Im Gespräch mit s+ erzählt sein Bruder und Weiß-Kreuz-Helfer Rayen von den dramatischen Tagen in Tunesien, wie es seinem Bruder jetzt geht und bedankt sich für die große Solidarität.<BR /><BR /><b>Rayen, was ist Dir und Deinem Bruder Souhayl im September 2022 in Tunis genau zugestoßen?</b><BR />Rayen Absi: Wir entschieden uns, nach 3 Jahren wieder nach Tunesien zu reisen, um Verwandte zu treffen. Am 10. August erreichten wir nach 22 Stunden Fahrt den Hafen von Tunis. Nach etwa einer Woche wurde mein Bruder krank, wir dachten, es sei eine Erkältung, weil Fieber und Husten auftraten. Nach 3 Tagen konnte er nichts mehr essen und trinken, weil seine Zähne schmerzten. Schon bald war ich mir sicher, dass es nicht eine Erkältung, sondern eine ernsthafte Erkrankung war. Und plötzlich konnte mein Bruder nichts mehr sehen.<BR /><BR /><b>Wie ging es dann weiter?</b><BR />Rayen: Mein Bruder wurde in der pädiatrischen Abteilung des Militärkrankenhauses in Tunis untersucht. In den ersten Tagen wurde uns gesagt, dass es sich bei der Krankheit meines Bruders zu 99 Prozent um ein Multisystem-Entzündungssyndrom handle. 3 Tage vergingen, und der Zustand meines Bruders verschlechterte sich trotz aller Medikamente. Es wurde beschlossen, ihn in die Reanimationsabteilung zu bringen. Dort wurde bei ihm dann eine sogenannte Meningoenzephalitis, eine Gehirnentzündung, diagnostiziert. Und die Ursache dieser Krankheit war das West-Nil-Virus. Wir haben schreckliche Tage durchlebt, an denen ich nie von seiner Seite gewichen bin. <BR /><BR /><b>Du hast dann in deiner Heimat Südtirol um Hilfe gebeten…</b><BR />Rayen: Ja, nachdem ich mit ansehen musste, wie es meinem Bruder immer schlechter ging, habe ich irgendwann mit dem Weißen Kreuz in Südtirol Kontakt aufgenommen. Ich bin dort freiwilliger Helfer und wollte abklären, ob die Rückholung meines Bruders irgendwie möglich sei – auch wenn es damals ärztlich noch nicht abgeklärt war. Um hier die Gewissheit zu haben, reiste ich mit meinem Vater dann Anfang September nach Italien zurück, um mit einem Arzt in Südtirol über meinem Bruder zu sprechen. Wir hatten den ärztlichen Bericht der tunesischen Ärzte dabei und wollten uns eine medizinische Einschätzung in Bozen holen. Wir waren damals noch sehr zuversichtlich, dass er weiterhin in Tunesien behandelt werden konnte. Nach 2 Tagen kehrten wir aber nach Tunis zurück und mein Bruder war mittlerweile ins künstliche Koma versetzt worden, da sich die Krankheit in seinem ganzen Körper ausgebreitet hatte. Wir waren alle unter Schock und wussten spätestens zu diesem Zeitpunkt, dass wir unseren Bruder schnellstmöglich zur Behandlung nach Südtirol zurückholen mussten. <BR /><BR /><b>Was ist daraufhin geschehen?</b><BR />Rayen: Da mein Bruder keine Versicherung hat, war es schwierig, die Rückholung in die Wege zu leiten. Denn die Verlegung eines Intensivpatienten mit dem Flugzeug ist sehr kostspielig. Auch die italienische Botschaft in Tunis konnte uns hier nicht weiterhelfen. Schließlich konnte das Weiße Kreuz eine Lösung finden und hat mit Hilfe einer Spendenaktion die Rückholung meines Bruders Souhayl organisiert. Dann ging alles sehr schnell, das Weiße Kreuz nahm Kontakt mit dem Krankenhaus in Tunis auf. Bereits 24 Stunden später traf der Ambulanzjet in Tunis ein, um meinen Bruder nach Hause zu bringen. Der Flug von Tunis nach Innsbruck dauerte dann 1,2 Stunden und verlief problemlos. In Nordtirol gelandet, wurde mein Bruder mit einem Krankenwagen in die Universitätsklinik gebracht. Erst in diesem Moment bin ich zur Ruhe gekommen. <BR /><BR /><b>Was geht Dir durch den Kopf, wenn Du an diese Zeit zurückdenkst?</b><BR />Rayen: Es ist vor allem eine große Dankbarkeit. Ich möchte im Namen meiner Familie Danke sagen, dem Weißen Kreuz und allen Spendern, die dazu beigetragen haben, meinen Souhayl zurück zu holen. Denn nur dank dieser großen Solidarität konnte mein Bruder gerettet werden. Wir alle sind unendlich dankbar. Wir werden diese Hilfe nie vergessen. Danke.<BR /><BR /><b>Wie geht es Deinem Bruder jetzt?</b><BR />Rayen: Er ist immer noch in Therapie, aber es geht ihm sehr viel besser. Derzeit befindet er sich in einem Rehazentrum in Deutschland, wo er weiter behandelt wird. Er macht große Fortschritte und ich besuche ihn dort so oft es geht. Wir alle sind zuversichtlich. <BR /><BR /><b>Was begeistert Dich am meisten am Weißen Kreuz?</b><BR />Rayen: Diese Teamarbeit, diese Gemeinschaft, die im Weißen Kreuz gelebt wird, begeistern mich am meisten. Und ich habe den familiären Geist auch gespürt, als ich das Weiße Kreuz von Tunesien aus um Hilfe gebeten habe. Ich möchte nach meinem Oberschulabschluss Medizin studieren und der Dienst beim Weißen Kreuz bereitet mich hervorragend darauf vor. Sobald ich wieder mehr Zeit habe und mein Bruder sich vollständig erholt hat, werde ich mit meiner Ausbildung fortfahren und als Sanitäter anderen Menschen in Not helfen.