das Ergebnis der Untersuchung durch gezielte Antworten zu manipulieren oder etwas zu verbergen. Somit kamen sie zu dem Schluss, dass Benno Neumairs Zurechnungsfähigkeit beim Mord an seinem Vater Peter Neumair eingeschränkt gewesen sei. <BR /><BR />Für den Mord an seiner Mutter sieht es anders aus. Den Erhebungen zufolge war zwischen den beiden Taten reichlich Zeit vergangen. Benno Neumair habe demnach genau gewusst, was er tat, als er auf ihr Heimkommen gewartet und sie dann stranguliert habe. Somit sei er, als er Laura Perselli getötet habe, durchaus einsichts- und willensfähig gewesen. <BR /><BR /><b>Ein unerwartetes Szenario</b><BR /><BR />Damit könnte sich – was das anstehende Strafverfahren angeht – ein unerwartetes Szenario eröffnen. Zwar ist es seit April 2019 nicht mehr vorgesehen, ein verkürztes Verfahren zu beantragen, wenn einem Beschuldigten lebenslange Haft droht. Zuständig ist damit das Schwurgericht. Bei eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit, die im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens festgestellt wird, könnte diese Möglichkeit aber weiter bestehen, eine Entscheidung in dieser Richtung zeichnet sich vor dem Verfassungsgericht ab.<BR /><BR />Wie das im Fall der „zweigeteilten“ Zurechnungsfähigkeit, die die Gutachter Benno Neumair bescheinigt haben, rein verfahrenstechnisch gehandhabt werden könnte, muss sich noch zeigen. Im verkürzten Verfahren wäre im Fall eines Schuldspruchs lebenslange Haft vom Tisch, weil es eine automatische Reduzierung des Strafmaßes um ein Drittel vorsieht. <BR /><BR />Lesen Sie <a href="https://www.stol.it/artikel/chronik/benno-neumair-chronologie-eines-elternmordes" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">hier </a>die Chronologie dieses Doppelmordes, der Südtirol über Wochen in Atem hielt. <BR />